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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Biber schaden Bauern

Lesezeit: 7 Minuten

In Bayern und Baden-Württemberg leben wieder rund 20 000 Biber. Der Nager schädigt zunehmend auch landwirtschaftliche Flächen. Doch die Ertragsverluste und Kosten werden nur zum Teil oder gar nicht ausgeglichen.


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Der Lohnunternehmer weigerte sich, den 1,5 ha großen und teilweise vernässten Maisschlag mit Häcksler und Transport-Gespannen zu befahren. Ein Biber hatte den Acker mit Röhren so stark unterhöhlt, dass er ein Einbrechen seiner Maschinen befürchtete.


Landwirt Günter Thierer aus Herbrechtingen im Landkreis Heidenheim, dem der Mais gehörte, kann sich noch gut an den Vorfall im Herbst 2014 erinnern. Er häckselte den Mais schließlich mit einem alten Anbauhäcksler und sehr geringer Vorfahrtgeschwindigkeit.


Maschinenbruch im Biberloch:

Seine Vorsicht war berechtigt. „Das Untergraben von landwirtschaftlichen Flächen und Wegen, die dann beim Befahren einbrechen, ist das größte Problem, das der Biber verursacht“, bestätigt Rainer Junginger, Hegeringleiter und staatlich beauftragter Biberberater im Landkreis Heidenheim. Laut Junginger gräbt der Nager Röhren mit bis zu 80 cm Durchmesser, die von den Gräben aus etwa 6 bis 8 m in die Felder und Wiesen hineinreichen. „Es kommt auch vor, dass untertunnelte Asphaltwege einbrechen“, so der Biberberater.


Die Maschinenschäden beim Einbrechen von Biberlöchern sind erheblich. „Im Schnitt bewegt sich der Schaden in solchen Fällen bei 1 600 €“, zitiert Martin Erhardsberger, Referent für Umweltfragen beim Bayerischen Bauernverband (BBV), eine Auswertung des bayerischen Staatsministeriums für Umwelt. Schäden an Gehölzen sowie durch Vernässung und Fraß sind pro Fall zwar niedriger, aber sie kommen häufiger vor.


So hatte 2013 im Landkreis Coburg ein Biberdamm einen Entwässerungsgraben im Rodachgrund so weit aufgestaut, dass ein angrenzender Zuckerrübenschlag von Landwirt Georg Ruppert teilweise unter Wasser stand (siehe Reportage auf Seite 18). Der Rübenertrag auf der Fläche brach um 50 % ein. Eine Wiese zwischen Graben und Rodach konnte der Milchviehhalter statt vier- nur noch dreimal ernten. Außerdem litt die Qualität des Bestandes, weil wertvolle Futterpflanzen wegen der Vernässung nicht mehr aufkamen.


Thomas Beißwenger aus Herbrechtingen hatte 2014 vor allem mit Fraßschäden an Mais und Weizen durch den Biber zu kämpfen. „Bei einem Maisschlag hatten wir etwa 10 % Ertragsminderung“, berichtet der Landwirt.


Biber breitet sich aus.

Die genannten Beispiele sind keine Einzelfälle mehr. Denn der Biber hat sich in Süddeutschland wieder ausgebreitet. In Bayern ist der Nager praktisch wieder flächendeckend vertreten (siehe Karte). In den vergangenen Jahren hat er Verbreitungslücken in Ober- und Unterfranken, im Bayerischen Wald und im Alpenvorland geschlossen.


Das Bayerische Landesamt für Umwelt geht derzeit im Freistaat von 4 500 Revieren mit rund 16 000 Tieren aus. Der BBV hält diese Schätzung für zu niedrig und rechnet aktuell mit rund 20 000 Bibern im Freistaat.


In Baden-Württemberg hat der Biber die Donau und ihre Nebenflüsse, den Hochrhein und die Jagst besiedelt. Jetzt breitet er sich auch am Neckar aus. Die letzte Schätzung der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) aus dem Jahr 2012 geht von 2 000 Tieren aus. Zum Vergleich: 2005 bezifferte die LUBW den Biberbestand im Südwesten noch auf 650 Exemplare.


Mit einer derart raschen Ausbreitung hatten selbst Fachleute nicht gerechnet. Denn der Biber galt seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Süddeutschland als ausgestorben. Seit den 60-er Jahren wurden in Bayern etwa 120 Exemplare freigesetzt. Anfang der 90-er Jahre breiteten sich die Biber dann entlang der Donau nach Württemberg aus. Schon Mitte der 70-er Jahre wanderten vom Elsaß und der Schweiz aus die ersten Biber wieder ins Rheintal nach Südbaden ein.


Angesichts der raschen Zunahme der Bestände und der regen Aktivitäten des Bibers sind die zunehmenden Konflikte nicht verwunderlich, zumal der Nager nach EU-Recht den höchsten Schutzstatus genießt. So ist es verboten, den Biber zu fangen und zu töten oder seine Wohn- und Zufluchtstätten zu beschädigen oder zu zerstören. Verstöße dagegen werden hart bestraft.


