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Mob Grazing: So schneidet die Weidestrategie im Praxisversuch ab

Kann Mob Grazing eine Alternative zur herkömmlichen Kurzrasenweide für Milchkühe bieten? Ein Versuch liefert erste Ergebnisse.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Weidesysteme, die in kritischen Wetterperioden funktionieren, sind gefragt. Auch, wenn dieses Jahr extrem feucht ist, können Trockenjahre folgen. Für diese muss dann eine geeignete Weidestrategie her. Im Ökobetrieb Haus Riswick der Landwirtschaftskammer NRW wurden 2022 und 2023 umfangreiche Praxisversuche und Untersuchungen mit rund 45 Milchkühen (Deutsche Holsteins) im Rahmen des Mob Grazings („Hohe Besatzdichte, häufiges Umtreiben“) durchgeführt. Die im Versuchsbetrieb praktizierte Weidestrategie ist im Prinzip ein Umtriebsweidesystem mit kurzen Umtriebszeiten.

Hohe Besatzdichte, häufiges Umtreiben

Intensiv genutzte Kurzrasenweidesysteme können aufgrund des geringen Wurzeltiefgangs bei Sommertrockenheit tiefer liegende Wasserreserven nicht mehr erreichen. Sie kommen daher schneller an ihre Produktivitätsgrenzen als Umtriebsweidesysteme. Als potenziell geeignete Weidestrategie wird das Weideverfahren „Mob Grazing“ diskutiert. In dem „holistischen“ Weidekonzept werden gezielt natürliche Ökosystemleistungen und Stoffkreisläufe genutzt, um Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaanpassung, der Bodenfruchtbarkeit sowie der Tiergerechtheit zu vereinen.

Über Weidereste und Ausscheidungen der Tiere soll im Zusammenhang mit dieser klimaresilienten Weidestrategie ein kontinuierlicher Humusaufbau stattfinden. In der Folge wird die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu infiltrieren und zu speichern, erhöht. Das verstärkte Wachstum der Weidepflanzen führt dazu, dass mehr Kohlenstoff aus dem atmosphärischen CO2 im Boden gebunden wird.

Beim Mob Grazing wird mit sehr hohen Besatzdichten agiert. Dem Prinzip folgend, dient als Orientierungsgröße nicht die Besatzdichte in GV/ha, sondern das Lebendgewicht (LG) in kg/ha. Je nach Zuwachsraten werden 100.000 bis 120.000 kg LG/ha Besatzgewicht angestrebt. Die hohe Besatzdichte soll dazu führen, dass die Rinder Weidepflanzen weniger stark selektieren. Im Fokus der strategischen Weidezuteilung steht die Pflanzenentwicklung. Dabei wird erst bei hoher Wuchshöhe (>15 cm) beweidet. Den Weidepflanzen steht in der Zwischenweidephase dann mehr Zeit für die Regeneration und das Wurzelwachstum zur Verfügung und damit der Einlagerung von Reservestoffen zum Wiederaustrieb.

Weidereste werden einkalkuliert und sind systembedingt erwünscht. So soll ein Mikroklima entstehen, in dem einerseits der Boden mehr Wasser speichern kann und andererseits durch eine zunehmende Mulchschicht aus abgestorbenem Pflanzenmaterial ein wirkungsvoller Verdunstungsschutz generiert wird. Die höhere Restaufwuchshöhe (über 7 bis 10 cm) sorgt für eine gute Photosyntheseleistung und Wiederaustrieb. Kurze Fress- bzw. Weidezeiten und lange Ruhe- bzw. Regenerationszeiten kennzeichnen diese Weidestrategie.

