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Gesünder mästen unterm Pflanzendach

Lesezeit: 6 Minuten

Gregor Sieve produziert Kunststoffprodukte für die Spielzeug- und Automobilindustrie. Jetzt hat der Unternehmer einen Tierwohlstall für Mastschweine entwickelt.


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Sitze, Kotflügel und Spoiler für Spielzeug-Kettcars: Damit kennt sich Gregor Sieve bestens aus. Sieve ist Geschäftsführer der Firma atka, eines Kunststoff verarbeitenden Betriebes im niedersächsischen Lohne. Auch Kunststoffdeckel für Bierfässer, Formteile für Autos und Schalldämpfer für Eisenbahnschienen gehören zum Produktportfolio des Unternehmers.


Wohlfühlstall gebaut:

Seit etwa zwei Jahren beschäftigt sich Gregor Sieve außerdem mit der Entwicklung von Schweineställen. „Als Produzent von Kunststoffböden und Bauteilen für Schweine- und Hühnerställe diskutiere ich oft mit Stalleinrichtern über neue Trends. Schnell wurde mir klar, dass das Thema Tiergerechtheit und -gesundheit künftig wichtig wird“, berichtet Sieve.


Die Gespräche nahm er zum Anlass, um ein neues Stallkonzept zu entwickeln. In seinem Stall sollten die Schweine viel frische Luft haben, um Atemwegserkrankungen vorzubeugen. Außerdem sollten die Buchten so konzipiert sein, dass die Tiere wenig Stress haben. Ein drittes Ziel war, die Betriebskosten zu senken. Das Ergebnis ist der „atka-Energiespar-, Wohlfühl- und Ge­­sundheitsstall“ für Schweine. Die Entwicklung des Stalles eng begleitet haben Prof. Dr. Thomas Blaha von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Prof. Dr. Herman van den Weghe vom Forschungs- und Studienzentrum für Veredlungswirtschaft Weser-Ems.


Der Prototypenstall, der über vier Abteile mit je 30 Mastplätzen verfügt, unterscheidet sich deutlich von den heute üblichen Stallbauten. Auffällig sind schon die Außenwände. Diese und die Innenwände bestehen komplett aus UV-beständigen Thermo-Kunststoffwandelementen. Die in­­nen liegenden Hohlkammern sind mit PU-Schaum ausgesprüht, das verbessert die Dämm-eigenschaften deutlich. Die Oberflächen sind glatt, das beschleunigt die Reinigung. Und dank der Sandwich-Bauweise klappt der Aufbau ruck-zuck.


Das Dach ist als Flachdach mit 3° Gefälle konzipiert. Das Besondere daran: Es handelt sich um ein mit Sedum-Gewächsen bepflanztes Grün­dach. Auf einer wurzeldichten Abdichtungsbahn stehen Flachdachschalen, die als Wasserspeicher und Substrat- bzw. Pflanzschale dienen. Darauf ist das Gründachsubstrat aufgeschüttet, in dem die Pflanzen wachsen. Laut Gregor Sieve bietet dieses Dachkonzept gleich mehrere Vorteile:


  • Im Sommer sorgt die Dachbegrünung dafür, dass der Stall angenehm kühl bleibt, und im Winter fungiert das Subs-trat, in dem die Pflanzen stehen, als zusätzliche Wärmedämmung. Das hilft, Energie zu sparen.
  • Das Dach verbessert den Schallschutz, was vor allem bei Ställen in der Nähe einer Wohnbebauung wichtig ist.
  • Die Dachbegrünung hat eine sehr lange Lebensdauer. Selbst starke Hagelschauer richten wenig Schaden an.


Spaltenreinigung von unten:

Einen klassischen Güllekeller sucht man im Wohlfühlstall vergebens. „Ich wollte nicht, dass die Exkremente der Tiere wochenlang im Stall lagern“, erklärt Gregor Sieve seinen Ansatz. Stattdessen befindet sich unter den Kunststoffspalten ein 55 cm hoher Hohlraum mit einer planbefestigten, betonierten Boden­platte. Bei einem Gefälle von ca. 1° soll der Harn sofort zur Rückseite des Stalles ablaufen, dort wird er in einer Grube gesammelt und dann täglich weggepumpt.


Weil Urin und Kot sofort voneinander getrennt werden, entsteht deutlich weniger Ammoniak. Messungen haben durchschnittliche NH3-Gehalte von nur 8 ppm in der Stallluft ergeben. Ein gutes Ergebnis, bedenkt man, dass in konventionellen Ställen im Durchschnitt 15 bis 20 ppm zu finden sind.


Auch der Kot verschwindet täglich aus dem Stall. Das erledigt ein selbst entwickelter Kotschieber mit Führungsketten. Zunächst fährt der Schieber bis zur Rückseite des Stalles, dann klappt das Schieberschild in Arbeitsposition und nimmt auf dem Rückweg den Kot mit zur Auffanggrube. Der ganze Vorgang läuft vollautomatisch.


