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Südamerika: Gauchos entdecken das Schwein

Lesezeit: 8 Minuten

Südamerika ist der Inbegriff der Fleischrinderhaltung. Die höchsten Zuwachsraten verzeichnet aber die Schweinehaltung. Heribert Breker erklärt, warum Argentinien, Brasilien, Chile und Co. zusehends auf das Borstenvieh setzen.


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Südamerikas Viehhaltung ist geprägt durch große Fleischrinderherden in den Pampas, den Grassteppen an der Südostküste des Kontinents. Gemessen am gesamten südamerikanischen Fleischaufkommen hat die Rindfleischproduktion mit 15 Mio. t ein drei Mal größeres Gewicht als die Schweinefleischproduktion mit gut 5 Mio. t pro Jahr (siehe Übersicht 1).


In den letzten Jahren haben sich die Verhältnisse jedoch verschoben. Von 2005 bis 2010 sank die südamerikanische Rindfleischproduktion spürbar. Ein Grund: Immer mehr Weideland wird für den Anbau von Mais und Sojabohnen umgepflügt. Gleichzeitig macht den traditionellen südamerikanischen Rindfleischexportländern die Billigkonkurrenz aus dem Schweine- und Geflügelfleischsektor schwer zu schaffen. Erst in jüngster Zeit legt die Rindfleischerzeugung wieder leicht zu. Das liegt an dem wachsenden Rindfleischdefizit in den USA. Davon profitieren die südamerikanischen Rindfleischerzeuger auf den verbleibenden günstigen Standorten.


Ganz anders sieht das Bild in der Schweinefleischerzeugung aus. Sie ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich um ca. 3 % pro Jahr gestiegen. Parallel dazu wuchs der Schweinefleischverbrauch in Südamerika in fast gleicher Größenordnung an. Allerdings liegt der Pro-Kopf-Verbrauch erst bei 10 bis 15 kg.


Brasilien legt deutlich zu:

Brasilien ist mit 3,5 Mio. t pro Jahr bzw. einem Anteil von über 60 % an der südamerikanischen Gesamtproduktion der mit Abstand weitaus größte Schweinefleisch erzeugende Staat (siehe Übersicht 2). Damit ist man nach China, der EU und den USA inzwischen die Nr. 4 der Weltrangliste.


Seit 2005 ist die Erzeugung um satte 26 % gestiegen. Dank zunehmender Kaufkraft wird das Fleisch überwiegend im Inland verzehrt. Im gleichen Zeitraum hat sich der brasilianische Schweinefleischexport nur unwesentlich erhöht, pro Jahr werden 550 000 bis 650 000 t exportiert.


Infolge der russischen Importsperre für europäische und US-amerikanische Ware hatte man für 2014 eine Ausfuhrsteigerung auf über 700 000 t erwartet. Diese Träume sind jedoch geplatzt. Die Ausfuhren nach Russland erreichten bis zum Herbst 2014 nur das Vorjahres-niveau. Ausschlaggebend war der massive Kaufkraftverlust des Rubel infolge des Preisverfalls bei Rohöl. Gesunken sind auch die Ausfuhren in die Ukraine, und zwar um 50 000 t bzw. 90 %, die Exporte in Richtung Hongkong gaben um 16 % nach. Brasilianische Exporte nach Europa dürfte es auch in Zukunft aus seuchenhygienischen und marktpolitischen Gründen nicht geben. Zudem sind die Frachtkosten so hoch, dass sich ein Transport in die EU nicht rechnet.


Der Höhenflug der brasilianischen Schweinepreise fand durch den Dämpfer beim Export ein jähes Ende. Lagen die Erlöse im Spätsommer 2014 um-gerechnet noch bei über 2 € je kg Schlachtgewicht (SG), müssen sich die Landwirte jetzt mit 1,40 € je kg SG begnügen. Das Preisniveau beschert den brasilianischen Schweinehaltern allerdings nach wie vor ein gutes Einkommen, da die Kosten für Mais und Soja nur halb so hoch sind wie in Europa. Zudem lassen sich die einfachen, ungedämmten Ställe um ein Vielfaches günstiger bauen.


Die Strukturen in der brasilianischen Schweinefleischproduktion haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Mehr als 60 % der Tiere stehen heute im Südosten des Landes in den Bundes-staaten Minas Gerais, Santa Catarina, Paraná und Rio Grande do Sul. Die landesweit etwa 50 000 Produzenten halten im Durchschnitt 780 Schweine.


