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Ist die Bestandssanierung der einzige Weg?

Lesezeit: 8 Minuten

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Ein rheinischer Mäster ist unzufrieden mit der Gesundheit seiner Zukaufferkel. Er fordert seinen Ferkelerzeuger auf, den gesamten Sauen-bestand auzutauschen.


Jetzt reichts! Seit Jahren doktern wir an der Gesundheit der Mastferkel herum. In einem Durchgang gibt es Atemwegsprobleme. Doch sobald wir die im Griff haben, kommen die nächsten Tiere mit Durchfall. Am besten ziehen wir einen sauberen Schlussstrich und sanieren beide Bestände von grundauf“, schlägt Mäster Axel König*) seinem Ferkelerzeuger Peter Sauer*) vor.


Beide sind befreundet und arbeiten bereits seit langem erfolgreich zusammen. König bezieht von Sauer alle Ferkel für seine 1 800 Mastplätze. Anfangs lief alles prima. Seit drei Jahren stellen allerdings tiergesundheitliche Probleme die Freundschaft der beiden Familien auf eine harte Probe.


„Innerhalb eines Quartals sackten die täglichen Zunahmen im Maststall um gut 100 g ab, die Futterverwertung verschlechterte sich um 0,32 und die Verluste stiegen um 1,4 %. Unter dem Strich fehlen mir pro Mastschwein 17 € direktkostenfreie Leistung“, beklagt der Mäster. „Wenn das so weitergeht, fehlen mir am Jahresende rund 80 000 € in der Kasse“, hat König überschlagen.


Streptokokken- und Atemwegsprobleme im Wechsel


Die Probleme begannen, als Ferkelerzeuger Sauer den Bestand von 150 auf 300 Sauen aufstockte und viele Jungsauen zukaufen musste. Seitdem kommt es in beiden Betrieben zu einem wellenartigen Auftreten von Streptokokken- und Atemwegsproblemen – obwohl der Betrieb längst wieder auf Eigenremontierung umgestellt hat. Sobald der gemeinsame Tierarzt das eine Problem im Griff hat, kocht das andere wieder hoch. Die Anfang 2009 begonnene Circo-Impfung brachte zwar Entlastung bei den Atemwegsbeschwerden. Dafür flammte die Streptokokkenproblematik wieder auf.


Mäster Axel König schlägt deshalb vor, beide Betriebe durch einen kompletten Austausch der Sauenherde zu sanieren. Davon will Ferkelerzeuger Sauer allerdings nichts wissen. „Bis auf den Deck- und Wartebereich arbeite ich nur mit Pachtställen. Ich muss die Versicherungen, Zinsen und die Pacht weiterzahlen. Ich kann es mir nicht leisten, den Stall monatelang leer stehen zu lassen“, schildert Sauer seine Situation.


Rat suchend wenden sich beide schließlich an Tierarzt Dr. Heinrich Wilkes aus Reken im westlichen Münsterland, dessen Gemeinschaftspraxis etliche Zuchtbetriebe betreut. Denn Wilkes hat bereits einige Bestände erfolgreich repopuliert, häufig aufgrund von Dysenterieproblemen.


Bei der gemeinsamen Besichtigung beider Betriebe und der Analyse der Sauen- bzw. Mastplanerdaten wird schnell deutlich, dass Mäster Axel König auf hohem Niveau klagt. Zwar sind die Zunahmen im letzten Quartal deutlich abgesackt. Im Jahresschnitt geben die Leistungen aber wenig Grund zur Klage. Denn die Tiere erreichen im Schnitt gut 800 g Tageszunahmen bei einer Futterverwertung von 1 : 2,6 und knapp 2 % Ver-lusten. Lediglich die erreichten 0,92 Indexpunkte je Kilogramm Schlachtgewicht lassen sehr zu wünschen übrig.


Auch Ferkelerzeuger Peter Sauer legt hervorragende Zahlen vor: Im Schnitt setzt er zurzeit 27 Ferkel pro Sau und Jahr ab. Und wenn die Umstellung auf eine sehr fruchtbare Sauengenetik (derzeit 50 %) erst einmal abgeschlossen ist, hofft er auf eine weitere Leistungsverbesserung.


