Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) erwartet, dass der Bundesrat bei seiner Sitzung am Freitag die Haltung von Schweinen im Kastenstand abschafft. Für die Tierhaltung in Deutschland werde das ein Meilenstein sein, sagte sie am Donnerstag der dpa.
Den Thüringer Bauernverband (TBV) ärgern die Aussagen sehr. Siegesmunds Wortmeldung sei ein Beleg für ihre mangelnde Expertise und das Desinteresse am Thema, so der Verband - weil die Zahlen überhaupt nicht stimmten.
Was hat Siegesmund gesagt?
Laut der Ministerin wollen am heutigen Freitag fast alle von den Grünen mitregierten Länder im Bundesrat einem Kompromiss zustimmen, nach dem Sauen in Zukunft nur noch 15 Tage pro Jahr in einem Kastenstand gehalten werden dürften, sagte Siegesmund der Deutschen Presse-Agentur. In den Kastenständen dürften sich die Sauen in Zukunft auch nur zum Schutz ihrer Ferkel aufhalten. "Damit wird die Kastenhaltung abgeschafft und die Gruppenhaltung hat sich durchgesetzt."
Laut der Grünen-Politikerin sieht der Kompromiss vor, dass die neuen Regelungen erst in acht Jahren vollständig umgesetzt sein müssten. Es seien jedoch insgesamt 300 Mio. Euro Fördergeld für diejenigen Betriebe vorgesehen, die den Umstieg schneller schafften.
Die Verabschiedung der neuen Verordnung wird ihrer Einschätzung nach auch dazu führen, dass Betriebe in Zukunft weniger Schweine als jetzt halten werden. Derzeit züchteten weniger als 100 Agrarunternehmen in Thüringen etwa 825.000 Sauen. Es sei im Sinne einer nachhaltigen Tierwirtschaft, wenn nicht mehr eine solche Masse an Schweinen alleine in Thüringen gehalten werde.
Hier der Fakt: Rund 700000 🐖werden in Thüringen gehalten, davon sind rund 80 T Zuchtsauen. Punkt.
— Anja Siegesmund (@AnjaSiegesmund) July 2, 2020
Im übrigen kämpfe ich morgen im @bundesrat auch dafür, dass Biogasanlagen in der Landwirtschaft eine Zukunft haben. @BauernverbandTH @Gruene_TH https://t.co/Nb4NRitTQ5
TBV: "Siegesmund zeigt Desinteresse an Schweinehaltung!"
Siegesmund hat mit völlig falschen Zahlen argumentiert, ärgert sich der Thüringer Bauernverband. Es geht um die angeblich mehr als 800.000 Sauen in Thüringen. „Fehler können passieren, keine Frage. Wer aber so daneben greift, zeigt klar seine mangelnde Expertise auf dem Gebiet und demonstriert sein fehlendes Interesse an der Schweinehaltung“, so TBV-Präsident Dr. Klaus Wagner.
Er stellt klar: "Die Thüringer Schweinehaltung ist seit Jahren stark rückläufig. Derzeit gibt es in Thüringen insgesamt nur noch rund 665.700 Schweine, wovon 82.000 Zuchtsauen sind. Noch vor zehn Jahren wurden 755.712 Schweine insgesamt, davon 89.688 Zuchtsauen, in Thüringen gehalten. Die zunehmend steigenden Anforderungen führen dazu, dass die einheimischen Landwirte nicht mehr kostendeckend produzieren können und die Tierhaltung aufgeben."
Schon lange könne sich Thüringen laut Wagner nicht mehr vollständig mit einheimischem Schweinefleisch versorgen. Der Selbstversorgungsgrad lag 2017 bereits bei nur rund 67 % und sei seither weiter gesunken. Stetig steigende politische Anforderungen würden auch zukünftig dafür sorgen, dass die Tierproduktion in andere Länder abwandert und Fleisch importiert werden muss.
Wenig Kenntnis von @AnjaSiegesmund über die Thüringer Schweinehaltung, die sie gerade abzuschaffen droht. In Thüringen werden 0,4 GV/ha gehalten, der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch liegt weit unter 100%. Also welche Masse an Tieren? ab https://t.co/5Z9CPAhpi6
— Thüringer Bauernverband (@BauernverbandTH) July 2, 2020
Hintergrund
Im Jahr 2019 wurden in Deutschland noch 1 ,80 Mio. Zuchtsauen gehalten, 2016 waren es noch 1,91 Mio. Tiere. Auf der anderen Seite werden jedes Jahr 11 Mio. Ferkel, vor allem aus Belgien und den Niederlanden nach Deutschland importiert und hier gemästet. Die Gründe für den Rückgang der einheimischen Bestände sind vielseitig. Vor allem aber die seit Jahren andauernde rechtliche Unsicherheit bezüglich der Haltungsanforderungen für Sauen hat viele Landwirte dazu veranlasst, ihre Schweinehaltung aufzugeben.