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topplus Künstliche Intelligenz

Welche Chancen bietet Künstliche Intelligenz für die Schweinehaltung?

Die Industrie präsentiert erste Systeme mit Künstlicher Intelligenz für den Schweinestall. Es geht vor allem um die Geburtsüberwachung und ums Schwanzbeißen. Was leistet die Technik?

Lesezeit: 5 Minuten

Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) haben breiten Einzug in unseren Alltag gehalten. Viele kennen Sprachassistenten wie Siri und Alexa. Sie nehmen Sprach­befehle an und führen kleine Anwendungen aus. Ein bekanntes, komplexeres Einsatzfeld für KI sind Assistenzsysteme im Auto.

Schnell gelesen

Erste Anbieter bringen Systeme mit Künstlicher Intelligenz für den Schweinestall auf den Markt.

Einsatzbereiche sind die Geburts­überwachung sowie die Früherkennung von Schwanzbeißen und Krankheiten.

Erfahrungen zeigen, dass die KI-Technik laufend schlagkräftiger wird und den Landwirt insbesondere bei der Tierkon­trolle entlasten kann.

Die Kosten für die Hardware können im vierstelligen Bereich liegen. Hinzu kommen monatliche Gebühren.

Die Datenhoheit liegt beim Landwirt. Die Praktiker sollten sich daher für die neue Technik offen zeigen.

Die Künstliche Intelligenz setzt dabei auf verschiedene Techniken:

  • Algorithmen sind die einfachste KI-Form. Hierbei handelt es sich um eine automatische Umsetzung einer Schritt-für-Schritt-Anleitung. Vergleichen lässt sich der Algorithmus mit einer detaillierten Anleitung, z. B. für die Erstellung einer Futterration.

  • Maschinelles Lernen: Hier trainiert ein Algorithmus selbstständig konkrete Aufgaben immer besser zu lösen. Mit jedem neuem Durchgang werden die gewonnenen Daten ausgewertet und der Lösungsweg weiter optimiert.

  • Deep Learning ist ein Teilbereich des maschinellen Lernens. Im Prozess ermöglicht die Wiederholung immer präzisere Analysen. Deep Learning wird z. B. in der Bildanalyse eingesetzt. Dadurch erkennt die Technik immer komplexere Objekte.

Einzug in die Tierhaltung

Aufgrund der intensiven Forschung hat sich die Leistung von KI-Systemen sprunghaft gesteigert. Fachleute erwarten kurzfristig weitere, deutliche Verbesserungen.

Auch in der Schweinehaltung eröffnet KI ganz neue Wege. Dabei macht sie den Landwirt keineswegs überflüssig. Vielmehr geht es darum, den Tierbetreuer zu entlasten und Probleme früher zu erkennen. Vier Einsatzfelder stehen im Fokus:

  • Überwachung von Geburten,

  • Früherkennung von Schwanzbeißen,

  • Frühwarnsysteme für Krankheiten,

  • Steuerung von Klima, Fütterung etc.

Geburten stets im Blick

Aufgrund der vielfältigen Anwendungen hat der Schweinesektor zahlreiche Forschungsprojekte gestartet. Besonders umfangreich ist das Experimentierfeld DigiSchwein, das die Land­wirtschaftskammer Niedersachsen mit Partnern aus der Wissenschaft und Wirtschaft koordiniert.

Hervorzuheben ist das Teilprojekt zur Geburtsüberwachung. Projektpartner sind die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, der OFFIS e. V., die TiHo Hannover, das Thünen-Institut sowie die Universitäten in Oldenburg, Göttingen und Kiel.

Mit der kontinuierlichen Videoerfassung der Abferkelbuchten und einer Auswertung mithilfe Künstlicher Intelligenz sollen der Geburtsbeginn, die Geburtsdauer, die Wurfgröße und die Geburtsintervalle bestimmt werden.

Zur Beurteilung der Leistung hat das Team das KI-Modell im Rahmen erster Untersuchungen getestet. In 150 Einzelbildern erkannte die Technik 916 von 927 Körperteilen der Ferkel korrekt, was einem Detektionswert (Sensitivität) von 98,9 % entspricht.

