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Große Würfe – Fluch oder Segen?

Lesezeit: 10 Minuten

Inzwischen gehört es zum guten Ton, hoch fruchtbare Sauen im Stall zu haben. Doch mit der Wurfgröße steigt auch der Arbeitsaufwand. Wann ist die Rentabilitätsschwelle erreicht? top agrar hat mit Experten diskutiert.


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Wer bietet mehr? 24, 26, 28, 30, 32 – was nach einer Versteigerung bei Ebay klingt, gibt in Wahrheit die Zahlen abgesetzter Ferkel je Sau und Jahr wieder, die inzwischen Schwindel erregende Höhen erreicht haben. Die 25 % besten Betriebe haben im Wirtschaftsjahr 2011/12 bereits knapp 30 Ferkel je Sau abgesetzt (siehe Übersicht 1). Das hätte vor zehn Jahren noch niemand für möglich gehalten!


Es waren zunächst die dänischen Züchter, die angesichts der schlechten Gewinnmargen in der Ferkelerzeugung voll auf das Merkmal lebend geborene Ferkel gesetzt haben, um die Stückkosten zu senken. Und die hiesigen Zuchtunternehmen mussten mithalten, wenn sie ihre Kunden nicht verlieren wollten.


Bis heute ist die Fruchtbarkeitsleistung das dominierende Zuchtziel bei den Mutterrassen. Bei einer damit verknüpften einseitigen Ausrichtung auf das Kriterium lebend geborene Ferkel werden andere Merkmale allerdings sträflich vernachlässigt. Oft leidet das Geburtsgewicht, die Streuung der Gewichte im Wurf nimmt zu, und die Vitalität wird schlechter.


Viele Zuchtunternehmen versuchen deshalb gegenzusteuern, indem sie auch diese Kriterien in ihrem Zuchtziel berücksichtigen. Doch die Probleme, die große Würfe mit sich bringen, bleiben:


Einmal klein, immer klein:

Je größer der Wurf, desto geringer das Einzeltiergewicht. Das belegen zahlreiche wissenschaftliche Auswertungen. Solange die Ferkel das kritische Geburtsgewicht von 1 kg überschreiten, sind die Überlebenschancen nach Ansicht von Fruchtbarkeitsexperte Prof. Johannes Kauffold von der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig relativ gut. Nimmt jedoch die Streuung im Wurf zu, dann gibt es auch vermehrt untergewichtige Ferkel unter 1 kg, bei denen die Sterblichkeit stark erhöht ist.


„Leichte Ferkel werden in ihrer Gewichtsentwicklung ihren schwereren Wurfgeschwistern zeitlebens hinterherhinken, auch noch als Mastschwein. Einmal klein, immer klein“, weiß Prof. Kauffold aus eigenen Untersuchungen.


Hinzu kommt, dass die Biestmilchproduktion nicht parallel zur Wurfgröße steigt. „Für spät geborene und schwache Ferkel aus großen Würfen erhöht sich dadurch das Risiko, nicht mehr genügend Kolostrum zu bekommen“, sagt Prof. Kauffold. Ist das der Fall, sind diese Tiere weniger widerstandsfähig gegenüber Krankheitserregern.


„Damit die Verluste jetzt nicht in die Höhe schnellen, muss der Landwirt mit seinem ganzen Know-how dagegen halten“, betont Prof. Steffen Hoy vom Lehrstuhl für Tierhaltung und Haltungsbiologie der Universität Gießen. „Denn Saugferkelverluste über 15 % sind auf Dauer tierschutzrechtlich und ethisch bedenklich“, ergänzt der Haltungsexperte mit Verweis auf § 8 der Schweinehaltungs- Hygiene-Verordnung. Danach ist bei gehäuften Todesfällen unverzüglich durch einen Tierarzt die Feststellung der Ursachen durchzuführen.


Um die Verluste zu minimieren, stehen permanente Geburtsüberwachung und eine intensive Betreuung der neugeborenen Ferkel sehr häufig auf der Tagesordnung von Betrieben, die mit einer hoch fruchtbaren Genetik arbeiten. Laut Praxisberichten werden dafür 1,5 Akh je Sau und Jahr benötigt. Bei 300 Sauen entspricht das pro Woche knapp neun Stunden. „Jeder Betriebsleiter muss selbst entscheiden, ob sich das rechnet“, betont Dr. Jürgen Müller von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL), „und Familienbetriebe müssen wissen, ob sie das wirklich stemmen können!“


An die Geburtsphase schließt sich dann in der Regel der Wurfausgleich an. Und auch die Milchzufütterung sowie der Einsatz natürlicher Ammensauen werden auf vielen Betrieben praktiziert, wie die große top agrar-Umfrage zur Aufzucht großer Würfe gezeigt hat (siehe top agrar 6/2012, Seite S 4).