Vorweide zum Weidestart

Die Weidesaison startet obligatorisch mit einer frühen Vorweide kurz nach Vegetationsbeginn. Diese Phase der stundenweisen Weide dient zum einen der physiologischen Gewöhnung der Tiere an das junge, strukturarme Weidegras. Zum anderen regt der frühe Verbiss die Bestockung der Gräser an und fördert damit die Narbendichte. Gleichzeitig bremst er die sehrfrüh schossenden Gräser (z.  B. Wiesenfuchsschwanz) in der generativen Entwicklung. Unerwünschte Kräuter wie Stumpfblättriger Ampfer oder Wiesenkerbel werden zudem zurückgedrängt.

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Die Mob Grazing-Fläche im Ökobetrieb umfasste über den be-trachteten Untersuchungszeitraum 10,7 ha. Täglich haben die Forscher die Herde auf eine neue Weideparzelle getrieben. Die Flächenzuteilung und -abgrenzung erfolgte mit einer mobilen Weidespinne. Die Parzellengröße betrug 2022 im Schnitt 5000 m2, 2023 rund 2500 m2. Je nach Wachstumsvermögen der Fläche weideten die Kühe 2022 auch zwei Folgetage bzw. -nächte auf einer Parzelle. Die Besatzdichte lag damit bei 90 bzw. 180 GV/ha. Bei einem durchschnittlichen Gewicht der Kühe über die Weidesaison von 667 kg (2022) bzw. 682 kg (2023) lag das Herdengewicht bei rund 60  000 kg/ha bei einem Weidetag bzw. 120.000 kg/ha bei zwei Weidetagen (2022) sowie bei etwa 123.000 kg/ha (2023). Die Aufwuchshöhe zum Weideauftrieb lag zwischen 12 und 15 cm. Dabei sollten sich die Pflanzen weitgehend im vegetativen Stadium befinden, um eine ausreichende Energie- und Nährstoffkonzentration zu gewährleisten. Ziel war das Abfressen des oberen Drittels bis höchstens der oberen Hälfte des Aufwuchses.

Um Futterüberschüsse abzuschöpfen, wurde im vergleichsweise wüchsigeren Weidejahr 2023 der erste Aufwuchs einer Teilfläche zusätzlich zur Beweidung gemäht und siliert. Betriebsüblich haben die Forscher aufgrund des Herdenleistungspotenzials von mehr als 9000 kg energiekorrigierte Milchmenge (ECM)/Kuh/Jahr die Halbtagsweide mit einer angepassten Mischration im Stall ergänzt. Im Anschluss an die Vorweide gingen die Milchkühe tagsüber acht Stunden auf die Weide. Während der Sommermonate erfolgte bei entsprechenden Tageslängen ein nächtlicher Weidegang. Dabei weidete die Herde besonders während der Abendstunden sehr effizient, sodass bei zwölf Stunden Nachtweide mit vergleichbaren Weidefutteraufnahmen wie bei acht Stunden Tagweide kalkuliert wurde.

Weideaufwuchs messen

Während der Vegetationsperioden haben die Forschenden zweimal wöchentlich die komprimierte Aufwuchshöhe der Weide mit einem Herbometer gemessen. Zusätzlich haben sie diese beim Auf- und Abtrieb der Herde auf den Weideparzellen erfasst. Mithilfe von Weidekörben wurde der Ertragszuwachs und die Qualität des Aufwuchses an fünf Terminen ermittelt. Dabei haben die Verantwortlichen auch den Ertragsanteil an Gräsern, Leguminosen und Kräutern sowie die Weidereste im Bestand visuell geschätzt.

Die Futteraufnahme im Stall wurde täglich als Gruppenmittel der Herde erfasst. Über die Waage am Futtermischwagen haben die Forscher den Anteil der Rationskomponenten sowie die Gesamtfuttermenge der Mischration bestimmt und anfallende Futterreste zurückgewogen. Die Menge an aufgenommenem Kraftfutter an der Abrufstation konnte mittels Transponder automatisiert und tierindividuell festgestellt werden. Von jeder Rationskomponente lagen die Ergebnisse der Futtermitteluntersuchung vor. Ebenfalls erfasst wurden Lebendmasse, Body Condition Score (BCS) sowie die Daten der wöchentlichen Milchleistungsprüfung.