Die Bedeutung von sogenannten Hinterhofhaltungen mit unter 100 Tieren nimmt ab, ihr Anteil liegt bei nur noch 15 %. Mehr als 60 % der Schweinehalter arbeiten in vertikalen Verbundsystemen. Unabhängige Einzelbetriebe gibt es immer seltener, nur noch ein Drittel der Betriebe arbeitet eigenständig. Die zehn größten Unternehmen produzieren heute rund 58 % der Schweine.


Große Probleme hatten die Brasi-lianer in den letzten Jahren mit Seuchenausbrüchen. Zwar soll die Situation in den Schweine haltenden Regionen mittlerweile weitgehend unter Kontrolle sein, das gilt aber nicht landesweit. Die Reinfektionsgefahr für die Veredlungshochburgen besteht weiterhin.


Ein zweites Manko sind die hohen Transportkosten, sie liegen zwischen 15 und 25 € je Schwein! Große Entfernungen müssen bei schlechten Straßenverhältnissen manchmal im Schritttempo überwunden werden. Viele Straßen sind reine Sandpisten, die bei schlechtem Wetter unpassierbar sind. Auch der Ausbau der Verkehrswege stockt, die Asphaltierung wichtiger Straßenverbindungen kommt nicht voran.


Chile – Gesundlage am Pazifik:

Die chilenische Schweinefleischproduktion ist in den letzten Jahren kontinuier­­-lich um etwa 3,7 % pro Jahr gewachsen. Das Land produziert aktuell 550 000 t Schweinefleisch jährlich und ist inzwischen zur Nr. 2 in Südamerika aufgestiegen. In jüngster Zeit wurden riesige Schweinefarmen errichtet, Investoren sind meist Industrieunternehmen.


Fünf Großbetriebe erzeugen ca. 95 % des chilenischen Schweinefleisches. Der größte Betrieb hält 150 000 Sauen und damit rund die Hälfte des gesamten chilenischen Zuchtbestandes. Es gibt so gut wie keine Arbeitsteilung in der Ferkelerzeugung und Schweinemast. Schwerpunkt der Erzeugung sind die Wüstenregionen nördlich der Hauptstadt Santiago de Chile.


Die chilenischen Schweinehalter hatten ähnlich hohe Erwartungen an die Ausfuhren nach Russland wie die Brasilianer. Zunächst sah auch alles gut aus: Allein von Januar bis September 2014 stiegen die Exporte nach Russland um 21,5 % gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2013. Im zweiten Halbjahr 2014 gab es dann aber einen deutlichen Einbruch. Auch hier ist die Russlandkrise die Ursache.


Probleme gibt es auch im Inland. So formiert sich immer häufiger Protest gegen die teils ausufernde Schweinehaltung im Land. Unter dem Druck der Bevölkerung musste z. B. das Agrobusiness-Projekt Valle del Huasco in der Stadt Freirina beendet werden. Hierbei handelt es sich um eine Farm mit 300 000 Tieren! Auslöser der Proteste war die Tatsache, dass die Gülle einfach in die umliegenden Gewässer eingeleitet wurde und einen unerträglichen Gestank verursachte.


Größter Pluspunkt für die chilenischen Schweinehalter ist die Quasi-Insellage. Das Land wird im Osten von den Anden, im Westen vom Pazifischen Ozean, im Norden von der Atacama-Wüste und im Süden von den schneebedeckten Gebirgen eingerahmt. Diese natürlichen Grenzen tragen dazu bei, dass bislang keine Tierseuchen eingeschleppt wurden. Gleichzeitig schützt ein intensives Überwachungssystem aus staatlichen und privaten Institutionen die Schweineherden. Strenge Einfuhrkontrollen für Zuchttiere und limitierte Einfuhren von lebenden Schweinen minimieren das Seuchen-risiko weiter. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen mussten die Chilenen aber erste PRRS-Ausbrüche hinnehmen.


Der größte Nachteil der Schweinefleischproduzenten in Chile sind die hohen Futterkosten. Das Land hat zu wenig Futterflächen, Ackerbau ist auf 3 600 m Höhe über dem Meeresspiegel nur sehr eingeschränkt möglich. Die heimischen Schweinehalter sind daher zwingend auf den Import von Mais und Sojaschrot angewiesen. Das treibt die Erzeugungskosten in die Höhe, sie liegen deutlich über 1,50 Dollar (1,32 €) je kg Schlachtgewicht.


