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Jutesack: Hilfe oder Humbug?

Lesezeit: 10 Minuten

Lassen sich die Saugferkelverluste durch den Einsatz von Jutesäcken senken? Zwei nord- und drei süddeutsche Sauenhalter haben für top agrar die Probe aufs Exempel gemacht.


Holländische Forscher haben in Versuchen nachgewiesen, dass der Einsatz von veränderbarem Material in den Tagen vor und nach der Geburt zu sinkenden Ferkelverlusten führt. Für die Versuche hat man Jute-säcke am Ferkelschutzkorb der Abferkelbucht befestigt (top agrar 2/2013 ab Seite S 6).


Die Forscher kommen außerdem zu dem Ergebnis, dass die Geburten durch den Einsatz des Jutesacks schneller abgeschlossen sind, weil die Sauen zuvor ihren natürlichen Nestbautrieb ausleben konnten und sich das positiv auf die Kontraktion der Gebärmutter auswirkt.


Die positiven niederländischen Ergebnisse hat top agrar zum Anlass genommen und die Jutesäcke im Praxisalltag von Sauenhaltern testen lassen. Wir haben jeweils 40 Jutesäcke an fünf Testbetriebe verteilt – zwei norddeutsche und drei süddeutsche Sauenhalter. Die Ferkelerzeuger arbeiten mit dänischer, holländischer bzw. süddeutscher Genetik.


Zu welchen Ergebnissen der Einsatz der Jutesäcke in den einzelnen Ferkelerzeugerbetrieben führt, lesen Sie in unseren fünf Betriebsreportagen.


1,5 bis 2 % weniger Ferkelverluste


Ferkelerzeuger Jörn Gerken aus Kalbe in Niedersachsen ist ständig auf der Suche nach Lösungen, wie man die Saugferkelverluste senken kann. Der 35-jährige Sauenhalter hält 220 Hypor-Sauen, die Saugferkelverluste liegen bei 13 %. „Ich habe schon vieles ausprobiert, doch so richtig Erfolg hatte ich mit keiner Maßnahme“, so Gerken. Er wollte die Jutesäcke deshalb selbst testen.


Jutesack zieht Ferkel ins Nest.

Dem Landwirt fiel auf, dass die Sauen den Jutesack zuerst kaum beachten. Erst zehn Stunden vor der Geburt weckt er das Interesse der Tiere. Dann schieben die Sauen den Sack mit der Rüsselscheibe intensiv hin und her. „Man konnte deutlich sehen, dass der Nestbautrieb einsetzt und sich die Tiere an dem Sack abreagieren“, so Gerkens Beobachtung.


Während der Geburt spielt der Sack keine Rolle mehr. „Dann haben die Sauen andere Sorgen“, so Gerken. Er musste die Säcke sogar nach Beginn der Geburt von der Sau wegnehmen, weil sie den Zugang zum Gesäuge versperrten. Gerken legte den Sack ins Ferkelnest. „Sofort suchten die Ferkel die weiche Liege-fläche auf und wurden so aus dem Gefahrenbereich unter der Sau weggelockt“, schildert er seine Eindrücke.


Auf die Geburtsdauer hatte der Jute-sack keinen Einfluss, die Abferkelungen verliefen aber etwas ruhiger als sonst.


Ferkelverluste sinken.

Die Auswertung der Abferkelergebnisse brachte bei Jörn Gerken folgendes Ergebnis:


  • Die Ferkelverluste in den Würfen mit Jutesack lagen um 1,5 bis 2 % niedriger.
  • In zwei von drei Durchgängen wurden in der Testgruppe weniger Tiere erdrückt.
  • In großen Würfen mit mehr als 13 lebend geborenen Ferkeln stiegen die Ferkelverluste zwar insgesamt an, der Abstand von 1,5 bis 2 % zwischen Test- und Kontrollgruppe blieb aber konstant.


Der Arbeitsaufwand belief sich auf gut eine Stunde pro Testgruppe. Allein die Befestigung der Säcke mit Kabelbindern am Ferkelschutzkorb dauerte 20 Minuten. Zudem reichte ein Kabelbinder für die Befestigung nicht aus, richtig fest sitzt der Sack erst mit zwei Kabelbindern.


Probleme bereitete die Entsorgung der Säcke. Nach dem Gebrauch ist das Volumen der Jutesäcke größer. Man braucht viel Platz in der Abfalltonne, oder man findet andere Entsorgungsmöglichkeiten.


Dank der positiven Erfahrungen hat sich Jörn Gerken entschlossen, weitere Testdurchläufe zu fahren. Er will die Ergebnisse auf eine breitere Datenbasis stellen. „Sollte der Eindruck weiterhin positiv sein, werde ich auch künftig Jutesäcke einsetzen. Denn wenn ich den Sauen damit helfe und weniger Verluste zu beklagen habe, tut das auch meinem Portemonnaie gut “, so Gerken.-ar-


Jutesack: Einsatz rechnet sich


Sabine und Wolfgang Bassen aus Scheeßel (Niedersachsen) arbeiten mit Danzucht-Genetik, 260 Sauen umfasst ihre Herde. Die dänischen Sauen sind bekannt für ihre großen Würfe. Das Handling der Tiere erfordert aber viel Fingerspitzengefühl. „Den Sauen merkt man das hohe Leistungspotenzial an, die Tiere sind um den Geburtszeitpunkt herum oft nervös“, erklärt Wolfgang Bassen (49).


