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Bayern: "Uns bricht die Ferkelerzeugung weg!"

Lesezeit: 9 Minuten

Die Ferkelerzeugung in Bayern droht auszubluten. Viele kleinere Betriebe steigen in den nächsten Jahren aus. Die zukunftsfähigen Sauenhalter stocken aber nicht in gleichem Maße auf. I n den nächsten fünf Jahren werden wir einen brutalen Einbruch in der Fer-kelerzeugung erleben, warnt Willi Witt-mann. Der Geschäftsführer der Erzeu-gergemeinschaft für Qualitätsvieh und -fleisch in Niederbayern (EGN) stützt sich dabei auf eine Umfrage bei den knapp 1 000 Ferkelerzeugern in seiner Organisation. Nur knapp 20 % der Be-triebe sind aufstockungswillig, so die Kernaussage der Umfrage. Dabei reprä-sentieren die EGN-Mitglieder eher die größeren Betriebe in der Region. Die durchschnittliche Bestandsgröße liegt bei rund 52 Sauen, während der durch-schnittliche Ferkelerzeuger in Nieder-bayern nur 34 Sauen hält. Auch im Münchener Landwirtschafts-ministerium sorgt man sich um die Sau-enhaltung im Freistaat. Es muss mehr investiert werden, fordert Siegfried Kö-gel, langjähriger Referent für Schweine-zucht und -haltung. Sonst laufen wir Ge-fahr, dass die Sauenzahlen in den nächs-ten Jahren massiv zurückgehen. Bisher ging der Strukturwandel noch nicht auf Kosten der Sauenzahl. Obwohl sich in den letzten zehn Jahren die An-zahl der Sauenhalter halbierte, blieb die Anzahl der Sauen annähernd konstant. Denn der Durchschnittsbestand verdop-pelte sich auf 29 Sauen pro Betrieb. Trotzdem sind die Betriebe im bundes-weiten Vergleich nach wie vor sehr klein. Besonders weit ist der Abstand zu den Ferkelerzeugern in den Veredelungs-hochburgen Hohelohe, Weser-Ems und Münsterland. Hier sind die Sauenbestän-de doppelt so groß wie in Bayern (siehe Übersicht 2). Zu wenig große Ferkelerzeuger Das Hauptproblem: Es gibt zu wenig große Ferkelerzeuger. Nur ein Drittel der Sauen stehen in Betrieben mit mehr als 100 Sauen. Nach Schätzungen von Josef Weiß von der bayerischen Lan-desanstalt für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur halten von den gegenwär-tig 12 700 Ferkelerzeugern in Bayern nur etwa 800 mehr als 100 Sauen. Darunter wiederum sind bayernweit nur 250 Be-triebe mit mehr als 150 Sauen. Mit weniger als 100 Sauen wird es aber langfristig sehr schwer sein, als speziali-sierter Ferkelerzeuger ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Deshalb ist der Anpassungsdruck sehr groß. Und trotzdem stocken gegenwärtig in Bayern nur sehr wenige Sauenhalter ihre Be-stände auf. Dafür sind eine Reihe von Hemmnissen verantwortlich: Der Großteil der bayerischen Sauen-halter wirtschaftet noch in Ortslagen. Wachstumsschritte sind hier aus Immis-sionsschutzgründen nur bedingt möglich. Wer wächst, muss in der Regel zumindest seinen Flatdeckstall auf die grüne Wiese bauen und teilaussiedeln. Hierfür fehlt aber häufig das Kapital. Betriebe mit 50 bis 100 Sauen tendie-ren häufig Richtung Zuwerb, vor allem, wenn es attraktive außerlandwirtschaftli-che Angebote gibt. Flächenstarke Betriebe investieren wegen der einfacheren Arbeitserledi-gung lieber in die Mast. So spezialisieren sich etwa in Niederbayern immer mehr Kombi-Betriebe auf die Mast. Gleichzei-tig wechseln etliche spezialisierte Ferkel-erzeuger mit 80 bis 100 Sauen ins ge-schlossene System. Ein weiterer Grund für diesen Trend: Die Ferkelerzeugung hat bei vielen bayerischen Landwirten ein schlechteres Image als die Mast. Weil arbeitssparende Wochen-Rhyth-men bisher wenig verbreitet sind, be-zweifeln zahlreiche Betriebsleiter, größe-re Bestände arbeitswirtschaflich über-haupt bewältigen zu können. Die restriktive Förderpraxis im Frei-staat wirkt wachstumshemmend. Wie in den meisten anderen Bundesländern werden in der Schweinehaltung nur Mo-dernisierungen ohne Aufstockung des Viehbestandes gefördert. Hinzu kommt, dass in Bayern für geförderte Betriebe im Regelfall ein zwölfjähriges Aufsto-ckungsverbot gilt. Auch wenn die Vermarkter die För-derung nicht als Allheilmittel sehen, hal-ten sie gezielte Maßnahmen in begründe-ten Fällen für sinnvoll. Stefan Neher, Vor-sitzender der