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topplus Tierärztliche Hochschule Hannover

"Der gesamte Diskurs zur Tierhaltung ist von Stereotypen begleitet"

Das Projekt "Zukunftsdiskurse - Wie Menschen über Tiere streiten" der TiHo-Stiftung verfolgt das Ziel, die Debatte um die Nutztierhaltung mithilfe bestimmter kommunikativer Regeln zu versachlichen.

Lesezeit: 6 Minuten

Gespräche über Tierwohl gleichen oft einem Schwarzer-Peter-Spiel. Ein Projekt der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover will die Debatte versachlichen. Studienleiter Prof. Peter Kunzmann erläutert, wie das funktionieren könnte.

Zur Person: Prof. Dr. Peter Kunzmann ist Professor der angewandten Ethik an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Gemeinsam mit Andrea Nelke (Tierärztin) und Tabea Weber (Kulturwissenschaftlerin und Pädagogin) hat er eine Orientierungshilfe entwickelt, um die Debatte über Tiere zu versachlichen und den Austausch gegensätzlicher Positionen zu verbessern. Kernergebnisse des Projekts sind sieben Gesprächsregeln sowie ein „Diskurspfadmodell“

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Die QS Qualität und Sicherheit GmbH sprach mit dem Fachmann über das Projekt und veröffentlichte das Interview in der Mitgliederzeitschrift qualitas:

QS: Herr Professor Kunzmann, erklären Sie gerne einmal zu Beginn, was das Projekt beinhaltet und was Ihre Zielvorgaben sind ...

Prof. Kunzmann: Das Projekt ist eine Fördermaßnahme des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen. Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie das Thema Tierhaltung.

Wir haben uns die Frage gestellt, wie es in der öffentlichen Diskussion über die Nutztierhaltung weitergehen kann. Uns ging es darum, eine Struktur unter Anwendung von ethischen und kommunikativen Ansätzen für diese Debatte zu entwickeln und so aufzubereiten, dass sie in real stattfindenden Diskussionen genutzt werden kann.

Konnten Sie bereits erste Erkenntnisse gewinnen?

Prof. Kunzmann: Was wir zum Beispiel herausgefunden haben: Dieser gesamte Diskurs ist von Stereotypen begleitet, man unterstellt dem Gesprächspartner etwas und das passiert oft unbewusst. Hier haben wir projektintern immer gern von „Paketen“ an Vorannahmen (gespeist aus Einflüssen, Erfahrungen et cetera) über andere gesprochen. Jeder bringt diese mit in Diskussionen um Tiere, ob wir wollen oder nicht.

Aber es hilft, zu reflektieren und zu strukturieren. Wir versuchten beispielsweise, immer zwischen „Wie?“ und „Was?“ zu unterscheiden. Wann also wird wirklich ein Inhalt zu Tierfragen diskutiert und wann dominiert die Art und Weise einer häufig gewaltvollen Kommunikation?

Es geht also konkret darum, Gespräche zu entgiften. Sie haben sieben Regeln aufgestellt, mit denen das gelingen kann. Können Sie diese kurz erläutern?

Prof. Kunzmann: Die sieben Regeln dienen als „vernünftige Zutaten“ für ein gelungenes Gespräch. Oft merkt man selbst nicht, dass die eigene Wortwahl die andere Seite brüskiert. Das Klima wird demnach ungewollt vergiftet.

Es gilt also: Im Gespräch muss man darauf achten, selbst verstanden zu werden und gleichzeitig bereit sein, andere Meinungen verstehen zu wollen. Wichtig ist, wohlwollend an das Thema heranzugehen. Das sollte im Idealfall dazu führen, die eigene Wortwahl sozusagen zu entgiften.

Zum Beispiel ist oft die Rede von „Profit“. Dieses Wort suggeriert, dass man sich an anderen bereichert. Stattdessen könnte man das neutralere Wording „wirtschaftlicher Erfolg“ nutzen. Es besteht auch ein eklatanter Unterschied zwischen der Formulierung: „Die Tiere werden auf 69 Quadratmetern gehalten“ oder „Die Tiere werden auf 69 Quadratmetern zusammengepfercht“. Das Ganze lässt sich aber auch umdrehen.

