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Die Schweinepest wäre ein Milliardengrab

Lesezeit: 10 Minuten

Welche finanziellen Auswirkungen hätte ein Ausbruch der Klassischen oder Afrikanischen Schweinepest in einer viehdichten Region? Und was wäre billiger: Keulen oder impfen? Eine Analyse von Prof. Dr. Ludwig Theuvsen und Maria Näther, Uni Göttingen.


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Es kann jederzeit passieren: Heute, morgen, nächste Woche, nächsten Monat oder nächstes Jahr. Die Schweinepest schlägt ohne Vorwarnung zu, bevorzugt in der nasskalten Jahreszeit. Denn dann lassen sich Transportfahrzeuge, Verladerampen und Ställe schwer desinfizieren. Und das Virus fühlt sich bei Nässe und Kälte richtig wohl.Experten haben beobachtet, dass sich die Schweinepest etwa alle 10 bis 15 Jahre in Form eines Seuchenzuges in Erinnerung ruft. Der letzte Ausbruch der Klassischen Schweinepest (KSP) bei Hausschweinen ereignete sich 2006, liegt also gut neun Jahre zurück. Damals waren vor allem die Landkreise Borken und Recklinghausen betroffen. Darüber hinaus bereitet den Experten die täglich wachsende Gefahr durch die Afrikanische Schweinepest (ASP) größte Sorge. Die ASP wurde 2007 mit Speiseresten nach Georgien eingeschleppt und verbreitete sich in Windeseile im Kaukasus. Inzwischen wurde das Virus auch in Osteuropa breit gestreut, und es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis es nach Westeuropa vordringt.Wirtschaftliche Katastrophe: Deshalb ist höchste Vorsicht geboten. Denn ein Ausbruch der Klassischen oder Afrikanischen Schweinepest in den Veredelungshochburgen Westeuropas würde enorme wirtschaftliche Schäden verursachen, wie frühere Seuchenzüge belegen. Beispiel Niederlande: Allein die direkten Kosten des letzten großen KSP-Seuchenzuges 1997/98 werden auf 2,3 Mrd. € geschätzt. Mehr als 11 Mio. Schweine wurden damals getötet.Beim letzten KSP-Ausbruch 2006 in Deutschland wurden die direkten Kosten nach acht Ausbrüchen und 228 Verdachtsfällen in den Kreisen Borken und Recklinghausen auf insgesamt 40 bis 80 Mio. € geschätzt. Der Gesamtschaden, unter anderem durch verminderten Fleischkonsum oder reduzierte Exportchancen, ist jedoch um ein Vielfaches höher. Damals wurden mehr als 120 000 Schweine getötet. Nur rund 9 000 davon stammten aus infizierten Betrieben.Inzwischen darf, wenn das betroffene Land dies in Brüssel beantragt, im Falle eines Pestausbruchs gegen die KSP geimpft werden. Aus ethischer Sicht wäre das wünschenswert, aber auch aus ökonomischer? Und welche finanziellen Schäden würde ein ASP-Ausbruch verursachen, zumal hier schärfere Sperrmaßnahmen gelten als bei der KSPUm diese Fragen zu klären, wurde von der Universität Göttingen eine Studie zur ökonomischen Bewertung von Schweinepestausbrüchen angefertigt, finanziert vom QS-Wissenschaftsfonds. Es wurde untersucht, in welchen Bereichen der „Wertschöpfungkette Schwein“ Verluste durch einen ASP- oder KSP-­Ausbruch hervorgerufen werden und wie hoch diese wären. Zudem wurde analysiert, wie sich alternative Bekämpfungsstrategien (Keulen, Impfen, Beobachten) finanziell auswirken.Mithilfe von Experten aus Veterinärverwaltung, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sowie einer Erhebung in mehr als 100 Betrieben wurde