Schwabenferkel-EG: Die Fördermaßnahmen sollten gezielt den Be-trieben zugute kommen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit bereits bewiesen haben. Völliges Unverständnis herrscht für das zwölfjährige Aufstockungsverbot nach einer Fördermaßnahme. Für einen Be-trieb, der wettbewerbsfähig bleiben will, ist das widersinnig und völlig indiskuta-bel, so die einhellige Meinung in der bayerischen Schweineszene. Niederbayern: Babyferkel-erzeugung boomt Schon seit einigen Jahren steuern die bayerischen Vermarktungsorganisatio-nen gegen und unterstützen wachstums-willige Sauenhalter. Dabei setzen einige Erzeugergemeinschaften auf die Baby-ferkelProduktion und die spezialisierte Aufzucht. Allein in Niederbayern gibt es mittler-weile 70 Babyferkel-Erzeuger und zehn Aufzuchthöfe. Grund für den Boom war, dass auch in Niederbayern zunehmend Mäster auf Rein-Raus-Belegung umge-stiegen sind und deshalb große Ferkelpar-tien nachgefragt haben. Diese können von spezialisierten Aufzuchthöfen gut bedient werden. 400er bis 1 500er Ferkelpartien sind problemlos lieferbar, so Willi Witt-mann von der EGN. Ganz entscheidend für die Zunahme der Babyferkelschiene ist, dass auch Er-zeuger in Ortslagen kaum Probleme mit der Baugenehmigung für zusätzliche Sauenplätze haben, wenn sie sich von der Ferkelaufzucht trennen. Aus diesem Grund haben in den letzten Jahren in Niederbayern zahlreiche Erzeuger von 28 kg-Ferkeln die Aufzucht abgegeben und dafür die Sauen aufgestockt. Hinzu kamen noch einige Umsteiger aus der Milchviehhaltung. Für diese Be-triebe hat die Babyferkel-Produktion den Vorteil, dass sie übersichtlicher und weniger kapitalintensiv ist als die Pro-duktion von 28 kg-Ferkeln. Zusätzlich puscht die EGN die Baby-ferkelErzeugung mit Mengenzuschlägen. Die Organisation zahlt pro Babyferkel ab einer Partiegröße von 120 Tieren 6 DM Zuschlag pro Tiere, für herkömmliche Qualitätsferkel beträgt der maximale Zu-schlag dagegen nur 3 DM (ab 90 Ferkeln). Mittlerweile vermarktet die EGN jährlich 100 000 Babyferkel, bei weiter steigender Tendenz. Der Zuwachs wird dieses Jahr bei knapp 20 % liegen, für die nächsten Jahre wird mit durchschnittlichen Steige-rungsraten von 10 % gerechnet. Obwohl die Aufzuchtbetriebe ihre Tie-re von durchschnittlich 25 Zulieferbe-trieben bekommen, laufen die Bestände offenbar gesundheitlich sehr gut. Grund hierfür ist ein integriertes tierärztliches Betreuungssystem, mit regelmäßigen Kon-trollen, intensiver Dokumentation und einem stufenübergreifenden Medikamen-tenfahrplan. Hinzu kommt ein umfangreiches Be-handlungsprogramm in den Ferkelerzeu-gerBetrieben. So müssen alle Baby-ferkelErzeuger dreimal im Jahr zum gleichen Zeitpunkt Ekto- und Endopa-rasitenbehandlungen durchführen. Ver-pflichtend sind auch die Rhinitis- und Mykoplasmen-Schutzimpfungen. Die Maßnahmen schlagen sich in der Wirtschaftlichkeit der Aufzuchtbetriebe nieder. Laut EGN lag der Deckungs-beitrag je aufgezogenem Ferkel im Durchschnitt der letzten sieben Jahre bei 11 DM. Das entspricht 63 DM pro Auf-zuchtplatz. In Zukunft will die EGN die Betriebe der verschiedenen Stufen einander fester zuordnen. So sollen Mäster künftig Ferkel immer aus dem gleichen Aufzuchtbetrieb bekommen. Für feste Systeme zwischen Ferkelerzeugern und Aufzüchtern rei-chen die Vermarktungszahlen jedoch noch nicht. Dafür brauchen wir mindes-tens 200 000 Babyferkel pro Jahr, so Ge-schäftsführer Wittmann. Die EGN will künftig wachstumswilli-gen Sauenhaltern noch stärker unter die Arme greifen und sie finanziell unterstüt-zen. Überlegt wird gegenwärtig, von auf-stockenden Betrieben eine Zeit lang kei-ne Vermarktungsgebühren zu erheben. Schwaben: Arbeitsteilige Systeme wachsen rasant Noch deutlicher als in Niederbayern zeigt sich der Trend hin zur Babyferkel-Produktion in Schwaben. Hier vermarktet die Erzeugergemeinschaft für Qualitäts-ferkel in Schwaben (Schwabenferkel-EG) jährlich 260 000 Babyferkel, davon die Mehrzahl aus Systemen mit arbeitsteiliger Sauenhaltung. Den ca. 110 Babyferkeler-zeugern sind 26 Aufzuchthöfe mit insge-samt 40 000 Plätzen zugeordnet. Drei da-von befinden sich in der