Sanierung kein Garant für nachhaltigen Erfolg


Beim Betriebsdurchgang zeigt sich schnell, dass sowohl der Ferkelerzeuger- als auch der Mastbetrieb einen hohen Hygienestatus sowie ein gutes Produk-tions- und Hygienemanagement aufweisen. Und die Untersuchungsbefunde der bereits in ausreichendem Umfang gezogenen Blutproben bestätigen, dass sich beide Betriebe auf einem hohen gesundheitlichen Niveau befinden. Sie sind den Befunden nach beide frei von PRRS und Influenza.


Für den Tierarzt ist deshalb auch schnell klar, dass der zu erwartende Nutzen einer Bestandsräumung in keinem Verhältnis zu der derzeitigen Leistung und den mit einer Repopulation verbundenen Kosten steht. Er rät den beiden daher von einer Sanierung ab. Denn bedingt durch die Leerstands- und Reinigungszeiten müsste Ferkelerzeuger Peter Sauer mehr als 140 Tage ohne Einnahmen auskommen. Hinzu kämen die Kosten für das aufwändige Reinigen und Desinfizieren der Ställe.


Keimdruck nachhaltigsenken


„Ganz abgesehen davon weiß man ja auch nie, welche Erreger die neuen Sauen dann mitbringen“, gibt Tierarzt Wilkes zu bedenken. „Unter dem Strich muss die durch die Repopulation zu erwartende Leistungsverbesserung so groß sein, dass sich der Herdenaustausch nach zwei Jahren amortisiert hat. Denn erfahrungsgemäß können die alten Probleme den sanierten Betrieb bereits nach so kurzer Zeit wieder einholen“, gibt der Tierarzt zu bedenken.


Statt der Totalsanierung rät der Tierarzt daher den Landwirten, den Erregerdruck im laufenden Betrieb so zu reduzieren, dass Ferkelerzeuger und Mäster gut damit leben können. Insgesamt haben beide zwar das Herden- und Hygienemanagement gut im Griff, wie die biologischen Leistungen beweisen. Es werden jedoch noch einige Kardinalfehler gemacht, die es abzustellen gilt:


Remontierungsquote: Die Remontierungsrate ist mit 80 % eindeutig zu hoch. Der Versuchung, Sauen bei den geringsten Problemen auszutauschen, ist bei Betrieben mit Eigenremontierung besonders groß. Der Tierarzt gibt jedoch zu bedenken, dass Jungsauen gesundheitlich nicht so stabil sind wie Altsauen. Ihr Kolostrum ist auch nicht so reich an Antikörpern. Die Folge: Ferkel von Jungsauen sind in der Mast häufig anfälliger. Wilkes rät daher dem Ferkelerzeuger, die Remontierungsrate auf 40 % zu reduzieren.


Öffnung des Bestands: Um die Indexpunkte und damit die Wirtschaftlichkeit für den Mäster möglichst schnell zu verbessern, rät der Tierarzt, den Bestand kurzzeitig zu öffnen und hoch gesunde, magere Jungsauen zuzukaufen.


Jungsauen-Aufzucht: Auch in der Jungsauen-Aufzucht von Peter Sauer gibt es noch Verbesserungspotenzial. Denn Sauer belegt die Aufzuchtställe nicht im Rein-Raus. Es werden kontinuierlich Tiere nachgeschoben. Dadurch können sich die Krankheitserreger über Jahre im Bestand halten, und der Gesundheitsstatus der Sauen wird immer schlechter. Im Extremfall rauschen die Tiere irgendwann gar nicht mehr.


Wilkes legt dem Ferkelerzeuger daher dringend ans Herz, die Aufzuchtabteile im Rein-Raus zu fahren. Notfalls müsse Sauer durch den Einbau zusätzlicher Trennwände kleinere Aufzuchtabteile schaffen. Und auch bei Eigenremontierung müsse der Betrieb unbedingt über einen Eingliederungsstall verfügen, in dem die positiv selektierten Tiere langsam an das Keimspektrum des Gesamtbestandes herangeführt werden können.


