"Für die anstehenden Kontrakt-Verhandlungen mit dem Handel sind die Molkereien offenbar breits wieder in einen Wettlauf um niedrige Preise eingestiegen. Das darf nicht sein! Wir erwarten, dass sie auch die Interessen der Milchbauern vertreten", sagte DBV-Vizepräsident Udo Folgart zur Eröffnung des Berliner Milchforums in Berlin.
Folgart schlug ein Aktionsbündnis vor, in dem Milchbauern, Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel im Sinne einer wettbewerbsfähigen, starken Milchwirtschaft „an einem Strang ziehen“. Der Handel habe eine erhebliche Marktmacht gegenüber den Molkereien, die auch im Interesse der gesamten Wirtschaft Verantwortungsbewusstsein verlange. Der Deutsche Bauernverband werde mit seinen 18 Landesbauernverbänden an einem bundesweiten Aktionstag am 23. März 2016 auf den Wert der Lebensmittel wie Milch und Molkereiprodukte und gegen die Zerstörung dieser Wertschöpfung innerhalb der weiteren Produktionskette aufmerksam machen.
„Die Zeiten, in denen sich in den Preisverhandlungen Molkereien bei austauschbaren Produkten möglicherweise gegenseitig preislich unterbieten, muss der Vergangenheit angehören“, betonte Folgart. Schließlich sei der Molkereisektor in Deutschland genossenschaftlich geprägt. Stattdessen müssten die Molkereien die ungenutzten Gestaltungsspielräume des Wettbewerbsrechts nutzen. Ziel müsse es sein, über Kooperationen, Fusionen oder Kontore das Angebot gegenüber dem Handel zu bündeln. Der Milchbauernpräsident: „Die Vermarktungsstrukturen der Molkereien müssen ein Verhandeln mit dem Lebensmitteleinzelhandel auf Augenhöhe ermöglichen.“
Zudem forderte Folgart die Molkereien auf, die Lieferbeziehungen mit ihren Erzeugern zu prüfen. Diese seien so auszugestalten, dass sie beiden Seiten – auch in volatilen Märkten und schwachen Marktphasen – Rechnung tragen. Es sei auch fraglich, ob bereits alle Wertschöpfungspotenziale des europäischen Binnenmarktes genutzt würden. Vor allem die Exportmärkte seien noch stärker ins Visier zu nehmen, betonte Folgart und gab zu bedenken, dass eine Spezialisierung auf einzelne Staaten als alleinige Strategie häufig nicht ausreiche. Gerade während schwacher Marktphasen seien bestehende Exportmärkte und der erfolgreiche Zugang zu neuen Drittlandsmärkten für viele Milchbauern existenziell.
„Mit unternehmerischen Maßnahmen allein können unsere Landwirte die aktuelle Marktkrise jedoch nicht mehr bewältigen. Daher brauchen die Milchbauern und auch die Schweinehalter jetzt eine schnelle und wirksame Unterstützung“, unterstrich Folgart und warnte vor gravierenden Strukturbrüchen, die über das bisherige Ausmaß des Strukturwandels weit hinausgehen würden. Staatliche Planspiele würden den Milchbauern aber nicht helfen, denn: „Die internationalen Verflechtungen der Märkte lassen eine nationale oder europäische Milchmengenregulierung schlicht verpuffen. Selbst in geschlossenen Märkten entfalten Mengenreduzierungen nur eine sehr begrenzte Preiswirkung.“
Vielmehr gehe es darum, für die Bauern mit sofortiger Wirkung Hilfsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, um die Betriebe in der aktuellen Preiskrise zu entlasten. Konkret forderte Folgart ein zweites europäisches Hilfspaket mit 2 Milliarden Euro und verbesserten Rahmenbedingungen. Dazu gehöre eine Verhandlungsoffensive der EU-Kommission mit Drittstaaten zum Abbau von Handelshemmnissen. Vor allem die handelspolitischen Beziehungen mit Russland müssten laut Folgart wieder normalisiert werden. Auch eine Anhebung der Interventionspreise für Butter und Magermilchpulver sei denkbar, sofern dies keine Produktionsanreize setze. Überdies müsse eine breitere Einführung von Absicherungsinstrumenten im Milchbereich erfolgen. Entscheidend sei, so der weitere Appell an die Politik, das europäische Maßnahmenbündel national zu flankieren. Unverzichtbar seien weitere Entlastungen in der Sozialversicherung und ein Steuerpaket für die Bauern, das den Betrieben die individuelle Risikovorsorge erleichtere. Auch das Wettbewerbsrecht gelte es zu stärken sowie die Auflagenflut und den Bürokratiewahn zu stoppen.