Nachdem das Bundesverwaltungsgericht das „Magdeburger Urteil“ zur Haltung von Sauen in Kastenständen bestätigt hat, hat nun das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) den ersten Erlass zum Kastenstandurteil in Deutschland herausgegeben.
Auch die Beschwerde einer Klägerin gegen das Revisionsverbot wurde endgültig vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Somit hat das Kastenstandurteil vom 11. Juni 2016 weiterhin Gültigkeit. Laut den Richtern werden alle Rechtsfragen darin ausreichend beantwortet. Das Urteil legt Mindestbedingungen fest, die der Verordnungsgeber für unerlässlich zum Schutz der Tiere gehalten hat und die für jedes in einem Kastenstand gehaltene Schwein gelten. Es muss daher jedem Schwein entsprechend seiner Größe möglich sein, im Haltungssystem jederzeit ungehindert in Seitenlage mit ausgestreckten Gliedmaßen zu ruhen.
Da Tierhalter die Wahl zwischen zwei Ausgestaltungsmöglichkeiten von Kastenständen hat, regte Dr. Thomas Fröhlich vom HMUKLV in einem Schreiben vom 15. Dezember an, die Umsetzung in Hessen einerseits gemäß dem Urteil und andererseits anhand der Leitlinien aus dem Papier „Entscheidungsbaum Kastenstände“ anzuordnen. Wenn ein Tierhalter andere Kastenstände bzw. Bedingungen als in den beiden Unterlagen genannt in seinen Ställen hat, muss er umstellen und dafür innerhalb von 6 Monaten ein dementsprechendes Umbaukonzept einreichen. In Ausnahmefällen sind auch 12 Monate möglich. „Dieses Konzept beinhaltet aber nicht automatisch, dass ein Umbau der Ställe erforderlich wird. Es ist denkbar, dass die Tierhalter zum Beispiel auf das genetische Potential kleinerer Sauen zurückgreifen, für die die vorhandenen Kastenstände ausreichend Platz bieten. Denkbar wäre auch die Nicht-Belegung eines angrenzenden Kastenstandes, um diesen freiwerdenden Platz zu nutzen“, erläutert Mischa Brüssel de Laskay, Sprecher des hessischen Landwirtschaftsministeriums gegenüber top agrar die Konsequenzen des Erlasses. In einigen Fällen würden sich die Betriebe aber auch für bauliche Änderungen im Stall entscheiden. Dafür stünden Fördermittel aus dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm bereit.
Brüssel de Laskay betonte, dass der Erlass keine Frist nenne, bis wann das Konzept realisiert werden müsse. Dies sei im Einzelfall durch das örtliche Veterinäramt festzulegen und solle dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen.
Sauenhalter entsetzt
Für entsprechende Aufregung sorgte das Schreiben bei den Praktikern. Am 22. Dezember trafen sich kurzfristig Vertreter verschiedener Verbände und Organisationen, um über den vorweihnachtlichen Erlass zu beraten. Übereinstimmend halten sie diese Frist für existenzgefährdend. Der Hessische Bauernverband (HBV) hat für den 5. Januar ein Dringlichkeitstreffen anberaumt.
Nach Meinung von Wilfried Brede, Berater vom Serviceteam Alsfeld, dürfen die mutmaßlichen Verbesserungen für mehr Tierwohl nicht zu Lasten der Tiergesundheit und des Arbeitsschutzes gehen. Zudem fehle es nach wie vor an wirtschaftlich stemmbaren Haltungsalternativen und politischer Planungssicherheit sowie realistischen Übergangsfristen. Andernfalls sehe er einen deutlichen Rückgang der Ferkelproduktion in Deutschland als unvermeidbar. Gleichzeitig wird es aber ein „weiter wie bisher“ definitiv nicht geben. Nur im Konsens mit den derzeitigen Meinungsmachern werden seinen Erachtens Lösungen gefunden. Hierfür werden derzeit Lösungsvorschläge erarbeitet, um letztlich für die Ferkelerzeuger zukunftsfähige Konzepte zu finden.