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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

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Müssen wir unsere Tierbestände deckeln?

Lesezeit: 5 Minuten

Soll ein Landwirt in Zukunft maximal 500, 5 000 oder 50 000 Schweine halten dürfen? Die Meinungen in der Politik dazu gehen weit auseinander.


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Ich bin für eine Begrenzung der maximalen Tierzahlen pro Betrieb – sowohl betrieblich als auch regional. Und es freut mich, dass mein Kollege Franz-Josef Holzenkamp von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sich inzwischen ähnlich geäußert hat. Allerdings ist sein Vorschlag, eine Bestandsobergrenze bei 50 000 Tieren einzuziehen, viel zu lasch und eine Nullstelle zu hoch. In Deutschland würde dies nur sieben Betriebe der Größenkategorie Straathof betreffen. Ich sehe bereits mehr als 2 000 Schweine oder 5 000 Hühner kritisch.


Zu einer artgerechten Tierhaltung gehören für mich Auslauf, Einstreu, ausreichend Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten, damit die Tiere nicht durch schmerzhafte, unbetäubte Eingriffe an viel zu enge Ställe angepasst werden müssen. Diese Form der artgerechten Tierhaltung lässt sich aus meiner Sicht nicht in Großanlagen mit zehntausenden von Schweinen oder Hühnern realisieren.


Mit steigender Herdengröße nimmt außerdem die Betreuungsintensität für das Einzeltier immer weiter ab. Der Landwirt verliert das Schwein bzw. Huhn zusehends aus dem Blick! Selbst Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens von der CDU formulierte jüngst, dass „Defizite in der Tierhaltung tendenziell mit der Größe der Bestände wachsen“.


Infektionen, Verletzungen und auffälliges Tierverhalten werden nur dann rechtzeitig erkannt, wenn der Tierhalter die Masse seiner Tiere noch überblicken kann. Das ist der Anspruch, den ich als Bauer habe und den ich auch von meinen Berufskolleginnen und -kollegen erwarte.


Auch hinsichtlich des zunehmenden Arzneimittel- und Antibiotikaeinsatzes in der Schweinehaltung machen Bestandsobergrenzen Sinn. Denn nach momentaner Veterinärpraxis werden bei einer Infektion alle Tiere einer Gruppe/Bucht behandelt (Metaphylaxe). Eine Begrenzung der Tierbestände pro Produktionseinheit würde dazu führen, dass der Landwirt das erkrankte Einzeltier leichter finden, aussortieren und gezielt behandeln kann.


Auch auf das Marktgeschehen wirken sich große Stalleinheiten negativ aus. Immer größere Tierbestände erhöhen den Preisdruck zusätzlich, weil die abnehmende Hand glaubt, dass der Landwirt dann noch billiger produzieren kann. Der permanente Preisdruck, der bäuerliche Existenzen gefährdet und den rasanten Strukturwandel verursacht, muss endlich gestoppt werden!


Dies wird jedoch nicht gelingen, wenn die Produktion in Großanlagen immer weiter angeheizt und der Export von Billigfleisch als einziger Ausweg propagiert wird. Hier muss auch der Deutsche Bauernverband gegensteuern. Schluss muss auch damit sein, dass 70 % des Schweinefleisches als Billigangebote verramscht werden! Das muss sofort beendet werden.


Kritisch anzumerken ist schließlich, dass große Stallanlagen oft in den Regionen erweitert werden, die ohnehin viel zu viel Wirtschaftsdünger produzieren. Allein die Region Weser-Ems produziert einen Gülleüberschuss, mit dem 260 000 Hektar gedüngt werden könnten.


Friedrich Ostendorff, Agrarpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen


KONTRA


Ich bin gegen die generelle Deckelung von Tierbeständen. Das heißt aber nicht, dass wir die gesellschaftlichen Erwartungen an die Tierhaltung nicht ernst nehmen müssen. Es geht darum, mit allen Beteiligten lösungsorientiert zusammenzuarbeiten und notwendige Veränderungen herbeizuführen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Frage nach der Größe von Tierbeständen. Diesem Diskurs sollten wir nicht vorgreifen, sondern ihn offen angehen.


Fakt ist, dass die Einflüsse auf das Wohl der Tiere sehr vielfältig sind. Wir dürfen die aktuellen Diskussionen deshalb nicht allein auf die Bestandsgröße reduzieren. So verbessert jeder moderne Stall – egal wie groß –, bei dem neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden, die Haltungsbedingungen von Tieren.


Das Tierwohl hängt außerdem stark vom Stallmanagement und der fachlichen Kompetenz der Menschen ab, die tagtäglich mit den Tieren zu tun haben. Wenn genügend qualifiziertes Personal im Stall arbeitet, ist das Tierwohl auch in großen Beständen gesichert und es ist gewährleistet, dass mit jedem einzelnen Tier verantwortlich umgegangen wird.


Fakt ist aber auch, dass wir das Tierwohl in Deutschland kontinuierlich verbessern wollen. Dabei dürfen wir neben den ethischen auch die wirtschaftlichen Aspekte nicht vergessen. Notwendig sind praxistaugliche und ökonomisch tragfähige Lösungen. Bestandsobergrenzen von 500 Sauen oder 2 000 Mastschweinen würden die deutsche Agrarwirtschaft im Wettbewerb mit anderen Ländern klar benachteiligen. Damit würden wir Gefahr laufen, dass große Teile der deutschen Agrarwirtschaft abwandern – so wie einst die Textilindustrie. Damit wäre weder den Tieren, noch der Umwelt oder dem ländlichen Raum geholfen.


Wir haben in Deutschland noch eine wettbewerbsfähige Land- und Ernährungswirtschaft mit einer Tierhaltung, die fast ausschließlich von familiengeführten Betrieben geprägt ist. Von den rund 200 000 tierhaltenden Betrieben sind 90 % landwirtschaftliche Einzel-unternehmen. Das ist gut so und sollte unser Ansporn sein. Gleichzeitig ist das auch mein Verständnis von Landwirtschaft in Deutschland: landwirtschaftliche Betriebe in bäuerlicher Hand mit einer flächengebundenen Nutztierhaltung. Verhältnisse wie z. B. in den USA lehnen wir in der CDU/CSU ab, wo die 0,2 % größten Schweinefarmer über die Hälfte der Tierbestände halten. Diese Größenordnungen haben bei uns keine gesellschaftliche Akzeptanz.


Wenn wir über die Tierhaltung in Deutschland, die Wettbewerbsfähigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben und deren gesellschaftliche Akzeptanz diskutieren, müssen wir auch den Verbraucher mitnehmen. Denn ohne dessen Bereitschaft, künftig mehr für Fleischprodukte zu bezahlen, werden keine Veränderungen möglich sein.


In diesem Zusammenhang trägt der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland eine besondere Verantwortung, denn nur von Umfragen allein wird keine Familie in der Landwirtschaft leben können.


Franz-Josef Holzenkamp, Vorsitzender der AG Ernährung und Landwirtschaft, CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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