Tierwohl und optimale Haltungsbedingungen spielen eine immer größere Rolle in der Gesellschaft. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsinstitutes für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf haben jetzt eine schonendere, minimal-invasive Methode zum Nachweis von Langzeitstress bei Nutztieren erforscht.
Gemeinsam mit dem Friedrich-Loeffler-Institut für Tierschutz und Tierhaltung (FLI-ITT) in Celle haben die Forschenden die Bestimmung von Glukokortikoid-Biomarkern zum rückblickenden Nachweis von Langzeitbelastungen weiterentwickelt. Grundlage ist die Bestimmung der Stresshormone Cortisol in Haarproben von Rindern und Schweinen sowie Corticosteron in Federn von Hühnern und Puten. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat das Projekt gefördert.
Langzeitaussagen schwierig
„Stressreaktionen des Organismus sind überlebenswichtig, anhaltend erhöhte Stresshormonspiegel weisen bei Nutztieren jedoch auf Probleme in der Haltung hin“, erklärt Projektleiter Dr. Winfried Otten vom Institut für Verhaltensphysiologie am FBN in einer Pressemitteilung. Stresshormone können bei Tieren in Blut-, Speichel-, Urin- oder Kotproben gemessen werden.
„Die Probenentnahme selbst kann dabei für die Tiere stressig sein und der Hormongehalt in diesen Proben spiegelt nur die Belastung kurz vor dem Zeitpunkt der Entnahme wider. Langzeitaussagen sind schwierig und nur anhand vieler Proben möglich“, beschreibt Dr. Otten die grundsätzliche Problemlage.
Projektziel war es, den Stresshormonnachweis in Haaren und Federn in ein einfaches und präzises Verfahren zur Bestimmung von Langzeitstress bei Nutztieren weiterzuentwickeln – ähnlich wie es in der Stressforschung beim Menschen schon Anwendung finde. „Während des Haar- und Federwachstums erfolgt eine kontinuierliche und stabile Einlagerung der Hormone“, so der Projektleiter weiter. Anhand einer Probe könne die Stressbelastung der vorangegangenen Wochen und Monate dann ermittelt werden.
Cortisoleinlagerung im Haar
Erstmalig wurden daher am FBN bei Nutztieren der zeitliche Verlauf der Cortisoleinlagerung ins Haar durch Stress sowie stressunabhängige Einflussfaktoren systematisch erforscht. Die Tierärztin Dr. Susen Heimbürge hat im Rahmen dieses Projekts promoviert und dazu in den vergangenen Jahren bei Rindern und Schweinen nicht nur den Einfluss verschiedener Stressoren, sondern auch von Faktoren wie Haarfarbe, Haartyp und –alter auf Cortisolkonzentrationen im Haar untersucht.
„Anhand eines experimentellen Stressmodells beim Rind konnten wir erstmals zeigen, dass eine mehrwöchige Stressbelastung der Tiere durch erhöhte Cortisolkonzentrationen in verschiedenen Haartypen, nämlich in nativen und nachgewachsenen Körperhaaren sowie in Segmenten von Schwanzhaaren nachweisbar ist“, erläutert Dr. Otten die Befunde. „Je nach Haarlänge lässt sich so in einer Probe die Stressgeschichte von mehreren Wochen bis zu einigen Monaten ablesen.“
Als neues Ergebnis konnten die Forschenden erstmalig aufzeigen, dass beim Nutztier einzelne Haarsegmente rückblickend als eine Art Kalender der Stressbelastung verwendet werden können.
Weitere Studien beim Schwein und Geflügel
Während sich die Eignung des Verfahrens beim Rind als Stressindikator bereits bestätigt hat, sind nach Aussage des FBN beim Schwein und Geflügel noch weiterführende Studien notwendig, da Störeinflüsse durch Verschmutzungen der Haare die Messungen beeinflussen könnten. Grundsätzlich könne mit der Bestimmung von Glucocorticoiden in Haaren und Federn die Messung von Langzeitstress auch in der Nutztierhaltung in Zukunft erheblich vereinfacht werden. Diese physiologischen Biomarker könnten sich daher auch für den Einsatz in einem Tierwohl-Monitoring-System eignen.