Veredelungs-hochburg Weser-Ems, einer wichtigen Abnehmerregion für bayerische Ferkel. Auffallend sind die enormen Zuwachs-raten aus den arbeitsteiligen Systemen. Die Vermarktung stieg im Wirtschaftsjahr 2000/2001 gegenüber dem Vorjahr um 47 % auf 155 000 Ferkel an. Zugenommen hat auch die Vermarktung von konven-tionellen Babyferkeln. Die Vermarktung von 28 kg-Ferkeln hingegen ist seit Jahren leicht rückläufig. Entscheidend für die starke Zunahme der Babyferkelproduktion sind auch in Schwaben die begrenzten Wachstums-möglichkeiten der Sauenhalter in den Ortslagen und der Wunsch der Mäster nach großen Ferkelpartien. Warum setzt die Schwabenferkel-EG auf arbeitsteilige Systeme, bei denen ei-nem zentralen Deckbetrieb fünf bis zehn kombinierte Warte-Abferkel-Betriebe zu-geordnet sind? Anfangs wollten wir auch den Nebenerwerbsbetrieben die Chance geben, in der Produktion zu bleiben, er-klärt Geschäftsführer Hans Häusler. Jetzt zeichnet sich aber immer mehr ab, dass diese Form der Ferkelerzeugung auch für größere Betriebe attraktiv ist. Den Hauptvorteil sieht Häusler in der höheren Arbeitsproduktivität. Zudem ha-ben die Ferkelerzeuger mehr Freizeit, weil sie den Sechs-Wochen-Abferkel-rhythmus (vier Wochen Säugezeit) strikt einhalten müssen. Außerdem sind die Stallplätze besser ausgelastet, weil der Warte-Abferkel-Betrieb nur gedeckte Sauen auf den Betrieb bekommt. Und die Spezialisierung führt zu besseren Leistun-gen. Laut Häusler können die Systembe-triebe knapp drei Ferkel pro Sau und Jahr mehr verkaufen als die herkömmlichen Ferkelerzeuger in der Region. Hinzu kommen höhere Mengenzuschläge und geringere Vermarktungsgebühren. Allerdings scheint das Wachtum jetzt erstmals an seine Grenzen zu stoßen. Das Angebot an Babyferkeln entwickelt sich rascher als die Nachfrage, gibt Häus-ler zu. Deshalb müssen wir uns künftig wieder verstärkt den Produzenten von 28 kg-Ferkeln zuwenden. Mittelfranken puscht große Ferkelpartien Bei der Erzeugergemeinschaft Fran-ken Vieh & Fleisch in Mittelfranken hält man die Gestaltung der Gebühren und Zuschläge für das entscheidende Instru-ment, um Wachstumsschritte in der Fer-kelerzeugung zu fördern. Mengenzu-schläge rauf und Gebühren runter ist das Mittel der Wahl, so Geschäftsführer Hans Wolf. Die Organisation zahlt bei 28 kg-Ferkeln für Partien ab 150 Ferkeln ca. 5 DM Mengenzuschlag, für Babyferkel gibt es ab der gleichen Größenordnung noch mal 2 bis 3 DM mehr. Auch wenn die Bestände in Mittel-franken unter dem bayerischen Durch-schnitt liegen, haben sich bei den organi-sierten Betrieben mittlerweile ordentli-che Strukturen etabliert. Im Fleischerzeu-gerring Mittelfranken hält jeder Betrieb durchschnittlich 69 Sauen, in der Erzeu-gergemeinschaft sind es sogar 75. Dennoch mahnt Wolf weitere Ent-wicklungsschritte an. Es geht letztlich um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Be-triebe, so der Vermarkter. Die Konkur-renten im In- und Ausland sitzen uns doch bereits im Nacken. Um größere Partien zu bekommen und somit die Anzahl der Herkünfte zu be-grenzen, will die Vermarktungsorganisa-tion jetzt vor allem die kleineren Betriebe dazu bewegen, auf den Drei-Wochen-Rhythmus umzustellen. Um dies zu errei-chen, wird die Erzeugergemeinschaft ab dem 1.1.2002 Partien unter 25 Stück (bei 28 kg-Ferkeln) bzw. unter 35 Stück (bei Babyferkeln) nicht mehr abholen. Wenn ein Betrieb erst einmal die Vorteile der Wochen-Rhythmen erkannt hat, nimmt die Angst vor Wachstumsschritten ab, ist Wolf überzeugt. Wir halten fest In Bayern gibt es zu wenig wachstums-willige Ferkelerzeuger. Trotz des Anpas-sungsdruckes stocken nur wenig Sauen-halter auf, weil Wachstumsschritte in vie-len Fällen mit einer Aussiedlung verbun-den sind. Hinzu kommen arbeitswirt-schaftliche Bedenken, Imageprobleme und die restriktive Förderpraxis im Frei-staat. Lediglich die Babyferkel-Erzeu-gung und die arbeitsteilige Sauenhaltung ist auf Wachstumskurs. Um die Struktur-entwicklung zu forcieren, bieten etliche Vermarkter nun Zuschläge und Ver-marktungsgebühren für große Gruppen an. Klaus Dorsch

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