Ausnahmen sind möglich.

Ausnahmen von den Schutzmaßnahmen sind im Einzelfall zwar möglich, etwa zur Abwendung erheblicher Schäden in der Land-, Forst-, Fischerei- oder Wasserwirtschaft. Sie müssen aber in jedem Fall bei den Naturschutzbehörden beantragt und von diesen genehmigt werden.


Doch diese sind vor allem in Baden-Württemberg sehr zurückhaltend. Sie genehmigen bei Vernässungsschäden in der Regel nur den Einbau von Drainagen in Biberdämme oder das Anlegen von Umgehungsgerinnen. Das schafft jedoch häufig nicht die erhoffte Entlastung, weil Biber die eingebauten Rohre wieder verstopfen.


Wenig Hilfe von Behörden:

Um Schäden abzuwenden, wäre in vielen Fällen das Entfernen oder Versetzen von ganzen Dämmen erforderlich. „Aber das muss das Regierungspräsidium genehmigen und ist mit einem riesigen Bürokratieaufwand verbunden“, klagt Biberberater Rainer Junginger.


Ein Zugriff, also das Fangen bzw. Töten von Bibern, ist derzeit in Baden-Württemberg praktisch nicht möglich. Das zuständige Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) verweist darauf, dass in aller Regel die Voraussetzungen für einen Zugriff nicht vorliegen. Mit den Maßnahmen des landesweiten Bibermanagements bestünden aber Alternativen, um erhebliche Schäden zu vermeiden. Dazu zählen laut MLR neben Dammdrainagen auch Drahthosen zum Schutz von Gehölzen sowie Elektrozäune.


Betroffene Landwirte im Südwesten haben somit kaum Spielraum, um sich vor Biberschäden zu schützen. Das ist umso ärgerlicher, weil die Bauern allein auf diesen Schäden sitzen bleiben. Denn das Land zahlt keinerlei Ausgleich für Biberschäden.


Landwirt Frank Häußler aus Herbrechtingen kritisiert das scharf: „Wenn die Allgemeinheit den Artenschutz will, dann muss sie auch für die Schäden geradestehen.“


In Bayern 80 % Ausgleich:

Dass das möglich ist, zeigt das benachbarte Bayern. Der Freistaat leistet seit 2008 Ausgleichszahlungen, um Biberschäden z. B. in der Land- und Forstwirtschaft auszugleichen und die Akzeptanz des Bibers zu erhöhen. Dafür stehen seit 2011 jährlich 450 000 € zur Verfügung.


Tritt ein Schaden ein, muss der Landwirt diesen an die untere Naturschutzbehörde oder an einen von der Behörde beauftragten Biberberater melden. Gemeinsam mit diesem dokumentiert er den Schaden auf einem „Melde- und Erfassungsbogen für Biberschäden“ und reicht ihn beim Landratsamt ein.


Die Naturschutzbehörden sammeln die Schadensfälle und entschädigen sie dann Anfang des Folgejahres. Allerdings bekommen die Landwirte maximal 80 % des Schadens erstattet. Denn die Entschädigung gilt als Beihilfe und darf laut EU-Recht nicht über diesen Anteil hinausgehen.


Die Entschädigungsquote sinkt weiter, wenn in einem Jahr die Summe aller Schadensmeldungen größer ist als der zur Verfügung stehende Biberfonds. So wurden im Jahr 2013 nach Aussage des bayerischen Umwelt-ministeriums Schäden von insgesamt 607 000 € gemeldet, sodass nur rund 74 % der Schadenssummen erstattet werden konnten.


Auch beim Vorbeugen von Biberschäden sind die bayerischen Behörden offenbar kooperativer als die Ämter in Baden-Württemberg. So erhalten Betroffene für das Entfernen von Dämmen im Schadensfall leichter eine Genehmigung. Auch der Zugriff ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.


„Das Bibermanagement hat sich in den letzten Jahren mit der artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung und dem Ausgleichsfonds deutlich verbessert“, lobt Martin Erhardsberger vom BBV.


Er schränkt jedoch ein, dass es in der Umsetzung in zahlreichen Regionen nach wie vor Probleme gibt, die zu lösen sind. Zudem fordert er, den Schutzstatus des Bibers zu überprüfen: „Wegen der flächendeckenden Population, muss der Biber – wie anderes Wild auch – bejagt und an die landeskulturellen Verhältnisse angepasst werden können.“


So weit reichen die Forderungen in Baden-Württemberg noch nicht. Hier wären die Landwirte schon froh, wenn die Landesregierung einen Entschädigungsfonds einrichten und in bestimmten Fällen den Zugriff erlauben würde.Klaus Dorsch

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