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Norwegen: Im Land der „coolen“ Sauen

Lesezeit: 7 Minuten

Freie Abferkelung, längere Säugezeiten, unkupierte Schweineschwänze: In Norwegen ist vieles anders als bei uns. Wie kommen die Betriebe damit zurecht? top agrar war für Sie vor Ort.


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Wie der Bauer, so das liebe Vieh“: Dieser Spruch trifft bei Lars Hulleberg und seinen Schweinen voll ins Schwarze. Sowohl der Landwirt als auch seine Tiere haben die Ruhe weg. Während viele Sauen in der Regel nervös aufspringen, wenn eine neunköpfige Gruppe vermummt in weißen Overalls mit Mundschutz im Abteil umherläuft, bleiben seine Sauen ganz cool liegen und lassen ihre Ferkel weiter säugen.


Auch ihr Besitzer Lars Hulleberg ist ein ruhiger Zeitgenosse, der kein großes Aufheben um seine Person, seinen Betrieb und schon gar nicht seine Leistungen im Schweinestall macht. In Tingnes, einem kleinen Ort ca. 150 km nördlich der norwegischen Hauptstadt Oslo, bewirtschaftet er einen Betrieb mit rund 80 Sauen im 7-Wochen-Rhythmus, das heißt, er hält drei Gruppen à 24 Sauen. Etwa 1 600 Ferkel mästet er jährlich zudem selbst aus.


Gespräche mit den Jungsauen:

Lars Hulleberg ist einer von etwa 2 500 Landwirten, die in Norwegen Schweine halten – meist im Geschlossenen System mit durchschnittlich 60 Sauen. Denn seit den 1990er-Jahren gibt es ein Gesetz, wonach reine Ferkelerzeuger maximal 100 Sauen halten und Mäster jährlich maximal 2 100 Schweine mästen dürfen.


Da die Jungsauen aber erst nach dem ersten Abferkeln zu den produzierenden Sauen gezählt werden, liegen die wahren Bestandsobergrenzen eher bei 150 bis 200 Sauen. Mit rund 60 % fallen daher die Remontierungsraten entsprechend hoch aus. Auch die durchschnittliche Arbeitszeit von etwa 17 Stunden/Sau und Jahr ist in Norwegen verhältnismäßig hoch.


2014 wurden in Norwegen mit rund 60 000 Sauen etwa 1,6 Mio. Schlachtschweine produziert. Damit kann das skandinavische Land den Inlandsverbrauch seiner 5,1 Mio. Einwohner selbst decken. Fleischimporte sind ohnehin unerwünscht (siehe Übersicht).


Doch zurück zu Lars Hulleberg und seinen ruhigen Sauen. Angesprochen auf die Coolness seiner Tiere verweist er zunächst auf die besondere Eingliederung seiner Jungsauen.


Alle sieben Wochen kauft er zehn Jungsauen aus einem Vermehrungsbetrieb zu (Norwegische Landrasse x Yorkshire von Topigs). Die Tiere stallt er in eine großzügig mit Sägespänen eingestreute Bucht ein. Von nun an sitzt er jeden Tag etwa 10 bis 15 Minuten in der Bucht der Jungsauen und spricht mit ihnen. „Wichtig ist, sich auf Augenhöhe der Tiere zu begeben. Wenn man steht, fürchten sie sich“, berichtet Lars Hulleberg. Bereits nach einigen Tagen kann er die ersten Jungsauen kraulen.


„Ich will, dass sie mich mögen und keine Angst haben“, verdeutlicht der Landwirt seine Ziele. Dass ihm das gelingt, sieht man spätestens beim Einziehen der Ohrmarken. Das erledigt er vom Gang aus, ohne auch nur eine Sau zu fixieren.


Auch beim Besamen zeigt sich die gute Sozialisierung der Jungsauen. Drei Wochen nach der Einstallung im Alter von 7 bis 7,5 Monaten lässt Hulleberg seine Jungsauen zusammen mit den Altsauen von einem Besamungstechniker mit Sperma von Duroc-Endstufen­ebern besamen.


Weil die Sauen keine Angst vor Menschen haben, bleiben sie, unterstützt durch Eberkontakt, gut stehen – trotz Freilauf in der Bucht. Der Lohn sind geringe Umrauschquoten und 14,1 lebend geborene Ferkel bei den Jungsauen.


Auch in der Trächtigkeit pflegt der Landwirt jeden Tag Kontakt zu seinen Jungsauen, sodass sie bereitwillig auf ihn zulaufen, wenn er sie in die Abferkelbuchten einstallen will.


Freie Abferkelung:

Dass seine Sauen gelassen und ruhig sind, ist besonders während der Abferkelung und Säugephase wichtig. Denn Schweine dürfen in Norwegen spätestens seit 2003 nicht mehr fixiert werden. Die freie Abferkelung ist Standard. Deshalb züchtet der norwegische Zuchtverband Norsvin be­-reits seit vielen Jahren auf ruhige, mütterliche und gruppentaugliche Sauen.


Lars Hulleberg stallt die Sauen etwa eine Woche vor dem Abferkeln ein. Zuvor haben er oder sein Mitarbeiter Bogdan die Buchten mit dem Hochdruckreiniger gewaschen, getrocknet und mit einer dünnen Wasser-Zement- Mischung „desinfiziert“.


