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In den Rockies fehlen die Mitarbeiter

Lesezeit: 7 Minuten

Kanadas Schweinefarmer suchen händeringend Arbeitskräfte. Vor allem in ­Alberta, am Fuße der Rocky Mountains, wirbt die Ölindustrie viele Mitarbeiter ab.


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Für 15 bis 20 kanadische Dollar (C $) je Stunde, also 10 bis 14 €, Sauen besamen, Ferkel impfen und Ställe waschen oder für 17 bis 27 € je Stunde auf einer Plattform Öl fördern? Vielen Berufstätigen in der westkanadischen Provinz Alberta fällt die Wahl nicht schwer. Sie ziehen den Arbeitsrhythmus in der Ölindustrie – zwei Wochen auf einer Ölplattform im „Niemandsland“, eine Woche zuhause – der geregelten Arbeit im Schweinestall vor.


Für die Schweinefarmer in Alberta ist der Ölboom eine ernsthafte Bedrohung. Denn es wird immer schwieriger, Mitarbeiter zu finden und zu halten. Das betrifft sowohl traditionelle Familienbetriebe als auch Großbetriebe. Eine gewisse Fluktuation der Mitarbeiter lässt sich zwar nicht vermeiden, mit durchschnittlich 25 % pro Jahr ist die Wechselrate heute aber ziemlich hoch.


„Etwa alle sechs Monate verlässt einer meiner Mitarbeiter den Betrieb“, berichtet Alfred Neufeld von Neufeld Farms. Zusammen mit seinem Bruder managt er den Familienbetrieb mit 600 Vermeh­rungssauen und rund 1 200 ha Acker-­bau bei Acme nordöstlich von Calgary. Jährlich verkaufen die beiden etwa 3 000 PIC-Jungsauen und 300 Eber. Im Stall beschäftigen sie fünf Mitarbeiter, davon ist einer der Stallmanager. Zwei weitere Mitarbeiter sind für den Ackerbau, die eigene Futtererzeugung und den Transport der Jungsauen und -eber angestellt.


„Eigentlich würden im Stall vier Leute reichen“, gibt Alfred Neufeld zu. Dennoch kann er auf den fünften Mitarbeiter nicht verzichten, um Urlaub, Krankheit und Mitarbeiterwechsel abzupuffern.


Mehr Chancen in der Ölindustrie:

Ne­ben den höheren Löhnen lockt die Ölindustrie zudem mit besseren Aufstiegschancen. Deshalb wechseln immer wieder auch Stallmanager dorthin, obwohl sie deutlich mehr als ein gering qualifizierter Stallmitarbeiter verdienen, meist zwischen 30 000 und 40 000 € im Jahr.


Das Problem kennt auch Mark Chambers. Der gebürtige Engländer ist Produktionsleiter Schweinehaltung bei Sunterra Farms. Das familiengeführte Unternehmen hält insgesamt 13 500 Sauen an sieben Stand­orten in der Provinz Alberta sowie an drei Standorten in der Provinz Ontario. Die Betriebe produzieren entweder im Geschlossenen System oder fahren die Ferkel in die Lohnaufzucht und -mast im US-Bundesstaat Iowa.


Zudem betreibt Sunterra Farms Ackerbau, einen eigenen Schlachthof in der Provinz Alberta sowie elf Einkaufsmärkte in den Großstädten Edmonton und Calgary. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen etwa 1 000 Arbeitskräfte, davon 60 in den kanadischen Schweineställen.


Bei der Mitarbeitersuche müssen sich die Farmer an bestimmte Spielregeln halten. Denn bevor sie Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben dürfen, müssen sie nachweislich vergebens versucht haben, einheimische Mitarbeiter zu finden. So will die kanadische Regierung verhindern, dass einheimische Angestellte durch schlechter bezahlte ausländische Ar­-beits­kräfte ausgetauscht werden.


Online-Portale hilfreich:

Das Anwerben neuer Mitarbeiter läuft in der Regel über das Internet, die klassische Zeitungsanzeige verspricht nur noch wenig Erfolg. Eine gute Adresse ist www.kijiji.ca, ein Online-Portal mit lokalen Kleinanzeigen, vergleichbar mit ebay-Kleinanzeigen in Deutschland. Darüber hinaus nutzen die Betriebe landesweite Stellenbörsen sowie das Arbeitsamt.


Doch trotz der Nutzung moderner Medien melden sich meist nur wenige Bewerber. Selbst in der aktuellen Ölkrise steigt das Interesse an einem Arbeitsplatz im Schweinestall kaum an. „Wer einmal in der Ölindustrie beschäftigt war, geht nicht in die Landwirtschaft zurück – selbst wenn er arbeitslos ist“, weiß Mark Chambers aus Gesprächen. Zudem ist es für die meisten Kanadier nicht schick, im Stall zu arbeiten. Das vermitteln sie auch ihren Kindern.


