Immer mehr Milchbauern in der EU seien vom Konkurs bedroht. In den letzten fünf Jahren hätten die Landwirte in Belgien, Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich ihre Milch bis zu einem Drittel unter Produktionskosten an den Markt abgegeben. Diesen düsteren Befund liefert die vom European Milk Board (EMB) am Donnerstag in Brüssel vorgestellte Studie „Wie viel kostet die Milchproduktion?“. Demnach liegt die jährliche Unterdeckung in den fünf wichtigsten Milcherzeugungsländern im Durchschnitt seit 2012 zwischen 22 Prozent in Deutschland und 24 Prozent in Belgien.
Die Milchkrise in der EU ist noch nicht überwunden
„Ich habe im letzten Jahr keinen Gewinn gemacht, weil die Verluste zu hoch waren. Die Krise ist tiefgreifend und schwerwiegend und wir verlieren immer mehr Milchbauern, die ihren Betrieb aufgeben müssen“, umriss die niederländische Milchproduzentin und EMB-Vizepräsidentin, Sieta van Keimpema, die Situation der Milchproduzierenden Betriebe und forderte einen Mechanismus zur Abwehr von Krisen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fest zu verankern.
„Die Landwirte fordern keine Subventionen für die Milcherzeugung. Es braucht endlich einen Mechanismus, der den Sektor vor weiteren schwerwiegenden Krisen bewahrt“, sagte EMB-Geschäftsführerin Silvia Däberitz. Ein derartiger Mechanismus müsse in der GAP rechtlich verankert werden. In der Vergangenheit kamen die Reaktionen von Brüssel angesichts von Milchkrisen verspätet und liefen oft ins Leere, so Däberitz. „Konkret geht es darum, die Beobachtungsstelle für den Milchmarkt um einen fest installierten Mechanismus zu ergänzen, mit dem im Krisenfall die Produktion zeitlich befristet begrenzt oder reduziert werden kann", forderte die EMB-Geschäftsführerin vor der Presse.
“Für die Milcherzeuger war die Erzeuger-Preis-Krise auch im Jahre 2017 nicht zu Ende”, rechnete die Wissenschaftlerin Dr. Karin Jürgens vor. Die EU verfüge nicht über aktuelle Daten und beziehe die tatsächlichen Arbeitskosten in ihre Rechnung nicht ein. So lag in Deutschland im Jahre 2016 der Produktionskostenpreis eingerechnet von Arbeitskosten und technischer Bereitstellung bei 41,17 Eurocent. Bei einem erzielten Erlös von 27.93 Eurocent stelle dies einen Verlust von 32 Prozent dar. In den Niederlanden summierten sich die Verluste auf 33 Prozent und in Belgien erlitten die Milchbauern gar Verluste von 35 Prozent am Markt, laut EMB-Studie.
European Milk Board macht sich für Milchverantwortungsprogramm stark
Um künftig sich abzeichnender Marktkrisen am Milchmarkt frühzeitig und angemessen begegnen zu können, schlägt das European Milk Board EU-weit gültige Regelungen vor, die in der GAP fest verankert werden sollten. Diese Anwendung müsse auf die Bedürfnisse der Milchproduzenten zugeschnittenen werden in Form eines Marktverantwortungsprogramms (MVP). Um Krisen künftig im Vorlauf besser erkennen zu können, spricht sich das EMB für die Schaffung eines Marktindexes aus, der die Entwicklung von Produktnotierungen, Milchpreisen und Erzeugungskosten antizipiere mit dem Ziel, eine Marktbalance zu erreichen.
So würde beim Absinken des Marktindex auf ein kritisches Level eine Frühwarnung ausgegeben. Die Milcherzeugerbetriebe könnten dann frühzeitig marktkonforme Reaktionen von der Beibehaltung ihrer Produktionskontingente bis hin zu einem freiwilligen Lieferverzicht oder die Rücknahme der Produktionsmengen zur Stabilisierung des Preisniveaus eigenverantwortlich steuern. Ein derartiges System setzt stark auf ein dem Markt angepasstes Verhalten der Milcherzeuger“, erklärte die Studienverfasserin Jürgens. Die Anwendung des MVP könne ein Abstürzen der Erzeugerpreise verhindern helfen und eine eingetretene Krise mit geringen staatlichen Mitteln schneller überwinden helfen, glaubt Jürgens.