ermittelt, welche Kostenarten bei einem potenziellen Pest­ausbruch anfallen. Die Kostenpositionen wurden dabei in fünf Kostenblöcke eingeordnet. Das Ergebnis ist in Übersicht 1 dargestellt. Aus Sicht der Landwirtschaft sind insbesondere die Kosten der direkt (KB 2) und indirekt betroffenen (KB 3) Betriebe von Bedeutung. Und im Kostenblock „Sonstige Kosten im Agribusiness“ (KB 4) ist es der Preisverfall des Schweinefleisches in den Restriktionsgebieten, der hier besonders zum Tragen kommt.Impfen oder Keulen? Die Höhe des Gesamtschadens wird unter anderem durch die Viehdichte in der betroffenen Region bestimmt. Je höher die Viehdichte, desto mehr Tiere sind von den Restriktionen betroffen. Der stärkste Kostenanstieg lässt sich bei den indirekt betroffenen Betrieben beobachten. Denn die Wahrscheinlichkeit, von indirekten Sperrmaßnahmen betroffen zu sein, ist bei der Klassischen Schweinepest 400-mal größer als das Risiko, dass im eigenen Betrieb Schweinepest ausbricht.Prinzipiell kann man bei der KSP zwischen den Bekämpfungsstrategien „Keulen“, „Impfen“ und „Beobachten“ unterscheiden:„Keulen“ bedeutet die Tötung der Schweine im infizierten Bestand sowie das präventive Töten aller Schweine im Umkreis von mindestens 500 Metern rund um den infizierten Betrieb. Der Keulungsring, in dem alle Schweine getötet werden, kann bei Bedarf ausgeweitet werden. Beim letzten KSP-Geschehen in Borken/Recklinghausen wurde er auf 3 km erweitert. Bei der Bekämpfungsstrategie „Impfen“ werden alle Tiere im infizierten Bestand und in einem engeren Keulungsring getötet. Die ansteckungsgefährdeten Schweine im weiteren Umkreis werden notgeimpft. Wichtig ist, dass die Entscheider vor Ort die Notimpfung bei der EU-Kommission beantragen. Sie müssen definieren, wie groß das Impfgebiet sein soll, welche Untersuchungen durchgeführt und wie die Impftiere vermarktet werden sollen. Allerdings sind die Beihilfen, die im Anschluss an die Notimpfung gezahlt werden, noch nicht im Tiergesundheitsgesetz verankert. Bei bisherigen Seuchenzügen wurden die Impfkosten von Dritten getragen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Landwirte künftig beteiligen müssen. „Beobachten“ bedeutet, dass Schweine, die sich im Restriktionsgebiet befinden und nicht gekeult oder geimpft werden, den gesetzlichen Vorgaben der Schweinepest-Verordnung unterliegen. Die Schweine dürfen z. B. für gewisse Zeit nicht aus dem Bestand verbracht werden. Und ihr Gesundheitsstatus wird unter strengen Untersuchungsauflagen „beobachtet“. Für diese Betriebe fallen die im Block „Kosten indirekt betroffener Betriebe“ (KB 3) genannten Aufwendungen an. Bei Ferkelerzeugern kann die Beobachtungssperre z. B. zu Platzproblemen führen. Es müssen Notunterkünfte für die Ferkel geschaffen werden.Mäster haben dieses Problem nicht, müssen jedoch eventuell erhebliche Preisabschläge hinnehmen, weil ihre zu schwer gewordenen Schweine aus der Vermarktungsmaske „herauswachsen“. Viele indirekt betroffen: Sobald der Ausbruch der Schweinepest amtlich bestätigt ist, werden bei der Klassischen Schweinepest rund um das Seuchengehöft ein Sperrbezirk mit einem Radius von mindestens 3 km und ein Beobachtungsgebiet mit mindestens 10 km Radius eingerichtet. Im viehdichten Südoldenburg bedeutet das, dass im Sperrbezirk im Schnitt 