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PRRS – kein Ende in Sicht!

Lesezeit: 8 Minuten

Seit einem Vierteljahrhundert macht das PRRS-Virus den Schweinehaltern weltweit zu schaffen. Warum es so schwer ist, das Virus unter Kontrolle zu bringen, erläutert Dr. Hendrik Nienhoff vom Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen.


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In der Januarausgabe von 1991 veröffentlichte top agrar das erste Foto von einer Sau mit blaurot verfärbten Ohren. In den Monaten zuvor hatten Tierärzte, Ringberater und Sauenhalter aus Westfalen vermehrt über Aborte oder Spätgeburten mit lebensschwachen bzw. tot geborenen Ferkeln berichtet.


Der Schweinegesundheitsdienst in Münster und die Tierärztliche Hochschule Hannover vermuteten schon bald, dass es sich um eine neue, eigenständige Krankheit handeln müsse. Ein Verdacht, der sich bestätigen sollte. Die neue Erkrankung, die nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika Probleme bereitete, bekam den Namen PRRS (Porcine reproductive and respiratory syndrome).


Inzwischen hat sich viel getan. Die Diagnostik wurde verbessert, es wurden Impfstoffe und Sanierungsverfahren entwickelt. Doch die Schäden, die das Virus auch nach 25 Jahren noch verursacht, sind enorm. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde der Gesamtschaden der amerikanischen Schweinehaltung durch PRRSV-bedingte Pro-duktivitätsverluste auf jährlich 664 Millionen US-Dollar geschätzt. In Deutschland geht man von einem Schaden von etwa 116 Mio. € pro Jahr aus.


Virus extrem wandlungsfähig:

Doch warum ist es so schwierig, den Erreger in den Griff zu bekommen? Zum einen liegt es daran, dass das Virus über die Luft übertragen werden kann. Amerikanische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass der Erreger selbst Herden in 9 km Entfernung über die Luft infizieren kann. Andererseits wird z. B. aus Spanien aber auch über Fälle berichtet, wo positive und negative Herden direkt nebeneinander liegen, ohne dass das Virus überspringt. Die Übertragbarkeit scheint also auch davon abhängig zu sein, um welchen Stamm es sich handelt.


Zudem ist das Virus extrem wandlungsfähig. Das führt dazu, dass im Prinzip kein PRRS-Virus dem anderen gleicht. Denn jedes Mal, wenn er ein Tier infiziert, verändert sich der Erreger. Einzelne Isolate, die in Gendatenbanken hinterlegt sind, können daher immer nur eine Momentaufnahme sein.


Die Erkenntnisse darüber, wie es dem Erreger gelingt, der Immunabwehr des Schweines zu entkommen, steckt noch in den Kinderschuhen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das PRRS-Virus äußerst clever verhält. Nachdem es z. B. die Zielzellen im Schweineorganismus erreicht hat, präsentiert es seine Proteine nicht an der Oberfläche, sondern „versteckt“ sich in der Zielzelle. Dadurch wird das Immunsystem nicht stimuliert, und es kommt zu keiner Abwehrreaktion. Das erklärt, warum sich das PRRS-Virus in manchen Tieren dauerhaft hält.


Extrem viele Stämme:

Ziemlich schnell wurde klar, dass sich die Stämme des US-Typs stark voneinander unterscheiden. Denn in einigen Betrieben verlief die Infektion milder als in anderen.


Von den europäischen PRRS-Stämmen glaubte man dagegen, dass sie alle eng verwandt seien. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass es auch in Europa sehr verschiedene PRRSV-Stämme des EU-Typs gibt, z. B. in Litauen, Lettland, Weißrussland, der Ukraine und in der russischen Föderation.


In diesen Ländern existieren mindestens vier verschiedene genetische Subtypen, während in West- und Zentraleuropa nur ein einziger genetischer Subtyp nachgewiesen wurde. Und diesen Subtyp findet man auch in Nordamerika und Südostasien.


