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Baywa in Insolvenzgefahr Ernte 2024 Afrikanische Schweinepest

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Wildschwein-Plage hält an

Lesezeit: 8 Minuten

Die Wildschwein-Population nimmt weiter rasant zu. Für Schweine­halter ist das besonders beunruhigend. Welche Maßnahmen sind jetzt nötig?


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Wie viele es genau sind, kann keiner sagen. Unumstritten ist jedoch, dass sich die Wildschweine immer weiter ausbreiten. 1984 war ihr Vorkommen im Wesentlichen auf Rheinland-Pfalz, Hessen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern sowie auf das östliche Niedersachsen und Teile Bayerns beschränkt. Der Bestand lag bei etwa 40 000 Tieren. Heute rücken sie selbst in Regionen vor, in denen es vorher nie Schwarz­wild gegeben hat, z. B. ins Münsterland oder ins nördliche Schleswig-Holstein.


Als indirekter Indikator für die Populationsgröße dient die Jagdstrecke, also die Zahl der jährlich geschossenen Tiere. Deutschlandweit schwankt sie seit Jahren zwischen 400 000 und 650 000 Stück – mit stetiger Tendenz nach oben (siehe Über­­sicht). Bayern und Brandenburg gehören zu den Ländern mit der höchsten Wildschweinstrecke von jährlich rund 65 000 geschossenen Tieren. In Hessen ist die Dichte mit 2,9 erlegten Tieren pro 100 ha am höchsten.


Schweinehalter in Sorge:

Die Ausbreitung der Schwarzkittel beunruhigt vor allem Schweinehalter. Denn Wildschweine können Krankheiten wie die Klassische Schweinepest (KSP), die Afrikanische Schweinepest (ASP), die Enzootische Pneumonie (EP), Räude, PRRS oder die Aujeszkysche Krankheit (AK) übertragen. In Russland und Osteuropa stellen sie zurzeit ein gefährliches Erregerreservoir für die ASP dar.


Die ASP, gegen die es keinen Impfstoff gibt, ist über Wildschweine längst in Ostpolen angekommen und damit keine 600 km mehr von Deutschland entfernt (s. top agrar 9/2015 ab Seite S 4).Ein hiesiger ASP-Ausbruch bei Wildschweinen hätte verheerende Folgen: Eingerichtete Sperrzonen würden zu Handelsbeschränkungen für Haus­schweine und deren Produkte führen, die für die Schweinebranche wirtschaftliche Verluste in Milliardenhöhe mit sich brächten. Und falls die ASP bei Hausschweinen nachgewiesen wür­de, müssten alle Hausschweine im betroffenen Gebiet vorsorglich gekeult werden.


Neben den drohenden Risiken für Schweinehalter durch eine ASP-Einschleppung sind bereits jetzt Ackerbauern akut von der Wildschwein-Plage betroffen. Denn die Zahl der Wildschäden auf landwirtschaftlichen Flächen nimmt stetig zu.


Tisch ist ganzjährig gedeckt.

Doch warum können sich die Wildschweine in Deutschland derart explosionsartig vermehren? Dafür gibt es mehrere Gründe:


  • Von 1980 bis 2014 hat sich die Maisanbaufläche in Deutschland von ca. 800 000 ha auf 2,5 Mio. ha ungefähr verdreifacht. Wildschweine fressen Mais liebend gern. Zudem können sie sich in den hohen Beständen gut verstecken.
  • Auch die Zunahme der Rapsanbau­fläche und die Züchtung von bitterstofffreiem Raps waren für die Schwarzkittel förderlich. Denn auch Raps bietet ihnen Nahrung und Deckung.
  • Haben die Tiere die Raps- und Maisschläge „abgeerntet“, ziehen sie in die Wälder und ernähren sich dort überwiegend von Eicheln und Buch­eckern. Und diese finden sie immer reichlicher, seit im Zuge des Waldumbaus mehr Laubwälder entstehen und klimabedingt sogenannte Mastjahre zunehmen.