60 Betriebe mit rund 37 000 Schweinen liegen. Im Beobachtungsgebiet wären sogar mehr als 560 Betriebe mit über 400 000 Schweinen betroffen.Bei der Klassischen Schweinepest gilt für den Sperrbezirk ein Verbringungsverbot von 28 Tagen und für das Beobachtungsgebiet eine Sperre von mindestens 21 Tagen. Erfahrungsgemäß kann man die Sperrdauer jedoch um mindestens eine Woche oder mehr verlängern.Die Größe des Restriktionsgebietes hat einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten eines Seuchenausbruchs. Verdoppelt man z. B. den Radius des Keulungsringes von 500 auf 1 000 Meter, müssen viermal so viele Schweine getötet werden.Was kostet ein KSP-Ausbruch? Ziel der vorliegenden Untersuchung war es auch, zu ermitteln, wie sich alternative Bekämpfungsstrategien auf die Kosten auswirken. Denn zahlreiche Studien haben gezeigt, dass ein 2 bis 3 km großer Impfring rund um die Erstinfektion seuchenhygienisch genauso effektiv ist wie ein 1 km breiter Keulungsring.Um die Gesamtkosten eines Seuchenausbruchs ermitteln und die beiden Strategien miteinander vergleichen zu können, werden im Folgenden vier Szenarien miteinander verglichen. Bei allen Auswertungen wurde davon ausgegangen, dass ein einzelner KSP-Ausbruch zugrunde liegt:Bekämpfungsstrategie A: Im 1-km-Umkreis rund um den Erstausbruch werden alle Schweine gekeult. Alle übrigen Tiere im Restriktionsgebiet werden beobachtet.Strategie B: Alle Schweine im 3-km-Umkreis werden gekeult und alle übrigen Schweine beobachtet (entspricht dem Vorgehen 2006 in Borken).Strategie C: Keulen bis 500 m und impfen bis 2 km rund um den infizierten Betrieb. Alle übrigen Schweine im Restriktionsgebiet werden beobachtet.Bekämpfungsstrategie D: Keulen bis 500 m und impfen bis 3 km rund um den Erstausbruch. Alle übrigen Schweine im 10-km-Radius werden beobachtet.In Übersicht 2 sind die vier Strategien und die damit verbundenen Kosten aufgelistet. Dabei wurden zusätzlich noch drei unterschiedliche Viehdichten berücksichtigt mit 400, 800 und 1 200 Schweinen/km2. Eine genaue Aufsplittung auf die jeweiligen Kostenblöcke finden Sie im Internet auf der top agrar-Homepage in der Rubrik „Heft +“. Ergebnis: Die höchsten Kosten fallen bei der Bekämpfungsstrategie „B“ an. Denn hier müssen die meisten Schweine getötet werden, etwa 9-mal so viele wie bei Strategie „A“.Die höchsten Kosten für die direkt betroffenen Betriebe ergeben sich bei den beiden Bekämpfungsstrategien „B“ und „D“. Bei „D“ fallen die „Nicht erstatteten Impfkosten“ sehr hoch aus. Sie ergeben sich hauptsächlich aus den Mindererlösen der Landwirte bei der Vermarktung ihrer notgeimpften Tiere.Für die indirekt betroffenen Schweinehalter ergeben sich die höchsten Kosten dagegen bei der Bekämpfungsstrategie „A“. Denn bei diesem Bekämpfungsmodell stehen die meisten Betriebe unter Beobachtung.Den größten Batzen bei allen Be­kämpfungsstrategien machen die Einbrüche beim Außenhandel aus. Sie betragen bei allen Strategien und Viehdichten im Fall eines einzelnen KSP-­Ausbruchs etwa 174 Mio. €. Dabei wurde ein Exportrückgang in Dritt­länder um 40 % für die Dauer von 90 Tagen unterstellt. Bei mehr als einem KSP-Ausbruch in mehreren Regionen kommen dann noch Mindereinnahmen beim innergemeinschaftlichen Handel hinzu. Die Kosten liegen dann etwa 150 % höher