Entlang der östlichen Grenze Polens scheint es eine geografische Abgrenzung der Subtypen zu geben. Die Viren des Subtyps 1 wurden nur westlich davon nachgewiesen. Östlich der Grenzlinie findet man dagegen die Subtypen 1, 2, 3 und 4 sowie vermutlich auch noch weitere Abkömmlinge. Zu-dem wurde im Jahr 2006 in China ein Krankheitsbild der PRRS beobachtet, das dramatische Verluste und Aborte verursacht. Diese Stämme werden als hoch pathogene (Hp-) PRRS-Stämme bezeichnet.


Erregernachweis per PCR:

Für die serologische Routinediagnostik wird fast ausschließlich ein ELISA-Test verwendet, der das N-Protein des PRRS-Virus nachweist. Dieser ELISA kann aber weder zwischen amerikanischem und europäischem Genotyp unterscheiden, noch zwischen Impf- und Feldviren.


Seit Einführung der Lebendimpfstoffe kann man leider auch aus der Höhe der Titer keine Rückschlüsse mehr ziehen, denn Impf- und Feldviren verursachen ähnlich hohe Ausschläge. Ein Langzeitversuch hat zudem ergeben, dass die Titer nach einer einmaligen Infektion sehr lange im positiven Bereich bleiben können – mehr als 200 Tage lang. Deshalb lassen sich über Höhe und Verlauf der Werte auch keine Aussagen zum genauen Infektionszeitpunkt machen.


Zudem weist der ELISA keine neutralisierenden Antikörper nach. Deshalb lassen positive ELISA-Werte auch keinen Rückschluss darauf zu, wie erfolgreich die Impfung war. Mit anderen Worten: Der ELISA ist im Rahmen der Routinediagnostik zwar noch immer das Verfahren der Wahl. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist jedoch begrenzt.


Anders bei der Polymerase-Ketten-reaktion (PCR). Hier wird das Virus direkt nachgewiesen. Auf diese Weise kann man zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Genotyp sauber unterscheiden.


Laborvergleiche haben allerdings ergeben, dass nicht alle PRRS-PCR-Protokolle gleich gut geeignet sind. Es besteht vor allem die Gefahr falsch negativer Ergebnisse. Denn aufgrund der hohen genetischen Variabilität des Erregers sind die verwendeten Primer (Startsequenzen) schnell veraltet. Das gilt besonders für die osteuropäischen Stämme. Eine weitergehende Unterscheidung zwischen Feld- und Impf-viren ist per Gensequenzierung oder mithilfe der DV-PCR möglich.


Neue Impfstoffe verfügbar:

Es dauerte fünf Jahre, bis der erste Impfstoff auf Basis eines US-Stammes eingesetzt werden konnte, ein Lebendimpfstoff. Aktuell sind die sechs in der Übersicht dargestellten Impfstoffe verfügbar. Vergleichsweise neu sind der Impfstoff von HIPRA, der seit kurzem auch für Ferkel zugelassen ist, und die beiden EU-Vakzinen von Boehringer Ingelheim.


Inzwischen gibt es auch eine große Zahl von Impfkonzepten, speziell für Sauen. Die Palette reicht von der viermonatigen Blockimpfung über das 6/60-Schema, bei dem am 6. Tag nach der Geburt und ein zweites Mal am 60. Trächtigkeitstag geimpft wird, bis hin zur reproduktionsbezogenen Impfung um den 35. Trächtigkeitstag herum.


Zudem gibt es Konzepte (z. B. von Merial), Lebend- und Totimpfstoffe zu kombinieren. Und einige Impfstoffhersteller wie z. B. MSD und HIPRA bieten Impfstoffe für die intradermale Anwendung an, d. h. die Impfstoffe werden in die Haut verabreicht.