Die Freilaufbuchten sind 6 m2 (alt) und 8 m2 (neu) groß und besitzen in einer Ecke ein beheiztes Ferkelnest mit Abdeckung, das mit einem Trenngitter vor der Sau geschützt ist. Zu zwei Dritteln sind die Buchten planbefestigt. Die feste Fläche muss mit Einstreu bedeckt sein. Hulleberg reinigt täglich die Buchten, denn nicht immer koten die Sauen nur im perforierten Bereich. Anschließend streut er sie mit Sägespänen ein.


32 Tage Säugezeit:

Ab drei Tage vor der Geburt stellt Hulleberg seinen Sauen Nest­bau­material zur Verfügung. Das schreibt auch das norwegische Gesetz vor. Zudem gibt er ihnen – wie auch allen anderen Schweinen – jeden Tag eine Handvoll Heu als Raufutter.


Eine permanente Geburtsüberwachung führt der Landwirt nicht durch. Nur wenn nachts viele Sauen parallel ferkeln sollten, schaut er nach ihnen. Geburtshilfe ist für ihn aber ein Fremdwort. Einen Wurfausgleich führt er bei sehr großen und kleinen Würfen durch mit dem Ziel, dass an jeder Sau 14 Ferkel liegen. Ammensauen gibt es auf dem Betrieb keine.


Pro Wurf erzielt Hulleberg im Schnitt 14,6 lebend geborene Ferkel. 1,3 Ferkel werden tot geboren. Bei 14 % Saugferkelverlusten ziehen seine Sauen pro Wurf durchschnittlich 12,5 Ferkel auf.


Wie viele Ferkel von den Sauen totgelegen werden, notiert der Landwirt nicht separat. Seinem Gefühl nach ist es aber nur ein kleiner Prozentsatz, der aber steigt, je älter die Sauen werden. „Wichtig ist, die Ferkel zu zwingen, sich ins beheizte Ferkelnest zu legen“, betont der Sauenhalter. Deshalb fährt er den Abferkelstall relativ kühl bei einer Temperatur von 17 bis 18 °C. Bei dieser Temperatur fühlen sich die Sauen generell wohler.


Lars Hulleberg lässt seine Ferkel im Schnitt 32 Tage säugen – mindestens 28 Tage sind in Norwegen gesetzlich vorgeschrieben. Beim Absetzen erreichen sie ein Durchschnittsgewicht von 10,7 kg. Damit die Sauen diese kräftezehrende Zeit meistern können, bringt er sie vor dem Abferkeln gut in Kondition.


Gegen Ende der Säugezeit füttert er sie außerdem viermal am Tag, sodass sie in der letzten Säugewoche rund 12 kg Futter pro Tag aufnehmen können. Darüber hinaus erhalten die Ferkel ab der zweiten Säugewoche ein pelletiertes Aufzuchtfutter.


Mästen in der Abferkelbucht:

Eine Besonderheit, die sich in Norwegen zunehmender Beliebtheit erfreut, ist die wurfweise Aufzucht und Mast der Ferkel in der Abferkelbucht. Auch Lars Hulleberg praktiziert in seinen neuen 48 Abferkelbuchten dieses System.


Nach der Säugezeit wird also nur die Sau ausgestallt, die Ferkel verbleiben als Wurf in ihrer Bucht. Mit etwa 25 kg verkauft er die fünf größten Ferkel aus jeder Bucht, sodass acht Tiere dort verbleiben und auch am Mastende noch den geforderten Platz von 1 m2 je Tier erhalten können.


Zu Beginn der Aufzucht füttert Hulleberg die Ferkel – zusätzlich zu den vier automatischen Fütterungszeiten – morgens und abends per Hand. Zudem kippt er rund 45 °C warmes, auf einen pH-Wert von 4 angesäuertes Wasser mit in den Trog – die ersten 10 bis 15 Tage jeden Morgen und Abend, anschließend nur noch am Morgen.


Auf die viele Handarbeit angesprochen, antwortet der Landwirt pragmatisch: „Lieber schleppe ich warmes Wasser als tote Ferkel.“ Geringe Aufzucht- und Mastverluste von 0,8 % sind der Lohn für seine Mühen.


Auch die täglichen Zunahmen von etwas mehr als 1 000 g (von 30 bis 120 kg LG) können sich sehen lassen. Die Futterverwertung ist in Norwegen traditionell sehr gut, da die Zucht aufgrund der hohen Futterkosten (1,60 €/kg SG) und hohen Produktionskosten (3,20 €/kg SG) darauf frühzeitig ihr Augenmerk gelegt hat. Im Durchschnitt erreichen die Betriebe eine Futterverwertung von 1 : 2,7. Hulleberg liegt mit 1 : 2,5 sogar noch darunter.


Und wie händelt der Landwirt die Schweine mit den unkupierten Schwänzen? „Schwanzbeißen kommt bei meinen Schweinen nur selten vor“, berichtet er. Falls doch, geht er konsequent mit Blauspray, Schweineparfum und mehr Raufutter dagegen vor. Regina Kremling

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