Selbstverständlich erfordert die Arbeit mit Ammensauen ein ausgefeiltes Management. Wer es richtig machen will, sollte zudem zusätzliche Plätze vorhalten, am besten in einem separaten Abteil. „Doch Vorsicht: Das Ammenabteil kann meist nicht konsequent im Rein-Raus-Verfahren bewirtschaftet werden, so dass der Keimdruck nach und nach steigt“, warnt Johannes Hilgers von der Erzeugergemeinschaft Rheinland.


Kritik an mutterloser Aufzucht:

Wer hoch fruchtbare Sauen einkauft, be-­kommt die technische Amme häufig gleich mitgeliefert, tönen landläufig kritische Stimmen. Fakt ist, dass diese Form der Aufzucht aufgrund einiger Schwierigkeiten zunehmend kritischer betrachtet wird.


Egal, wie hochwertig und teuer die eingesetzte Milch auch ist: Die Zunahmen der Ferkel an der technischen Amme hinken der Gewichtsentwicklung der an der Sau verbliebenen Altersgenossen immer hinterher. An die Qualität der Original-Sauenmilch kommt eben nichts heran! Sie ist die beste und billigste Gesundheitsvorsorge für die Ferkel.


Hinzu kommt, dass die Ferkel ihr Saugbedürfnis an der Amme nicht befriedigen können. Nicht selten besaugen sie sich gegenseitig. Beliebte „Saugstelle“ ist dabei der Nabel. Nabelbrüche sind häufig die Folge, so dass die vergleichsweise teuer aufgezogenen Ferkel als Spanferkel verkauft werden müssen. Kritiker sprechen bereits sogar davon, dass Ammenferkel schlechter sozialisiert sind und später verstärkt zu Aggressionen und Schwanzbeißen neigen. „Obendrein ist die technische Amme eine Arbeits- und Kosten­falle“, kritisiert ein Branchenkenner die Ausgaben für Anschaffung, Unterhaltung, Reparatur und Milch.


Doch wird die technische Amme nicht gebraucht, damit die Ferkelverluste nicht aus dem Ruder laufen? „Die meisten Sauen sollten in der Lage sein, selbst 28 Ferkel pro Jahr aufzuziehen“, unterstreicht Prof. Steffen Hoy, „darüber hinaus sollte man zunächst das Potenzial von natürlichen Ammen ausreizen.“


Wer von seinen Sauen solche Höchstleistungen verlangt, muss die Haltung, die Fütterung und das Management an die gestiegenen Anforderungen der Tiere anpassen. „Wenn eine Sau 13 oder mehr Ferkel säugt, dann bewegt sie sich während der Säugezeit am Limit, besonders weil ihr Futteraufnahmevermögen begrenzt ist“, bringt es Dr. Jürgen Müller auf den Punkt.


Wer hier die Sauen nicht optimal versorgt und managt, riskiert nicht nur frühere Abgangs- und damit höhere Remontierungsraten, sondern auch erhöhte Sauenverluste. Auf dänischen Betrieben liegen die Sauenverlustraten bereits seit Jahren im zweistelligen Bereich, weiß Wissenschaftler Hoy. Hierin sind zwar Nottötungen von Sauen eingeschlossen, die aufgrund von Schulterläsionen, Abszessen und anderen körperlichen Mängeln nicht an die Schlachthöfe geliefert werden dürfen. Dennoch bleibt unterm Strich eine Verlustquote, die in Deutschland auf keinen Fall Schule machen sollte!


Remontierungsraten steigen.

Eine weitere Nebenwirkung der hoch fruchtbaren Genetiken, die bereits auf hiesigen Betrieben sichtbar wird, ist der Anstieg der Remontierungsraten. Werte zwischen 40 % und 50 %, teilweise auch darüber, sind inzwischen gang und gäbe. Prof. Steffen Hoy hält Remontierungsquoten über 45 % bereits für grenzwertig. Denn je höher der Jungsauenanteil, desto instabiler wird die Herdengesundheit.


„Zudem sinken nachweislich die Absetz- und Verkaufsgewichte, und die Abferkelquote fällt deutlich ab, wenn mehr als 20 % der Würfe einer Absetzgruppe von Erstlingssauen abstammen“, gibt Johannes Hilgers zu bedenken. Zu hohe Remontierungsraten kosten seiner Ansicht nach richtig Geld. Denn neben dem Jungsauenpreis von rund 350 € müssen noch Eingliederungskosten von 150 € berücksichtigt werden.


Bei der Diskussion über hohe biologische Leistungen fällt die ökonomische Betrachtung häufig unter den Tisch. Vom Grundsatz her ist es zwar richtig, dass höhere Ferkelzahlen die Stückkosten senken und dadurch die Erlöse je Sau steigern. Das gilt aber nur dann, wenn die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.


Wie stark sich die Erlöse und Kosten sowie der Arbeitsaufwand in Betrieben mit hohen Ferkelzahlen unterscheiden, hat Stefan Leuer von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen untersucht. Er zeigt zudem, wo die Betriebe ansetzen können, um die Kosten im Griff zu behalten.