Die gute Nahrungsgrundlage wirkt sich positiv auf die Fruchtbarkeit der Bachen (Sauen) aus. Frischlingsbachen (junge weibliche Tiere) sind bereits nach einem halben Jahr geschlechtsreif. Frischlinge (Ferkel) kommen beinahe das ganze Jahr über zur Welt.


Fördernd für die Population kommt hinzu, dass die Winter immer häufiger mild verlaufen und dadurch kaum noch Frischlinge und schwache Tiere verenden. Zudem fehlen natürliche Feinde. Der sich langsam wieder ausbreitende Wolf hat zwar auch Wildschweine auf dem Speiseplan. Doch die rund 400 Wölfe in Deutschland können den Wildschweinebestand nicht ernsthaft reduzieren.


Die Folge: Die Reproduktionsrate, die bereits unter normalen Umweltbedingungen im Mittel bei 200 % liegt, ist in den vergangenen Jahren auf bis zu 300 % angestiegen. Der Bestand kann sich damit also innerhalb eines Jahres vervierfachen!


Die Jagd stellt somit die einzige Möglichkeit dar, um der explosionsartigen Vermehrung Einhalt zu gebieten und die Bestände wieder zu reduzieren. Jäger haben dabei mehrere Möglichkeiten, den Jagderfolg zu erhöhen.


Neben Einzel- und Gemeinschaftsansitzen sind besonders Drückjagden erfolgversprechend. Dabei wird das Wild von Treibern, die mit Hunden langsam durch das Revier gehen, aus der Deckung „gedrückt“ und von den Schützen erlegt.


Findet so eine Drückjagd aber nur in einem Revier statt, laufen die schlauen Sauen über die Grenze ins andere Revier. Daher sollten Jäger Drückjagden organisieren, die mehrere Reviere umfassen. Äußerst kontraproduktiv sind dabei natürlich groß­flächige, jagdfreie Inseln, wie sie manche von den Grünen geführte Landesumweltministerien mithilfe neuer „ökologischer“ Jagdgesetze derzeit planen.


Jagdschneisen hilfreich:

Allein werden die Jäger das Wildschweineproblem aber nicht in den Griff bekommen. Sie brauchen dabei auch Unterstützung von Landwirten und vom Staat.


Landwirte können Jäger z. B. über die Fruchtfolge unterstützen. Mais oder Gras sollten nicht auf Kartoffeln folgen. Denn Wildschweine graben die auskeimenden Kartoffeln aus, die noch im Boden stecken, und richten so großen Schaden unter den neu eingesäten Pflanzen an.


Getreideausputz und andere Reste, die Schwarzwild als Nahrung nutzen, dürfen nicht aufs Feld gekippt werden. Stattdessen sollten sich Landwirte mit Jägern absprechen, inwiefern diese das Material zum Kirren einsetzen können.


Zudem sollten Landwirte Mais, Raps oder Getreide niemals bis unmittelbar an den Wald­rand heran anbauen. Vielmehr sollte man sogenannte Jagdschneisen anlegen, in die z. B. Gras gesät und dann regelmäßig gemäht wird. Be­jagungsschneisen sind aber nicht nur an den Wald­rändern wichtig, sondern besonders mitten im Feld – gerade bei großen Getreide-, Raps- und Maisschlägen.


Dass Schneisen den Jagderfolg erhöhen, konnten der Deutsche Jagdverband (DJV) und der Deutsche Bauernverband (DBV) in einem dreijährigen, wissenschaftlichen Projekt in sechs bundesweiten Untersuchungsregionen nach­weisen. Zwischen 20 % und 40 % der Wild­schweine wurden in den Jagdschneisen erlegt. Dies war immerhin rund ein Drittel der Abschüsse in den untersuchten Regionen, die andernfalls nicht oder nur zum Teil an anderer Stelle gestreckt worden wären. Darüber hinaus konnte durch solche Schneisen der zeitliche Aufwand pro erlegtem Stück verringert werden.