als bei einem einzelnen Ausbruch.Impfung salonfähig machen! Der Vergleich zeigt, dass die Gesamtkosten der beiden Strategien „Keulen“ oder „Impfen“ bei der KSP im Extremfall weniger als 4,5 % auseinanderliegen. Da die Gesellschaft das Töten einer großen Anzahl gesunder Tiere kaum noch akzeptiert, sollten die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen für eine KSP-Notimpfung dringend verbessert werden. Denn nur dann steht die Notimpfung auch wirklich als Bekämpfungsinstrument zur Verfügung.Die größte Hürde stellt die Vermarktung der geimpften Schweine dar. Hier muss viel Aufklärungsarbeit geleistet und es müssen Marketingmaßnahmen umgesetzt werden, damit das Fleisch notgeimpfter Schweine im Inland, innerhalb der EU, aber auch in Drittländern uneingeschränkt akzeptiert wird.Ein Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) käme der gesamten Branche noch teurer zu stehen. Denn hier müssen einige Besonderheiten berücksichtigt werden. Als Bekämpfungsstrategie kommt z. B. nur die Keulung infrage, da es bislang keinen ASP-Impfstoff gibt.Zudem gehen Seuchenexperten da­­von aus, dass der Radius der Restriktionsgebiete bei der ASP deutlich größer ausfallen wird. Der Sperrbezirk rund um infizierte Betriebe wird vermutlich 4 km groß sein und das Beobachtungsgebiet bekommt einen Radius von mindestens 15 km.Darüber hinaus sind in der Schwei-nepest-Verordnung deutlich längere Verbringungsverbote vorgesehen. Im Sperrbezirk gelten mindestens 40 und im Beobachtungsgebiet mindestens 30 Tage. In der Berechnung wurden darüber hinaus auch eine stärkere Einschränkung des Inlandsverbrauches und der Drittlandexporte unterstellt.In Übersicht 3 wurden die Kosten bei unterschiedlicher Viehdichte für zwei ASP-Szenarien errechnet: Bei Bekämpfungsstrategie „E“ handelt es sich um einen einzelnen Ausbruch, bei dem im 1-km-Radius alle Schweine gekeult wurden und alle Tiere im 15-km-Radius unter Beobachtung stehen. Bei Szenario F hingegen wurden zwei ASP-Ausbrüche unterstellt, die im Abstand von zehn Tagen in unterschiedlichen Bundesländern entdeckt werden.Ergebnis: Die Kosten der amtlichen Bekämpfung und die der direkt betroffenen Betriebe erreichen beim einzelnen ASP-Ausbruch etwa die gleiche Dimension wie bei der KSP. Bei einem zeitlich versetzten zweiten ASP-Ausbruch würden sich die Kosten jedoch etwa verdoppeln.Die Kosten der indirekt betroffenen Betriebe werden hauptsächlich durch die deutlich größeren Restriktionsgebiete bestimmt. Im Vergleich zur KSP vervielfachen sich die Kosten dadurch. Bei einem einzelnen ASP-Ausbruch ge-schieht dies um den Faktor 4,5 und bei zwei Ausbrüchen um das 7,5-Fache.Bei den sonstigen Kosten des Agri-business muss man bei einem einzelnen ASP-Ausbruch mit einer Verdopplung der Kosten gegenüber einem einzelnen KSP-Fall rechnen. Denn bei der ASP wurde ein länger anhaltender Preisverfall beim Schweinefleisch unterstellt.Die Auswirkungen auf den Außenhandel sind bei einem einzelnen ASP-­Ausbruch fast 300 % und bei einem zweiten ASP-Fall beinahe 400 % höher als bei der Klassischen Schweinepest. Das führt unter dem Strich zu den höchsten Gesamtkosten von mehr als 1 Mrd. €, wenn es in viehdichten Regionen zu zwei aufeinanderfolgenden ASP-Ausbrüchen kommt!

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