Für die Bestimmung des Geburtszeitpunktes wurden zufällig ausgewählte Videosequenzen mit und ohne Geburt analysiert und mit den Ergebnissen ­einer menschlichen Bewertung verglichen. Die Videoüberwachung erzielte eine Erfolgsquote von 90 % bei der korrekten Erkennung des Geburtszeitpunktes. In Fällen ohne Geburtsereignis erzielte der Ansatz eine vollständige Übereinstimmung mit der menschlichen Bewertung. Das bedeutet, dass keine Falschmeldungen auftraten.

Jetzt arbeitet das Team an einer Erweiterung. Ziel ist, die neugeborenen Ferkel hinsichtlich ihrer Fortbewegung in der Bucht automatisiert nachzuverfolgen und die Geburtsintervalle individuell zu ermitteln.

Schwanzbeißer früh finden

Vielversprechende Ergebnisse hat auch das Teilprojekt zur Haltung von Schweinen mit intaktem Schwanz erzielt, das die Tierärztliche Hochschule Hannover und die Uni Göttingen betreuen. Es ermöglicht Beißertiere bis zu neun Tage früher zu identifizieren, als es der Landwirt selbst bei engmaschiger Tierkontrolle selbst leisten kann.

Ziel dieses Projekts war ein System zur automatischen Erkennung von Schwanzbeißen. Dieses soll stark beißende Tiere durch die Kombination von Audio- und Videoanalysen früh identifizieren. Die Ergebnisse sind gut. So identifizierte das System im Datenmaterial insgesamt 1.136 Schreie, die zu 64 % auf Schwanzbeißen zurückzuführen waren. Dabei wurde eine hohe Genauigkeit von 90 % erreicht.

Auch die weitere Verarbeitung der gewonnenen Daten funktioniert gut. So analysiert „ScreamDetect“ automatisch die neuesten Videoaufzeichnungen. Ist ein Schwellenwert an Schreien pro Stunde überschritten, versendet die Technik eine E-Mail an den Landwirt mit Hinweisen zu den betroffenen Buchten und den Videosequenzen. Das Videomaterial liegt auf dem lokalen Datenspeicher des Tierhalters. Die Datenhoheit ist damit gesichert.

Die Identifizierung der Tätertiere in den Videoclips war mithilfe der individuellen Ohrmarken problemlos möglich. Zum Erreichen der Marktreife soll das System in unterschiedlichen Haltungssystemen getestet werden.

Videoanalyse rund um die Uhr

Die einzig kommerziell verfügbare KI-Technik für den Schweinestall bietet bislang das Start-Up VetVise aus Hannover an. Im Fokus steht hier die Verbesserung der Tiergesundheit durch präventive Maßnahmen und eine kontinuierliche Beobachtung des Tierverhaltens. Hierzu installiert das Unternehmen über jeder Bucht eine IP67-Weitwinkelkamera, die auch beim Waschen im Abteil bleiben kann.

Die KI-gestützte Technik erfasst u. a. das Liegeverhalten, die Aktivität und die Verteilung der Tiere in der Bucht. Zusätzlich ermittelt das System die Tierzahlen an der Tränke und am Trog.

Voraussetzung für den Einsatz ist eine stabile Internetverbindung im Stall. Wichtig ist zudem eine effektive Fliegenbekämpfung, damit die Kameralinsen sauber bleiben.

Das VetVise-System erstellt Warn­meldungen und gibt Handlungsempfehlungen z. B. bei zu hoher oder zu niedriger Aktivität. Hierbei nutzt das Unternehmen auch Erfahrungen aus dem Geflügelbereich. Die Gruppenüberwachung hat die Praxisreife erlangt und wurde in rund einem halben Dutzend Schweinebetrieben installiert. Das Unternehmen arbeitet auch an einer automatischen Ab­ferkelerkennung sowie an einem Warn­system für Schwanzbeißen.

Vierstellige Hardware-Kosten

Aufgrund der Alleinstellung am deutschen Markt kann bislang nur VetVise Angaben zu den Kosten machen. Das Unternehmen beziffert die Ausgaben für eine Hardwareeinheit aus Server, Stromversorgung und 32 Kameras ohne Installation auf 9.900 €. Eine Erweiterung auf 64 Kameras kostet zusätzlich etwa 6.000 €.

Hinzu kommen Gebühren für die Systembereitstellung, die je nach gebuchten Leistungen individuell ausfallen. VetVise beziffert sie im Mittel auf etwa 20 € pro Kamera und Monat.

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