Lässt sich die Situation verbessern, wenn den Sauen ein Jutesack angeboten wird? Familie Bassen hat es ausprobiert.


„Boxsack“ für Sauen:

Während des mehrmonatigen Testeinsatzes zeigte sich, dass die Sauen den Jutesack erst nutzen, wenn die Wehen einsetzen. Die Tiere schieben den Sack über den Boden oder sie kauen auf dem weichen Jutematerial herum. Viele Säcke werden dadurch völlig zerstört. „Das zeigt mir, wie wichtig die Beschäftigung ist. Das ist so, als wenn man sich selbst an einem Boxsack abreagiert“, so Wolfgang Bassens Eindruck.


Direkt nach der Geburt muss der Sack sofort von der Sau weggenommen und ins Ferkelnest gelegt werden, da sich die Ferkel sofort auf das weiche Material legen. „Lässt man diesen zu lange in der Nähe der Sau liegen, steigt die Gefahr, dass Ferkel erdrückt werden“, betont Sabine Bassen (46).


Manche Sau bekam den Sack jedoch mit dem Maul zu fassen, sodass dieser wieder bei ihr lag. Sabine Bassen hat die Säcke daher nach der Geburt entfernt.


Sinkende Verluste:

Überrascht war das Ehepaar nach der Auswertung des ersten Abferkeldurchganges. Während in der Kontrollgruppe 14 % Saugferkelverluste zu beklagen waren, fielen in der Testgruppe nur 6 % der Ferkel aus.


Das kann nicht sein, darin waren sich beide einig. Und bei genauerer Betrachtung fiel auf, dass Bassens für die Testgruppe nur Sauen im zweiten und dritten Wurf ausgewählt hatten, während in der Kontrollgruppe viele schwere Tiere mit höheren Wurfnummern zu finden waren. „Da haben wir einen Fehler gemacht“, gesteht Wolfgang Bassen ein.


Beim zweiten und dritten Abferkeldurchgang achteten sie auf eine ausge-glichene Verteilung der Sauen. Ergebnis: Die Verluste glichen sich an, wobei in der Testgruppe 2 % weniger Ferkel ausfielen.


Halber Sack tut es auch.

Während des mehrmonatigen Testeinsatzes zeigte sich, dass die Befestigung der Säcke nicht ideal ist. Sowohl die Metallhalterung als auch die Befestigung mit Kabelbindern hielt nicht. Sabine Bassen fand aber schnell eine andere Lösung. „Ich habe den Sack einfach halb durchgeschnitten und am Ferkelschutzkorb fest verknotet“, lautet ihr Tipp.


Familie Bassen will die Jutesäcke weiterhin einsetzen. „Der Einsatz rechnet sich“, betont Wolfgang Bassen. „Bei 2 % geringeren Ferkelverlusten liegt der Mehrerlös bei knapp 10 € pro Sau und Wurf. Demgegenüber stehen Kosten von 1 € für den Sack, weitere 2 € pro Wurf kostet der zusätzliche Arbeitsaufwand.“


Tiergerechtes Material:

Weitere Pluspunkte konnte der Jutesack aufgrund seiner Materialeigenschaften sammeln. Während sich die Sauen an Holzstücken leicht verletzen können (Splitter) und Ketten mit Kunststoffröhrchen viel Lärm erzeugen, bewertet Sabine Bassen den Jutesack als sehr tiergerecht.


Einen Wunsch hätte sie aber noch: „Mir wäre es lieber, wenn ich das Material auf Rolle kaufen könnte. Dann könnte ich mir die Stücke so zurechtschneiden, wie ich es will!“-ar-


Die hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt


Michael Färber (24) ist mit den Leistungen seiner Sauen zufrieden. Die 360 BW-Hybriden setzen im Schnitt 27,5 bis 28 Ferkel pro Jahr ab. Doch die Verluste sind dem Ferkel-erzeuger aus Böhmenkirch auf der Schwäbischen Alb noch zu hoch.„Vielleicht lassen sie sich ja mithilfe des Jutesacks senken“, so die Hoffnung des Landwirts.


Kabelbinder reißen ab.

Einen Sack befestigte Färber an der mitgelieferten Metallhalterung, die er innerhalb von zehn Minuten am Ferkelschutzkorb montiert hatte. Für die restlichen Säcke verwendete er Kabelbinder.


Diese können den Sack allein nicht halten, wenn die Sauen daran ziehen. Deshalb riss Färber ein Loch in das Jutegewebe und steckt den Sack dann auf den vorderen Holm des Ferkelschutzkorbes. Zusätzlich fixierte er den Sack mit dem Kabelbinder. Dadurch hielten die Säcke. Nach Abgang der Nachgeburt löste Färber die Befestigung wieder und legte den Sack ins Nest.