Die Differenz des Bedarfs für Milchleistung und Erhaltung sowie der über die Stallfütterung aufgenommenen Energie ergab die Energieaufnahme aus der Weide. Daraus wurde die Weideleistung bestimmt.

Das sind erste Ergebnisse

Die Niederschlagsmengen der Monate April bis Oktober betrugen 286 mm (2022) und 573 mm (2023). Damit herrschten in beiden Versuchsjahren sehr unterschiedliche Wachstumsbedingungen für die Weideflächen.

Die angestrebte Aufwuchshöhe von 12 bis 15 cm zum Weideauftrieb konnte 2022 aufgrund der geringen Niederschlagsmengen und -verteilungen und dem daraus resultierenden geringen Pflanzenwachstum zeitweise nicht erreicht werden. 2023 lag die Aufwuchshöhe beim Auftrieb der Herde meist zwischen 10 und 14 cm. Der geschätzte prozentuale Weiderest lag in beiden Jahren zwischen 5% und 45%.

Die visuelle Ertragsanteilsschätzung von Gräsern, Klee und Kräutern ergab, 2023 deutlicher als 2022, einen Anstieg des Gräseranteils, jedoch einen Rückgang des Weißkleeanteils. Die Ruhe- bzw. Regenerationszeit der Teilstücke lag im ­Untersuchungszeitraum zwischen 20 und 75 Tagen. Die sehr hohen Weide-Zwischenzeiten resultierten primär aus der lang anhaltenden Trockenheit im Sommer 2022. Hier fand so gut wie kein Wachstum auf der Weide statt. In dieser Phase wurden die Tiere zeitweise aufgestallt.

In beiden Untersuchungsjahren wurden vergleichbare Weideleistungen erreicht. Durch die zusätzliche Schnittnutzung 2023 erweitert sich rechnerisch die flächenbezogene Milchleistung um die aus der Erntemenge erzeugbare Milchmenge in der Stallfütterung. Daraus ergibt sich eine deutlich höhere Flächenleistung 2023 im Vergleich zum Vorjahr. Da die ­Weideperiode 2023 mit 174 Weidetagen kürzer ausfiel als die im Vorjahr mit 204 Tagen, wurde zusätzlich die Weidetagleistung berechnet, die 2023 um 1,3 kg pro Tag höher lag als 2022.

Die Erträge der Weidekörbe ließen auf eine potenzielle Weideleistung von 15.400 kg ECM/ha 2022 und 20.000 kg ECM/ha 2023 schließen. Bei dieser Hochrechnung wurden allerdings keine Weidereste berücksichtigt, die wichtiger Bestandteil des Mob Grazings sind.

Die Einordnung der bisherigen Ergebnisse von tierischen Leistungsmerkmalen (Milchleistung der Herde pro Hektar, BCS) muss auf Basis bisheriger „konventioneller” und bewährter Weidesysteme erfolgen, auch wenn ein direkter Vergleich mit dem langjährigen Kurzrasenweidesystem im Rahmen des Versuches nicht möglich ist.

Vergleichbare Leistung

Vor dem Hintergrund der langjährig erhobenen Leistungsdaten im System der Kurzrasenweide im Ökobetrieb Haus Riswick (2009 bis 2020) scheint Mob Grazing auf der Basis der bisherigen Ergebnisse zunächst vergleichbare Leistungen zu ermöglichen. Eine abschließende Bewertung des Mob Grazing-Systems kann nach der zweijährigen Auswertung noch nicht vorgenommen werden. Hier sind zwingend weitere Untersuchungsjahre erforderlich, um neben Kennzahlen der tierischen Leistung auch die pflanzenbauliche Entwicklung des Grünlandes sowie diverser Ökosystemleistungen zu erfassen, einzuordnen und zu interpretieren.

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