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Tierkontrolle per App dokumentieren

Lesezeit: 9 Minuten

Geht es meinen Schweinen gut? Das kontrolliert jeder Tierhalter täglich. Diskutiert wird, dass diese Kontrolle künftig dokumentiert werden muss. Schweinemästerin Nele Bielfeldt hält die Ergebnisse bereits jetzt in einer selbst entwickelten App fest.


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Jeder Ferkelerzeuger und Mäster kontrolliert seine Schweine während des Stallrundgangs. Eigenkontrollen sind seit dem Jahr 2014 sogar gesetzlich vorgeschrieben. So steht es im Tierschutzgesetz (TierSchG) in § 11, Absatz 8. Wie die betrieblichen Eigenkontrollen genau aussehen müssen, ist jedoch bis heute nicht klar definiert. Es gibt weder rechtliche Vorgaben noch detaillierte Ausführungshinweise. Es sind auch keine Kontrollintervalle und Indikatoren vorgegeben. Jeder Tierhalter kann diese Arbeit also betriebsindividuell erledigen.


Das könnte sich in Zukunft ändern. Im von Bundesagrarminister Christian Schmidt Ende April vorgelegten Konzeptpapier zum staatlichen Tierwohl-label wird erstmals ein „dokumentiertes Konzept für die Durchführung von Eigenkontrollen nach § 11 (8) TierSchG“ gefordert. Was genau der Minister plant, lesen Sie im Kasten auf Seite S18.


Mästerin entwickelt App:

Während die Politik noch diskutiert, haben sich Praktiker längst Gedanken dazu gemacht, wie betriebliche Eigenkontrollen künftig aussehen und wie man die Ergebnisse dokumentieren könnte.


Schweinemästerin Nele Bielfeldt aus Schleswig-Holstein hat zusammen mit der Fachhochschule Kiel eine App entwickelt. Damit erfasst und kontrolliert sie das Wohlbefinden ihrer knapp 3000 Mastschweine systematisch. Die 26-jährige Landwirtin hat während des Landwirtschaftsstudiums ihre Masterarbeit zum Thema „Betriebliche Eigenkontrollen“ geschrieben.


Die App, die derzeit von ihr weiterentwickelt wird, läuft auf einem Tablet-PC. Eine dicke Gummihülle mit stabilem Griff schützt das Gerät im Stall vor Staub und Beschädigungen. Für Nele Bielfeldt ist die tägliche Tierkon-trolle schon längst keine lästige Arbeit mehr. „Mir liegt das Wohlergehen meiner Tiere sehr am Herzen. Wenn ich abends ausgehe, will ich sicher sein, dass es den Tieren gut geht. Gleichzeitig nutze ich die App auch als Con-trolling-Instrument“, verdeutlicht die Betriebsleiterin ihren Standpunkt.


Wichtig ist ihr, dass die Kontrolle immer nach dem gleichen Muster abläuft. Neben wöchentlichen Aufgaben wie z.B. Überprüfung der Fütterungsanlage liest Nele Bielfeldt täglich den Wasserverbrauch ab und erhebt verschiedene Tierwohlindikatoren (siehe Übersicht). Das war früher anders: Beim morgend-lichen Stallrundgang hat sie nur die auffälligen Tiere markiert und sich auf einem Zettel Notizen gemacht. „Ich habe für mich jeden Tag in eigenen Worten aufgeschrieben, was mir aufgefallen ist. Dadurch konnte ich nie Auswertungen fahren bzw. Rückschlüsse ziehen, ob das Problem bereits in den Tagen zuvor aufgetreten ist“, erinnert sich die junge Unternehmerin.


Systematischer Ablauf:

Dank der App erledigt sie die Tierkontrolle jetzt anhand eines zuvor festgelegten Kontrollmusters. In der Anwendung sind alle Mastabteile und Mastbuchten einzeln mit Nummern hinterlegt.


Die Landwirtin startet immer bei Mastabteil eins. Vor dem Betreten des Abteils liest sie die Temperatur am Klimacomputer ab und gibt die Werte in die App ein. Dabei vergleicht sie den Ist- und Soll-Wert. Danach geht sie in das erste Abteil und prüft u.a. die Luftqualität. Ist diese gut, wird das mit der Zahl 1 in der App notiert. Die Zahl 2 steht für eine mittlere Luftqualität, die Zahl 3 für schlechte Luft. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es im Abteil stark nach Ammoniak riecht.


Als nächstes beurteilt die schleswig-holsteinische Landwirtin das Fliegenaufkommen mithilfe einer dreistufigen Skala. Danach notiert sie, ob alle Lampen im Abteil funktionieren. Auch die Lichtstärke in den Buchten wird auf einer dreistufigen Skala festgehalten. Eine 3 vergibt sie zum Beispiel, wenn Sonnenlicht auf die Tiere scheint.