Die Mehrzahl der Tiere beschäftigte sich intensiv mit dem Sack. 10 bis 15 % der Sauen zogen ihn aber in den Futtertrog, wo er nass wurde. Färber hängte die nassen Säcke dann für einen halben Tag zum Trocknen über die Buchtenabtrennung, bevor er sie wieder einsetzte. Den Geruch des Muttertieres hatten die Säcke dann aber nicht mehr.


Einige Sauen zeigten gar kein Interesse an den Säcken. Ähnlich die Reaktion der Ferkel. „Die allermeisten Jungtiere nahmen den Jutesack gut an, teilweise mieden sie ihn aber als Liegefläche“, so der Sauenhalter.


Längere Geburten.

Die erwarteten Verbesserungen in puncto Geburtsdauer und Verluste konnte Färber nicht bestätigen. Die Sauen in den Versuchsgruppen benötigten im Schnitt 236 Minuten zum Abferkeln und damit eine halbe Stunde länger als die Tiere in den Kontrollgruppen.


Auch die Erdrückungsverluste in den ersten 24 Lebensstunden waren bei den Sauen mit Jutesack höher (1,2 % statt 0,6 %). Der Grund dafür könnte sein, dass Färber die Säcke erst nach Abgang der Nachgeburt ins Ferkelnest legte. Bei den gesamten Saugferkelverlusten schnitten die Tiere der Versuchsgruppe jedoch um 1,2 % besser ab.


Bei den Sauen im 3. und 4. Wurf hatten die Versuchstiere sogar 3,3 % weniger Verluste. Die Erdrückungsverluste in den ersten 24 Stunden waren hier aber gleich groß.


Michael Färber zieht den Schluss, dass die Jutesäcke in seinem Betrieb nur bei leistungsstärkeren Sauen mittleren Alters positive Effekte bringen. Weiter einsetzen will er sie aber nicht. Dafür testet er mit seinem Bruder Tobias andere Materialien, z. B. Strohhäcksel und Grascobs.-do-


Kaum Effekte bei ohnehin geringen Saugferkel-Verlusten


Vielleicht kann ich mit den Jute-säcken meine Ferkelverluste noch weiter senken“, überlegte Stefan Baumgärtner (29) und entschloss sich, das Beschäftigungsmaterial an seinen Sauen zu testen.


Der Ferkelerzeuger aus Jagstheim im Ostalbkreis hatte erst letztes Jahr seinen neuen Stall mit 250 Plätzen bezogen und auf Topigs umgestellt. Bisher stehen dort nur Sauen im ersten und zweiten Wurf.


Weil Baumgärtner Sauen und Ferkel nach der Geburt intensiv betreut, kann er die Saugferkelverluste auf unter 10 % begrenzen. Unter anderem setzt er die Ferkel ins Nest, wenn sie den Weg dorthin nicht finden. Und den Boden des Ferkelnestes streut er mit Sägemehl und Desinfektionspulver ein und wärmt ihn auf 40 °C an. Zusätzlich hängt er über jedes Nest eine Wärmelampe. Die Sauen füttert er um die Geburt herum nur einmal täglich und ist in der Regel immer dabei, wenn sie abliegen.


Sauen nehmen Sack an.

Der Sauenhalter setzte den Sack in zwei Versuchen bei insgesamt 22 Sauen ein. Er fixierte diesen jeweils mit einem Kabelbinder an der untersten Stange des Ferkelschutzkorbes.


„Bis auf zwei Tiere haben sich alle Sauen mit dem Sack beschäftigt“, berichtet Baumgärtner. Vier Tiere haben ihn aber komplett in Stücke zerrissen und zwei in die Trogschale gezogen, sodass diese Säcke entfernt werden mussten. Zudem hat eine Sau den Sack abgerissen und nach hinten geschoben.


Mit Beginn der Geburt hat Baumgärtner den Sack ins Ferkelnest gelegt. Dort blieb der Sack dann drei bis vier Tage.


Keine Effekte zeigten sich im Hinblick auf die Geburtsdauer und die Ferkelverluste. So hatte die Versuchsgruppe im ersten Durchlauf 2,1 % niedrigere Erdrückungsverluste, in der zweiten Versuchsreihe lagen diese aber um 2,5 % höher. Bei der Geburtsdauer war das Ergebnis ähnlich. Hier ferkelten die Versuchstiere im ersten Test um 39 Minuten schneller ab, im zweiten brauchten sie dafür 50 Minuten länger.


Stefan Baumgärtner ist jetzt gespannt, wie sich die Säcke bei späteren Würfen auswirken. Einige Exemplare hat er sich dafür noch zurückgehalten.


Ein grundsätzlicher Einsatz der Säcke steht für ihn aber derzeit nicht zur Debatte. Denn sein gutes Niveau bei den Ferkelverlusten konnten sie nicht weiter senken. -do-

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