Der Duktus der Landwirte kann eher als beschönigend wahrgenommen werden. So spricht man nicht vom „Abtransport“ der Tiere, sondern vom „Ausstallen“. Es geht bei den sieben Regeln kurzum darum, die eigene Haltung im Vorfeld zu reflektieren, eine diskursermöglichende Grundhaltung einzunehmen und dementsprechend zu kommunizieren.

Neben den sieben Regeln haben Sie auch ein Diskurspfadmodell aus vier Stufen erarbeitet. Worum geht es bei diesem Modell?

Prof. Kunzmann: Während die sieben Regeln den Rahmen festsetzen, innerhalb dessen ein sinnvoller Streit über Tiere erst möglich ist, ermöglicht das vierstufige Modell eine inhaltliche Gliederung des Gesprächs. Mit dieser Gliederung kann ein Streit zu einem konstruktiven Ausgang beziehungsweise einem Erkenntnisgewinn leiten.

Oft merkt man selbst nicht, dass die eigene Wortwahl die andere Seite brüskiert - Prof. Kunzmann

Wenn man einen Diskurs über Tiere führen möchte, muss man sich vorher überlegen, worüber geredet wird, und sicherstellen, dass die wesentlichen Aspekte genannt werden. Im Laufe des Gesprächs muss aber ebenso sichergestellt sein, dass alle Teilnehmer mit ihren Themen zu Wort kommen.

Ein Gespräch leidet darunter, wenn Teilnehmer das Gefühl haben, mit ihrem Anliegen nicht zu Wort zu kommen. Das führt dann zu einem Durcheinander und häufig eben verbalen Aggressionsausbrüchen innerhalb der Diskussion.

Zum anderen sollte man sich Gedanken darüber machen, was das Ziel des Diskurses ist. Ich werde konkret: Der typische Gesprächsteilnehmer über Tiere lässt sich in meinen Augen meistens einer der drei folgenden Personengruppen zuordnen:

  • Erstens diejenigen, die die momentane Lage als „ganz gut“ ansehen.
  • Zweitens diejenigen, die wollen, dass es den Tieren besser geht und
  • drittens jene, die wollen, dass es den Tieren super geht, also Höchstanforderungen stellen.

Nun müssen sich diese Gruppen erstens darauf einigen, was der momentane Sachstand ist und zweitens, nach welchen Maßstäben eine Beurteilung stattfindet. Es wird dann drittens darüber geredet, welche Änderungen in Zukunft wünschenswert sind und im letzten, vierten Schritt ist dann zu besprechen, wie dieses Ziel erreicht werden kann – dabei reicht es nicht, zu sagen: Hauptsache nicht so, wie es momentan ist.

Wie lässt sich unser Diskursproblem beim Thema Tiere lösen? Was sind hier Ihre Ansätze?

Prof. Kunzmann: Ein richtig geführter Diskurs kann dazu führen, dass weltanschauliche Vorannahmen aufgedeckt und die richtigen Fragen gestellt werden – nämlich die tierethischen Fragen.

Ständig wird propagiert, dass gute Tierhaltung in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung liegt. Das ist eine inhaltsleere Forderung! Wie es uns wirklich gelingen kann, etwas zu ändern: Wir müssen uns überlegen, wer welche Verantwortung in dieser Gesellschaft übernimmt. Wir wollten mit unserem Projekt zu einem Ende des „Schwarzen-Peter-Spiels“ beitragen.

Die Argumentationskette läuft jedes Mal gleich ab: Es passiert etwas in der Nutztierhaltung. Daraufhin werden die Landwirte angegriffen, die sagen, dass ihnen die Hände aufgrund der Handelskette gebunden sind. Der Handel wiederum spricht die Schuld dem Verhalten des Verbrauchers zu.

Was wir jetzt brauchen, ist ein Einlösen von Verantwortlichkeit in allen Kreisen. Sonst kommt es zu einer die Landwirtschaft bedrohenden Krise in Deutschland. Jeder muss für das verantwortlich sein, was er leisten kann. Nur so kann ein konstruktiver Spirit entstehen. Wir können nur gewinnen, wenn wir viele Rädchen gleichzeitig bewegen, denn eines allein schafft es nicht. Es bricht sich nur die Zacken ab.

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