Dass die Impfung in vielen Betrieben dennoch nur bedingt wirkt, liegt einerseits daran, dass das Virus genetisch so veränderungsfreudig ist. Es ist aber auch dadurch begründet, dass die Impfung nur die klinischen Symptome abschwächt. Die Infektion selbst kann sie nicht verhindern.


In Versuchen konnte gezeigt werden, dass die Antikörper-Antwort am ausgeprägtesten ist, wenn der Impferreger mit dem Probleme bereitenden Feld-virus möglichst eng verwandt ist. Allerdings kann man daraus nicht schlussfolgern, dass nur Impfstoffe mit dem „passenden“ Genotyp verwendet werden sollten. So einfach ist es leider nicht, denn einige Aspekte der Impfung, wie z. B. die zellvermittelnde Immunität, sind noch nicht ausreichend erforscht.


Kontrovers diskutiert wird auch die Frage, wie stark sich das Impfvirus bei der Verwendung von Lebendimpfstoffen verselbstständigen kann. Inzwischen räumen selbst die Hersteller ein, dass das Impfvirus von geimpften auf ungeimpfte Tiere übertragen werden kann und sich anschließend im Bestand über Jahre halten kann.


Stabilisieren oder sanieren?

Fakt ist, dass man in den Praxisbetrieben Mutanten sowohl des europäischen als auch des amerikanischen Impfvirus findet. Und das könnte dann zum Problem werden, wenn die lebenden, aber nicht mehr krank machenden Impfviren ihre ursprüngliche Wirkung zurückerlangen. Derartig „rückveränderte“ Impfviren wurden bereits nachgewiesen.


Das alles erklärt, warum es in den viehdichten Regionen Mitteleuropas und in den USA trotz intensivem Impf-einsatz bislang nicht gelungen ist, das Virus ganz zu verdrängen.


Um die Erkrankung trotzdem zu kontrollieren, wird zusätzlich zur Impfung versucht, die Betriebe durch entsprechende Managementmaßnahmen zu stabilisieren. Hier gibt es z. B. das amerikanische McREBEL-Programm (Management Changes to Reduce Exposure to Bacteria to Eliminate Losses) und der kürzlich von Boehringer vorgestellte Fünf-Punkte-Plan (siehe Kasten unten).


Die Alternative ist eine PRRS-Sanierung. Eine einzelbetriebliche Sanierung ist schon seit längerem möglich. Dabei kommen die klassischen Depop-Repop-Verfahren zum Einsatz, bei denen der gesamte Betrieb geräumt und nach intensiver Reinigung mit unverdächtigen Tieren neu bestückt wird. Unter Impfstoffeinsatz ist auch eine „Warm“-Sanierung im laufenden Betrieb möglich. Oder es kommen „Herd closure“-Programme zum Einsatz.


In viehdichten Regionen ist allerdings die Gefahr einer Reinfektion sehr hoch. Für die Regionen im Mittelwesten der USA wurde z. B. ausgewertet, dass sich 52 % der sanierten Betriebe innerhalb eines Jahres wieder neu mit einem PRRSV-Stamm infizierten.


Trotzdem schaffen es die Zuchtorganisationen, ihre Nucleus- und Vermehrungsherden weitgehend PRRSV-negativ zu halten. Der Aufwand ist allerdings groß. Um die Keime aus dem Stall fernzuhalten, werden Überdrucklüftungen und verschiedene Zuluft-Filtersysteme wie Hepa-Filter oder Kombinationen aus Zuluftfiltern und UV-Strahlung eingebaut.


Seit einigen Jahren wird zudem versucht, ganze Gebiete zu sanieren. Das setzt allerdings voraus, dass in den betreffenden Regionen alle Betriebe sanieren und sich alle den gleichen Regeln unterwerfen. Das erste Programm dieser Art war 2004 das „Stevens County Project“ im Mittelwesten der USA. Inzwischen gibt es in den USA, aber auch in Dänemark und Holland weitere ähnliche Projekte. Der Erfolg hängt dabei maßgeblich von der exakten Durchführung des Programms ab.

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