Der Kotschieber hat aber noch mehr zu bieten. Über dem Schiebeschild sitzen mehrere Hochdruckdüsen, ein fest installierter Hochdruckreiniger sorgt für den notwendigen Wasserdruck. Sobald die Schweine ausgestallt sind, fährt der Schieber wieder unter die Spalten und reinigt diese von unten. „Dank der Düsenleiste am Kotschieber bekommen wir die Spalten auch von unten sauber“, erklärt Frank Hering, Mitarbeiter der Firma atka.


Freie Be- und Entlüftung:

Das zweite große Ziel von Gregor Sieve war, die Energiekosten zu senken. Die Lüftung sollte ohne stromfressende Ventilatoren arbeiten und auch auf den Einbau von Zu- und Abluftkanälen wollte man verzichten. „Luftkanäle sind Keimschleudern, da sie nie gereinigt werden. Außerdem steigt durch sie der Stromverbrauch, weil die Luft um mehrere Ecken gezogen werden muss“, begründet Gregor Sieve seine Entscheidung.


Beim Wohlfühlstall dringt die Zuluft über die gesamte Längsseite in die vier Mastabteile ein. Ein Windschutznetz ver­hindert, dass Zugluft entsteht. Die Zu­luftmenge wird über eine Jalousie geregelt, die von einem Stellmotor hoch­gezogen bzw. herabgelassen wird. Der Stellmotor ist der einzige Stromverbraucher der Lüftung, der Energieaufwand von nur 0,5 kWh/Mastschwein ist dementsprechend niedrig. Zum Vergleich: Je nach installierter Lüftungstechnik liegt der Stromverbrauch in konventionellen Mastställen zwischen 4 und 1 kWh je Mastschwein.


Die Steuerung der Jalousie reagiert temperatur- und windabhängig. Ein Windmesser auf dem Dach sorgt dafür, dass die Jalousie bei aufkommendem Wind oder Windböen sofort hochgezogen wird. Dank der Exaktsteuerung sowie der guten Isolierung brauchen die Tiere keine Liegekisten. „Damit haben wir zuerst experimentiert, dann zeigte sich aber, dass Liegekojen bei unserem Stallkonzept überflüssig sind“, erklärt der Unternehmer. Die offene Bauweise hat noch einen schönen Nebeneffekt: Es fällt viel Tageslicht in den Stall.


Viele Gedanken hat sich Gregor Sieve auch zur Fußbodengestaltung gemacht. Klassische Betonspalten sieht er kritisch, weil der Kotdurchtritt besonders bei schmalen Schlitzen schlecht ist und sich Kotecken bilden. Zudem weisen viele Betonspalten scharfe Grate auf. Sieve hat in seinem Stall Kunststoff-boden mit eingepressten Keramikfliesen verlegt, in jedem Element sitzen zehn Fliesen. Laut Aussage von Frank Hering hat sich der Boden bewährt, der Kot wird von den Schweinen sauber durchgetreten, und dank der Fliesen ist auch der Klauenabrieb sichergestellt.


Damit die Tiere spielen können, wurden verschiedene Beschäftigungsmaterialien eingebaut. Neben Bürsten, Spielbällen und Holzpflöcken findet man in jeder Bucht Raufen für Luzerneheu.


Im Schnitt 902 g Zunahmen:

Positive Effekte bringen auch eingebaute Wandluken, durch die die Schweine hindurchschlüpfen können. „Diese sind für das Wohlbefinden enorm wichtig, weil rangniedere Tiere vor aggressiven Schweinen flüchten können. Es herrscht viel mehr Ruhe im Stall, und die Stressbelastung für die Schweine sinkt deutlich“, weist Gregor Sieve auf die Bedeutung der Luken hin.


Und die Leistungen? Mittlerweile konnten fünf Mastdurchgänge mit je 120 Schweinen ausgewertet werden. Die dänische Genetik erreichte Tageszunahmen von im Schnitt 902 g. Die ersten 40 Tiere konnten nach 85 Tagen ausgestallt werden, die letzten nach 100 Tagen. Die Verluste lagen bei 1,6 %, häufigste Ursache waren Darmverschlüsse.


Antibiotika musste Sieve in keinem Durchgang einsetzen, die Schweine waren sehr gesund, Lungenbefunde gab es keine. „Mein Ansporn ist jetzt, Schweine mit unkupierten Schwänzen aufzustallen. Wenn es uns gelingt, das Problem Schwanzbeißen dank neuer Stallkonzepte besser in den Griff zu bekommen, ist uns allen gedient“, hofft Gregor Sieve auf weitere positive Ergebnisse.Marcus Arden

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