Im deutschen Lebensmittelmarkt spielt Tierschutz als eigenständiges Kriterium bisher eine untergeordnete Rolle. Das könnte sich möglicherweise bald ändern, denn der EU-Agrarrat hat sich bereits im Februar 2010 mit der Einführung eines Animal-Welfare-Labels befasst. Nach Angaben des aid-Infodienstes hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium daraufhin ein Gutachten bei der Universität Göttingen in Auftrag gegeben, um ausloten zu lassen, welche Barrieren und welche Chancen in Deutschland bestehen.
Mit Schweinefleisch starten
Zweckmäßig sei, ein solches Projekt mit dem Produkt Schweinefleisch zu starten, da dort die wirtschaftliche Relevanz am größten und die Umsetzungsmöglichkeiten am besten seien. Nicht zuletzt sei hier auch das Problembewusstsein der Verbraucher am höchsten. Und der soll ja schließlich auch tiefer in die Tasche greifen. Ob er das tun wird, darüber besteht noch Unsicherheit. In Belgien sah eine Studie der Universität Gent in 2009 nur bei ca. 40 % der Konsumenten wenigstens eine prinzipielle Bereitschaft für höhere Fleischpreise. Tendenziell besser sah es in der europäischen Umfrage Eurobarometer 2007 aus. Ein hohes Budget für die Markteinführung des Siegels sollte jedenfalls eingeplant werden.
Hintergrund
Die Professoren Dr. Achim Spiller und Dr. Ludwig Theuvsen und ihre Mitautoren haben ein deutliches Plädoyer für das Tierschutzsiegel erarbeitet. Die Nachfrage nach tiergerecht erzeugten Produkten sei bisher unterschätzt worden und so recht habe sich die Branche auch nicht heran getraut. Um den Tierschutzgedanken wirklich zielführend in einem solchen Label zu verankern, sei entscheidend, dass die Tiere gesund seien, ihr natürliches Verhalten ausüben könnten und sich wohl fühlten. Man müsse das Ganze also "vom Ergebnis aus sehen".
Gute Haltungsverfahren sind halt eine Sache, gutes Management des potenziell guten Haltungssystems eine andere, und leider kommt nicht immer Beides zusammen. Nach Ansicht der Autoren des Gutachtens muss das Label freiwillig und auf hohem Umsetzungsniveau angelegt sein und die gesamte Wertschöpfungskette einbinden. Die ist sich allerdings noch nicht im Klaren darüber, ob sie das Ganze als Fluch oder Segen betrachten soll. Einerseits befürchtet man, dass sich der Prozess verselbständigt und "freiwillig" zu "ohne geht nicht mehr" wird. Andererseits hofft vor allem der Lebensmitteleinzelhandel darauf, sich mit guter Kommunikation hier einen neuen viel versprechenden Markt zu erschließen.