Was ein Ferkel mehr erlösen kann, hängt zunächst von der Vermarktung ab. Ist beispielsweise in einer festen Ferkelerzeuger-Mäster-Beziehung in der Mast nur eingeschränkt Platz für zusätzliche Tiere, müssen weitere Ferkel über den freien Markt veräußert werden. Hier ist der Erlös in der Regel geringer. Werden die Ferkel dagegen über Erzeugergemeinschaften oder Händler vermarktet, können die zusätzlichen Ferkel dieselben Preise wie die ersten Ferkel erzielen.


Koste es, was es wolle.

Den Erlösen stehen die Kosten gegenüber, besonders die Direktkosten. Dass sie zwischen Betrieben mit ähnlich guten Aufzuchtleistungen stark streuen, verdeutlicht Übersicht 2. Bezogen auf ein Verkaufsgewicht von 30 kg weist der Durchschnitt aller ausgewerteten Betriebe in Nordrhein-Westfalen Direktkosten von circa 42 € auf. Diejenigen, die mehr als 27 Ferkel pro Sau und Jahr verkaufen, produzieren jedes Ferkel rund 2 € billiger.


Innerhalb dieser Gruppe gibt es aber Betriebe, die mit rund 44 € je Ferkel deutlich höhere Direktkosten aufweisen, während andere ein Ferkel für knapp 37 € erzeugen. Die Differenz von 7 € summiert sich bei 8 000 verkauften Ferkeln pro Jahr schnell zu 56 000 €! Doch was machen die „Sparfüchse“ besser? Sie schneiden bei fast allen Kostenpositionen besser ab, besonders beim Ferkelfutter und den Tiergesundheitskosten (siehe Übersicht 3).


Große Zeitunterschiede:

Neben den Direktkosten spielen in der Ferkelerzeugung auch die Arbeitszeit und die Arbeitskosten eine große Rolle. Auswertungen von Arbeitszeiterfassungen verdeutlichen, dass diese enorm schwanken können.


Übersicht 4 zeigt die Gesamtarbeitsstunden in zwei Betrieben mit je 200 Sauen, die jährlich 28 bzw. 28,1 Ferkel je Sau absetzen. Doch während Betrieb 1 lediglich 9,8 Arbeitskraftstunden (Akh) je Sau und Jahr benötigt, summiert sich die Arbeitszeit in Betrieb 2 auf 14,3 Akh. Er scheint besonders im Abferkel- und Ferkelaufzuchtstall in der Arbeitsfalle zu sitzen. Genau deshalb sollte bei jeder zusätzlichen Maßnahme in der Ferkelbetreuung genau abgewogen werden, ob der Aufwand im richtigen Verhältnis zum Ertrag steht.


Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der Diskussion um hohe Ferkelzahlen oft vergessen wird, sind die Aufzuchtkapazitäten im Flatdeck. Reichten in der Vergangenheit vier Aufzuchtplätze je Sau aus, müssen bei steigenden Leistungen heute 5 bis 5,5 Aufzuchtplätze eingeplant werden. Wird hier gespart, führt das entweder dazu, dass die Leistungen aufgrund der Überbelegung zurückgehen, oder dass die Ferkel deutlich leichter verkauft werden müssen.


Beide Varianten verschlechtern in der Regel den Verkaufserlös, so dass die Direktkosten freie Leistung je Ferkel trotz höherer Ferkelzahlen sinken kann. Eine Erweiterung der Aufzuchtkapazitäten ist hingegen sehr kostspielig, da die Grundkosten auf ein relativ kleines Bauvorhaben umgelegt werden. Dadurch müssen die zusätzlichen Ferkel einen höheren Anteil an den Gebäudekosten tragen, was sich wiederum negativ auf die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung auswirkt.


In der Praxis wird häufig die Frage nach den Kosten für das letzte Ferkel gestellt. Die Grenze, ab der ein zusätzliches Ferkel pro Sau und Jahr höhere Kosten als Erlöse produziert, lässt sich laut Berechnungen von Stefan Leuer nicht pauschalieren. Dazu sind einzelbetriebliche Berechnungen erforderlich.


Fakt ist aber: Sind auf dem Betrieb noch Produktionsreserven vorhanden, beispielsweise in Form von Ammensauen, Arbeitsstunden oder einer höheren Belegdichte im Flatdeck, verursacht das letzte Ferkel dieselben Kosten wie die ersten. Das war bzw. ist auf den meisten Betrieben mit Leistungssteigerungen der Fall.


Sind die Reserven jedoch ausgeschöpft und die Leistung steigt weiter, muss investiert werden, z. B. in neue Aufzuchtplätze, einen Mitarbeiter oder ein Ammenabteil. Häufig werden dann auch Produktionsreserven für künftige Leistungsschübe berücksichtigt. Das führt zu einem deutlichen Kostenanstieg, der aber nicht nur dem letzten Ferkel angelastet werden darf, sondern bereits in den vorherigen Leistungssteigerungen begründet ist.


Regina Kremling

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