Erregerdruck senken: Schürf- und Bisswunden sind ideale Eintrittspforten für Streptokokken. Deshalb empfiehlt Tierarzt Wilkes dem Ferkelerzeuger, die Zähne der Ferkel stärker zu schleifen. Zudem werden die Schwänze nicht ausreichend gestutzt. Zu lange Schwänze laden die Buchtengenossen zum Beknabbern ein.


Außerdem rät Dr. Wilkes, beim Einweichen der Ställe einen Fettlöser einzusetzen, um die Desinfektionswirkung zu erhöhen. Und die Liegeflächen im Abferkelbereich sollten zusätzlich mit einem Tro-ckendesinfektionsmittel bestreut werden.


Groß ist die Übertragungsgefahr auch während des Kastrierens bzw. Kupierens im Behandlungswagen. So lange ein Clostridienproblem vorliegt, sollte die Kiste im Behandlungswagen daher nach jedem Wurf gewechselt und gereinigt werden. Ist dies nicht möglich, sollte Sauer besser gar keinen Behandlungswagen verwenden und die Ferkel gleich wieder zurück in die Abferkelbucht setzen.


Zweite Eisengabe: Beim Stallrundgang fällt auf, dass die Saugferkel insgesamt sehr blass und antriebslos wirken. Wilkes empfiehlt deshalb zwei Eisengaben: Die erste Gabe (halbe Dosis) erfolgt am 1.Lebenstag, gleichzeitig mit einer Injektion eines Langzeit-Amoxycillins. Zum Kastrieren (3. bis 5. Lebenstag) erfolgt dann die zweite Eisengabe und eine Wiederholung der Amoxycillin-Gabe. Am 14. Lebenstag können schließlich die Mykoplasmen- und Circo-Impfungen durchgeführt werden.


Resteabteil: Im Flatdeck fällt auf, dass die Tiere stark auseinanderwachsen. Das sollte man tunlichst vermeiden, da sich die zurückgebliebenen Ferkel in aller Regel auch später in der Mast schwer tun. Außerdem werden die zurückgebliebenen Ferkel zusammen mit den kranken Tieren in einer Bucht untergebracht. Und das geht überhaupt nicht.


Tierarzt Wilkes legt dem Ferkelerzeuger deshalb nahe, beim Umstallen ins Flatdeck eine Bucht frei zu lassen. In diese Bucht werden dann nach zwei Wochen die kleinsten Tiere absortiert. Bei entsprechender Sonderbehandlung holen sie ihr Wachstumsdefizit meist sehr schnell wieder auf, so dass sie dann zusammen mit den anderen Ferkeln verkauft werden können.


Auf jeden Fall sollte Ferkelerzeuger Sauer erwägen, die Ferkel beim Einstallen ins Flatdeck methaphylaktisch mit Colistin zu behandeln, um den Tieren einen besseren Start zu ermöglichen.


Aber auch Mäster Axel König gibt der Tierarzt noch zwei Verbesserungsvorschläge mit auf den Weg:


Weniger mischen: Bislang werden die Ferkel nach der Ankunft im Mastbetrieb auf dem Stallgang nach Größe sortiert. Dadurch kommt es jedoch immer wieder zu Rangordnungskämpfen, Beißereien und Verletzungen. Und diese Verletzungen sind dann ideale Eintrittspforten für Streptokokken. Außerdem kostet das Beißen Leistung. Tierarzt Wilkes rät dem Landwirt daher, die Gruppen so wenig wie möglich zu mischen. Zur Einstall-Methaphylaxe wäre zudem das Verabreichen eines gegen Husten und Durchfall wirksamen Präparats ratsam.


Regelmäßige Untersuchungen: Um die Gesundheitslage im Bestand besser beurteilen zu können, besonders in Hinblick auf APP, sollte König regelmäßig Tiere zur Sektion schicken. Auch eine Probeschlachtung mit Beurteilung der Lungen hält der Tierarzt für ratsam. Sollten dabei Prob-lemkeime wie APP Serotyp 2 bzw. Sero-typ 9 gefunden werden, muss das Thema Bestandssanierung eventuell doch noch einmal auf die Tagesordnung.


Henning Lehnert

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