Ein weiteres Problem vieler Bewerber ist der fehlende Führerschein. „Jeder zweite Bewerber, der mich anruft, hat aktuell keinen Führerschein“, berichtet Alfred Neufeld schockiert. Doch ohne Fahrerlaubnis geht es nun mal nicht, da seine Farm – wie alle anderen auch – in der „Prärie“ liegt. Dahin müssen die Städter – 83 % der Bevölkerung von Alberta leben in Städten wie Calgary, Edmonton und Lethbrigde – erstmal kommen.


Auch Mark Chambers von Sunterra Farms kennt dieses Handikap. An manchen Standorten hat das Unternehmen deshalb einen Shuttleservice von der Stadt zur Farm eingerichtet.


Programm für Einwanderer:

Weil das Mitarbeiterproblem sowohl in der Landwirtschaft als auch in anderen Branchen sehr groß geworden ist, hat die kanadische Regierung das sogenannte TFW-Programm ins Leben gerufen, das „Temporary foreign worker program“. Über dieses „Programm für zeitlich befristet eingewanderte Arbeitskräfte“ dürfen die Immigranten bis zu vier Jahre lang in Kanada arbeiten. Wer länger bleiben möchte, muss sich dann für eine sogenannte „Permanent residency“ bewerben, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis.


Sobald die Farmer nachweislich alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um Einheimische anzuwerben, bekommen sie die offizielle Erlaubnis, ausländische Arbeitskräfte über das TFW-Programm anzuheuern.


„Seit dem Erstarken der Ölindustrie in 2004 haben wir etliche ausländische Mitarbeiter über das Programm nach Kanada geholt“, berichtet Mark Chambers von Sunterra Farms. Viele von ihnen kommen aus Mexiko, den Philippinen oder aus der Ukraine. Auch Alfred Neufeld beschäftigt seit sieben Jahren zwei Philippiner in seinem Stall.


Das Unternehmen Sunhaven Farms, das in der Provinz Alberta sieben Sauenbetriebe mit insgesamt 14 000 Sauen und 25 Mastbetriebe bewirtschaftet, beschäftigt rund 60 % ausländische Arbeitskräfte, darunter drei Manager aus Mexiko, Costa Rica und Ecuador.


Frank Novak ist Manager von Sunhaven Farms und Präsident der Produzentenvereinigung Alberta Pork. Er hat bereits etliche Erfahrungen gesammelt, wie die Mitarbeiter-Suche im Ausland funktioniert. Zunächst schaltet er Anzeigen im Internet, auf die sich interessierte ausländische Arbeitssuchende melden. Anschließend führt er Interviews mit den Bewerbern übers Telefon oder über Skype (Internet-Telefonie). Passende Kandidaten erhalten dann ein Angebot, mit dem sie zu verschiedenen offiziellen Stellen und meist auch zur kanadischen Botschaft in ihrem Land gehen müssen. „Welche Behörden das genau sind, ist von Land zu Land unterschiedlich geregelt“, weiß Frank Novak.


Viele Vorgaben:

Erhält der Bewerber schließlich die Erlaubnis, nach Kanada einzureisen und dort zu arbeiten, muss die Schweinefarm einen Hin- und auch bereits wieder einen Rückflug für ihn buchen und bezahlen. Zudem ist sie verpflichtet, für ihn eine Kranken- sowie Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen und eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, die zuvor von einer offiziellen Stelle abgenommen werden muss.


Da die Abwicklung über das TFW-Programm kompliziert und zeitaufwendig ist, bieten einige Produzentenorganisationen, wie beispielsweise Alberta Pork, bereits einen Service an, um die Farmer dabei zu unterstützen.


Dennoch vergehen meist einige Wochen bis Monate, bis die ausländischen Arbeitskräfte auf den kanadischen Betrieben angekommen sind. Während Mexikaner in der Regel bereits nach acht Wochen im Land sind, kann es bei Südostasiaten auch mal ein Jahr dauern.


„Work and Travel“ in Kanada:

Neben dem TFW-Programm kommen seit einigen Jahren auch junge Menschen aus Europa mit einem sogenannten „Working Holiday“-Visum nach Kanada. Sie arbeiten einige Tage und Wochen in unterschiedlichen Jobs, um so ihre Weiterreise zu finanzieren. „Wir würden gern mehr dieser jungen Leute bei uns im Stall beschäftigen“, erklärt Mark Chambers von Sunterra Farms.


Wer sich für ein solches 12-monatiges Visum interessiert, sollte ab Ende November regelmäßig auf die Internetseite der kanadischen Botschaft schauen (www.kanada.de). Sie gibt dann das erste von zwei limitierten Kontingenten der zu vergebenden Working Holiday-Visa für 2016 bekannt.


Daneben will Sunterra Farms auch seine Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Universitäten verstärken, um junge Menschen für Praktika und Abschlussarbeiten anzuwerben.

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