„Landwirte sollten aktiv auf die zuständigen Jäger zugehen und gemeinsame Lösungen für Bejagungsschneisen erarbeiten“, rät Dr. Oliver Keuling vom Institut für Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Keuling ist selbst Jäger und beschäftigt sich als Wissenschaftler seit Jahren mit der Schwarz­wildpopulation. Außerdem ist er Mitglied in der niedersächsischen ASP-Sachverständigengruppe.


Um Landwirte stärker zur Anlage von Bejagungsschneisen zu motivieren, sollte die Politik sie zudem stärker fördern, etwa über Agrarumweltprogramme. Im Agrar­antrag kann man diese derzeit zwar prinzipiell als Greening-­Maß­nah­me angeben, z. B. als ökologische Vorrangfläche. Das ist aber für viele Betriebe sehr aufwendig und zu bürokratisch.


Frischlings-Abschuss erhöhen:

Wildzäune rund um Maisfelder sind nach Ansicht von Dr. Norman Stier, Forstzoologe an der Technischen Universität Dresden, nur zur Zeit der Mais­aussaat sinnvoll. Sind die Maispflanzen hoch, kann ein Zaun sogar kontraproduktiv sein: „Wie wir in Untersuchungen festgestellt haben, finden die Wildschweine immer einen Weg in das Feld, trauen sich dann aber nicht mehr heraus. So sperrt man sie quasi im Feld ein.“


Ne­ben den Landwirten sind auch der Staat bzw. die Landkreise gefordert, die Jäger beim Abschuss der Wildschweine zu unterstützen. „Um Schwarzwild effektiv zu reduzieren, muss man es bejagen, als wolle man es ausrotten“, bringt es ein Jäger auf den Punkt. Das heißt, dass man jedes vorkommende Stück erlegen muss – außer die führenden Bachen.


Dazu zählen natürlich auch die kleinen, gestreiften Frischlinge. Sie zu schießen, fällt aber vielen Jägern schwer. Hinzu kommt, dass für jedes Wildschwein Gebühren für die gesetzlich vorgeschriebene Trichinenschau an­fallen – egal ob es 10 oder 100 kg wiegt.


In manchen Landkreisen müssen die Jäger bis zu 20 € je Wildschwein bezahlen. Hinzu kommen noch die Fahrtkosten für die Ablieferung der Probe beim Kreisveterinäramt. Vor allem bei leichten Tieren liegen damit die Kosten häufig über dem Erlös für das Wildbret. Denn auch die Wildbretverwertung bringt in manchen Regionen gerade mal noch 0,60 €/kg ein. Würden nun die Landkreise für die Trichinenschau bei Frischlingen keine Gebühren mehr erheben, kann das für Jäger einen Anreiz schaffen, den Frischlings­abschuss weiter zu erhöhen.


Nachtzielgeräte erlauben?

Auch Nacht­zielgeräte – nicht zu verwechseln mit legalen Nachtsichtgeräten – werden immer wieder ins Gespräch gebracht. Befürworter dieser aus dem Militärbereich stammenden Technik argumentieren, dass ihr Einsatz angesichts oft trüber Vollmondnächte und schneearmer Winter helfen könnte, den Jagderfolg auf die nachtaktiven und äußerst intelligenten Wildschweine zu erhöhen.


Allerdings verbietet das Bundeswaffengesetz nicht nur den Einsatz, sondern schon den Besitz von Nachtzielgeräten. Auch das Bundesjagdgesetz untersagt ihren Gebrauch. Manche Experten fordern nun, dass der Staat eine Übergangsregelung schafft, die den Einsatz von Nachtzielgeräten ausschließlich zur Wildschweinjagd erlaubt.


Ablehnende Stimmen befürchten allerdings, dass diese Technik auch zum Abschuss anderer Wildarten missbraucht werden könnte. Zudem argumentieren sie, dass die Wildschweine damit noch scheuer würden, wenn sie rund um die Uhr dem Jagddruck ausgesetzt sind. Hinrich Neumann

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