Argentinier satteln um:

Argentinien gilt gemeinhin als das Land der Fleischrinderhaltung. Da mittlerweile aber immer mehr Mais und Sojaschrot angebaut werden, hat die Rinderhaltung zugunsten der Schweinehaltung in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung verloren. Mit 330 000 t Schweinefleisch-erzeugung im Jahr 2013 hat sich die Produktion seit 2005 fast verdoppelt.


Die ursprüngliche Absicht, Schweinefleisch zu exportieren, wird allerdings durch die starke Verbrauchssteigerung im eigenen Land unterlaufen. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist allein im letzten Jahr um 3 kg gestiegen. Gleichzeitig ist der Rindfleisch-Verbrauch angebots- und preisbedingt von 90 bis 100 kg auf nur noch 58 kg gesunken.


Die rund 3,5 Mio. argentinischen Schweine stehen in mehr als 50 000 Betrieben, die durchschnittlich 70 Tiere halten. Mehr als 80 % der Betriebe haben weniger als 10 Sauen im Bestand. Es gibt aber auch einige wenige Groß-betriebe mit mehr als 500 Sauen, die meist in integrierten Systemen bewirtschaftet werden. Und derzeit sind zwei Kooperativen in Cordoba damit beschäftigt, eine 5 000er-Sauenfarm mit entsprechenden Mast- und Schlacht-kapazitäten aufzubauen.


Hochburgen der Schweinehaltung sind die Provinzen Buenos Aires, Cor-doba und Santa Fe. Hier stehen etwa 70 % des Gesamtbestandes. 170 meist kleine Schlachtbetriebe verarbeiten die Ware.


Kolumbien verdoppelt Verbrauch:

In Kolumbien brummt die Wirtschaft, das Einkommen der Bevölkerung wächst kontinuierlich. Und das wirkt sich positiv auf den Verzehr von Schweinefleisch aus. Experten erwarten in den nächsten fünf Jahren eine Verdoppelung des Pro-Kopf-Verbrauchs von Schweinefleisch auf 18 kg. Immer mehr Fleisch wird im Inland produziert. Seit 2005 hat Kolumbien den Selbstversorgungsgrad auf über 90 % steigern können, die Erzeugung liegt aktuell bei 250 000 t pro Jahr.


In den übrigen südamerikanischen Staaten bewegt sich die Schweine-fleischerzeugung in der Größenordnung von 100 000 und 250 000 t pro Jahr, allerdings in unterschiedlichen Richtungen. Während die Produktion in Bolivien seit 2005 um rund 20 % geschrumpft ist, stieg sie in Ecuador im gleichen Zeitraum um etwa 25 % auf knapp 200 000 t an. In Paraguay ist die Schweinefleischerzeugung um ca. 18 % auf nur noch 125 000 t gefallen.


Venezuela – große Unbekannte:

Die Zahlen aus Venezuela sind teilweise höchst widersprüchlich. Nach groben Durchschnitts-Schätzungen sollen im Land 153 000 Sauen und etwa 2,9 Mio. Schweine gehalten werden. Sieben Unternehmen erzeugen angeblich etwa 45 % des Schweinefleisches.


In Venezuela findet man hochmoderne Stallungen mit Klimaführung und automatischer Fütterung, aber auch veraltete Einrichtungen, in denen das Futter noch auf dem blanken Boden verabreicht wird. Das teilweise importierte Futter ist teuer, zudem bereiten immer wieder Seuchen Probleme.


Die sozialistische Regierung subventioniert die Produktion mithilfe der Einnahmen aus dem Erdölverkauf. Nur bei Schweinepreisen von 3,25 bis 3,50 Dollar je kg Lebendgewicht (2,85 € bis 3 €) arbeiten die Landwirte rentabel. Staatliche Subventionen sorgen zudem dafür, dass die Lebensmittel für die Bevölkerung erschwinglich bleiben. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch wird auf knapp 10 kg geschätzt, während für Rindfleisch 15 bis 20 kg und im Falle von Geflügelfleisch 35 kg genannt werden. Teure Fleischimporte werden mit Erdöleinnahmen finanziert. -ar-

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