Bequem eingeben kann sie auch Änderungen in Bezug auf die Futtermenge. „Ist der Trog morgens nicht leer, notiere ich mir das und ändere die Futtermenge am Fütterungscomputer“, erklärt sie.


Jedes Schwein im Blick:

Im nächsten Arbeitsschritt widmet sich Nele Bielfeldt den Tierwohlindikatoren. Sie notiert sich alle Einzeltierbehandlungen und die Tierverluste. Die jeweiligen Arzneimittelgaben und die Verlustur-sachen trägt sie direkt im Abteil per Fingertipp in die App ein.


Dann kontrolliert die Landwirtin das Verhalten von Einzeltieren gegenüber der Gruppe. Zeigt ein Einzeltier aggressives Verhalten, wird das mit der Zahl 2 in der App notiert. Tritt der Großteil der Gruppe aggressiv auf, wird das mit der Zahl 3 festgehalten.


Ähnlich verfährt Nele Bielfeldt beim Thema Liegeverhalten. Die Zahl 2 vergibt sie, wenn Einzeltiere im Kotbereich oder aufeinander liegen. Die Zahl 3 steht dafür, dass die gesamte Gruppe im Kotbereich liegt. „Anhand des Liegeverhaltens ziehe ich z.B. Rückschlüsse darauf, ob die Temperatur passt“, schildert sie ihre Erfahrungen.


Während ihrer täglichen Kontrollen überprüft Nele Bielfeldt außerdem folgende Parameter:


  • Aktivitätsverhalten der Tiere
  • Verhalten sich die Tiere apathisch?
  • Größe des Kotbereichs in der Bucht
  • Kotkonsistenz
  • Sauberkeit der Tiere
  • Veränderungen am Tier, zum Beispiel Nabelbruch
  • Funktionsfähigkeit der Tränkenippel
  • Weist das Tier Körperschäden auf, wie z.B. Schwanzbeißen, Ohrrandnekrosen, Klauenverletzungen usw.?
  • Ist die Bucht bautechnisch in Ordnung, oder liegen Schäden vor?
  • Ist Spielmaterial vorhanden?


Maximal fünf Indikatoren:

Bei derart vielen Indikatoren stellt sich natürlich die Frage, wie lange die Tierkontrolle dauert. „Anfangs habe ich mehrere Stunden pro Tag gebraucht. Mittlerweile schaffe ich die Arbeit aber deutlich schneller“, berichtet Nele Bielfeldt.


Natürlich ist ihr bewusst, dass die tägliche Eigenkontrolle in der Praxis zügig ablaufen muss“, gibt sie unumwunden zu. Daher will sie die App jetzt praxisreif weiterentwickeln. „Ich möchte den Zustand der Mastschweine anhand von maximal fünf tierbezogenen Indikatoren sicher und schnell beurteilen können“, erklärt sie.


Für besonders wichtig hält sie die Beurteilung der Kotkonsistenz. Denn anhand der Festigkeit des Kotes erkennt man, ob das Fütterungsmanagement passt, ob die Futterhygiene in Ordnung ist und ob Magen-Darm-Probleme vorliegen. Auch die Größe des Kotbereichs ist Nele Bielfeldt als Indikator wichtig. Ein großer Kotbereich zeigt ihr z.B. an, dass die Temperatur im Abteil zu hoch ist. „Wenn es den Schweinen zu warm ist, vergrößern sie den Kotbereich, weil sie in der Stallsuhle Abkühlung suchen“, erklärt die Landwirtin.


Als weiteren wichtigen Indikator hat Nele Bielfeldt die Sauberkeit der Tiere sowie die Wasseraufnahme der jeweiligen Mastgruppe identifiziert. „Anhand der Wasseraufnahme erkennt man sehr schnell, ob es den Tieren gut geht. Im Geflügelbereich ist dieser Indikator schon lange eine nützliche Hilfe bei der Tierkontrolle“, weiß Nele Bielfeldt.


Auch das Liegeverhalten der Tiere ist als Indikator künftig „gesetzt“. Liegen die Tiere nebeneinander, ist das ein Zeichen dafür, dass das Klima im Stall passt und die Schweine zufrieden sind. Bei zu niedrigen Temperaturen liegen die Schweine meist auf dem Haufen.


Koppelung mit PC:

Damit nichts verloren geht, sichert Nele Bielfeldt die Daten täglich per Datenkabel auf dem Büro-PC. Hier werden die Ergebnisse in eine Exceldatei importiert. So lassen sich später Auswertungen durchführen.


Bleibt die Frage, ob die App auch gegenüber dem Veterinäramt als Kontrollnachweis dienen kann. Nele Bielfeldt lässt hier keine Zweifel zu: „Meine App entspricht einem dokumentierten Konzept für die Durchführung von Eigenkontrollen. Somit erfülle ich bereits jetzt die im staatlichen Tierwohllabel angedachten Vorgaben“, erklärt sie.


