Ab der Zuchtwertschätzung im April ist der RZG neu gewichtet. Während die Milchleistung (RZM) bisher einen Anteil von 45 % hatte, reduziert sich dieser auf 36 %. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der funktionalen Zuchtwerte von 40 auf 49 % und das Exterieur bleibt unverändert bei 15 % (siehe Übersicht). „Das genetische Potenzial für Milchleistung ist auf einem hohen Niveau – das bestätigt sich auch in der Praxis. Deshalb reduzieren wir die Gewichtung im Zuchtwert“, sagt Jens Baltissen, Fachbereichsleiter Zucht und Genetik beim Bundesverband Rind und Schwein (BRS).
Gesundheit ist greifbar
Neu im RZG bzw. in den funktionalen Merkmalen ist unter anderem der RZGesund mit einem Anteil von 18 %. Grundlage für die Schätzung des Gesundheitszuchtwertes sind die Daten aus dem Projekt KuhVision. Dabei lassen Landwirte nicht nur die genotypischen Daten der weiblichen Tiere ermitteln, sondern erfassen und dokumentieren auch krankheitsbezogene Daten. Den daraus abgeleiteten RZGesund schätzt das Rechenzentrum vit seit zwei Jahren. „Die Tiergesundheit lässt sich dadurch auf direktem Wege und nicht nur durch Hilfsmerkmale züchterisch verbessern“, sagt Dr. Stefan Rensing von den Vereinigten Informationssystemen Tierhaltung (vit) in Verden.
Tiergesundheit ist nicht neu und schon seit Jahren im Zuchtziel der Deutschen Holsteins verankert. Aber mit den neuen Zuchtwerten können wir sie besser abbilden, so Baltissen.
Ein Beispiel dafür ist der Teilzuchtwert RZEuterfit. Damit sollen Milcherzeuger jetzt direkt auf bessere Eutergesundheit züchten können, statt indirekt über die Zellzahl (RZS). Daher löst der RZEuterfit den RZS im Gesamtzuchtwert ab. Der RZS wird weiterhin ausgewiesen, fließt aber nicht in den RZG ein.
Ähnlich gilt das für die Nutzungsdauer (RZN) und die Töchterfruchtbarkeit (RZR), deren Gewichtungen im RZG leicht reduziert sind. Stattdessen lassen sich diese Merkmale mit direkten Daten über den RZGesund züchterisch bearbeiten.
Neu im RZG ist auch der RZKälberfit mit einer Gewichtung von 3 %. Dieser Zuchtwert bietet die Möglichkeit, die Vitalität der Kälber und die Aufzuchtverluste auf direktem Wege züchterisch zu verbessern.
Exterieur berücksichtigt
Das Zuchtziel der Deutschen Holsteins beschreibt auch ein funktionales Exterieur. Deshalb ist dieser Merkmalskomplex weiterhin mit 15 % im Gesamtzuchtwert RZG gewichtet. Neu ist, dass zusätzlich zum Euter und Fundament auch der Körper in die Bewertung eingeht.
Milcherzeuger, die bei der Anpaarung vor allem wirtschaftliche Kriterien und weniger das Exterieur berücksichtigen wollen, können weiterhin den RZ€ nutzen. Dieser zweite Gesamtzuchtwert ist seit dem vergangenen Jahr verfügbar und legt den Fokus auf Milchleistung und funktionale Merkmale (top agrar-Ausgabe 7/2020).
„Die Gesamtzuchtwerte RZG und RZ€ haben unterschiedliche Zielsetzungen, lassen sich aber auch parallel nutzen. Damit haben Milchviehhalter ab sofort eine gute Auswahl für ihre Zuchtarbeit“, so Baltissen.
Spitzenplätze neu vergeben
Die neue Gewichtung des RZG wirkt sich auf die Rangierung und den durchschnittlichen Zuchtwert der Top-Bullen aus. Das vit hat die voraussichtlichen Einflüsse mit Test-Schätzungen ermittelt.
Daraus ergibt sich mit 0,97 eine hohe Korrelation zwischen dem alten und dem neuen RZG. Dennoch sind einige auch deutlichere Rangfolgeverschiebungen zu erkennen. „Zu den Gewinnern gehören Bullen mit hohen RZGesund-Werten insbesondere im Verhältnis zum RZM. Zu den Verlieren zählen Bullen, die ihre hohe Position nach RZG bisher vorwiegend einer überragenden Milchleistung, aber nur durchschnittlicher Gesundheit zu verdanken hatten“, sagt Rensing.
Die deutlichsten Umrangierungen finden jedoch im mittleren Bereich der Top-Listen statt. Wäre der neue Gesamtzuchtwert auf Basis der Dezember Zuchtwerte errechnet worden, fänden sich die Bullen aus der schwarzbunten Top-25 auch nach den neuem RZG mindestens in der Top-50 wieder.