Einen weiteren Vorteil sieht sie darin, dass sie die Daten auch dem Tierarzt, ihrem Ferkelerzeuger oder dem Futterlieferanten geben kann, wenn sie den Eindruck hat, dass im Stall etwas nicht stimmt. „Mit meinen Daten können wir auf Augenhöhe und faktenbasiert diskutieren“, erklärt sie. Marcus Arden


Wie wohl fühlen sich meine Schweine und wie gut kommen die Tiere mit den Gegebenheiten im Stall zurecht? Beide Fragen sollen sich mithilfe von zwei Tierkontroll-Apps beantworten lassen, die die Fachhochschule Soest entwickelt hat.


  • Mit dem „Ferkel-Indikatoren-Check“, den Prof. Dr. Martin Ziron entwickelt hat, können Landwirte die Haltungs-situation in der Aufzucht analysieren.
  • Der „Stallcheck-Mast“ unterstützt den Landwirt bei der Stärken-Schwächen-Analyse in der Mast. Federführend war hier Frau Prof. Dr. Mechthild Freitag.


Beim Ferkel-Indikatoren-Check werden zuerst Produktionskennzahlen in die App eingetragen, die leicht aus bestehenden Datenbanken übernommen werden können. Das können z.B. der Sauenplaner oder die HIT-Datenbank sein. Zu den zu erfassenden Daten gehören zum Beispiel die Tierverluste, die Therapiehäufigkeit, die täglichen Zunahmen, die Futterverwertung usw.


Die Entwickler der App empfehlen, diese Daten halbjährlich zu erfassen und dabei alle Tiere des jeweiligen Durchgangs in die Auswertung einzubeziehen. Direkt nach der Eingabe der einzelnen Parameter erscheinen wie bei einer Ampel grüne, gelbe oder rote Smileys. Erscheint ein grüner, grinsender Smiley, liegen die Werte im Normalbereich. Erscheint ein roter, traurig dreinblickender Smiley, passen die Werte nicht. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Tageszunahmen der Aufzuchtferkel im Durchschnitt deutlich unter 400 g liegen.


Während die Produktionskennzahlen im Büro in die App eingetragen werden können, müssen die stallspezifischen Parameter direkt im Stall erfasst werden. Dazu zählen u.a. Stallklimadaten, Angaben zur Verschmutzung der Buchten, zum Liegeverhalten usw. Die App fragt auch, ob Husten oder Durchfall auftritt, ob dicke Gelenke eine Problem sind oder ob die Tiere auseinanderwachsen. Auch hier erscheinen nach jeder Antwort wieder die verschieden-farbigen Ampel-Smiley. Blinken alle Smileys grün, sind die Haltungsbedingungen im Stall in Ordnung.


Verschiedene Tierindikatoren:

Im Menüfeld „Tierindikatoren“ stehen die Tiere selbst im Blickpunkt der Kon-trolle. Hier muss der Anwender Fragen zum Erscheinungsbild der Tiere beantworten. Gefragt wird zuerst, wie viele Tiere kümmern bzw. lahmen. Die App errechnet dann aus der Anzahl Tiere pro Bucht den prozentualen Anteil Kümmerer und lahmer Tiere in der jeweiligen Bucht. Auch hier geben farb-liche Smileys Hinweise darauf, wie die Situation im Betrieb aussieht.


Danach fragt die App, ob geschwollene Gelenke ein Problem sind, offene Wunden vorhanden sind usw. Darüber hinaus müssen Fragen zum Thema Schwanzlänge, Schwanz-, Ohren- und Hautverletzungen beantwortet werden. Zudem muss der Landwirt angeben, wie viele Tiere der Bucht sauber bzw. leicht oder stark verschmutzt sind. Abschließend muss der Anwender eintragen, wie viele Tränken in jeder Bucht installiert sind, wie hoch die Durchflussrate ist usw. Auch hier erscheinen wieder die Smileys.


Die App-Entwickler empfehlen, mindestens 150 Ferkel pro Aufzuchtgruppe und Boniturtermin zu untersuchen. Das kann z.B. in zehn ausgesuchten Buchten mit jeweils 15 Ferkeln geschehen. In der Mast sollten alle Tiere einmal im Mastdurchgang anhand schnell erfassbarer Kriterien bonitiert werden.


Sobald alle Daten in der App erfasst sind, kann sich der Landwirt die Ergebnisse an die eigene E-Mail-Adresse senden, ausdrucken und zu Dokumentationszwecken aufbewahren.


Wie Prof. Dr. Ziron und Prof. Freitag berichten, dauert die betriebliche Eigenkontrolle je nach Betriebsgröße erfahrungsgemäß zwei bis drei Stunden. Ihrer Meinung nach ist das aber sehr gut investierte Zeit. Denn mithilfe der Tierkontroll-App erfolgt die Bewertung der Tiergerechtheit im Betrieb jetzt standardisiert und objektiv.


Marcus Arden

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