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Biogas: Jetzt noch in Hofanlagen investieren?

Lesezeit: 7 Minuten

Seit fast vier Jahren fördert die Bundesregierung Hofbiogasanlagen mit einer Leistung bis 75 kW. Damit haben sich viele süddeutsche Betriebe ein zweites Standbein geschaffen.


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Noch einmal 100 Kühe oder eine Biogasanlage? Vor dieser Entscheidung standen Christian und Benjamin Blickle, die mit ihrem Vater Kurt einen Milchviehbetrieb in Winterlingen (Zollernalbkreis) führen. „Wir hatten früher schon mit einem zweiten Standbein geliebäugelt. Aber uns fehlen für eine große Biogasanlage die Rohstoffe“, berichtet Christian Blickle. Denn 90 % des Futters, das Blickles auf dem Grünlandbetrieb mit 160 ha erzeugen, bekommen die 200 Milchkühe. Und Futter im großen Stil zukaufen wollten sie nicht.


EEG fördert Kleinanlagen:

Die Situation änderte sich im Jahr 2012. Damals novellierte die Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und führte eine besondere Stromvergütung für Hofbiogasanlagen bis zu einer Leistung von 75 Kilowatt (kW) ein. Die Vergütung betrug 25 ct pro Kilowattstunde (kWh). Auch nach der Novellierung des EEG im Jahr 2014 liegt die Vergütung noch bei 23,53 ct/kWh. „Wir haben uns 2012 für eine Anlage entschieden, da wir ausreichend frische Gülle und Festmist zur Verfügung haben“, beschreibt Christian Blickle (siehe Reportage S. 14).


Viele Anlagen im Süden:

Wie Familie Blickle haben sich seit 2012 bundesweit über 500 Betriebe, davon jeweils mindestens 70 in Bayern und Baden-Württemberg, für eine Hofanlage entschieden. Potenzial in Deutschland gibt es laut Fraunhofer Institut Umsicht aus Sulzbach-Rosenberg (Bayern) für rund 17 000 der Kleinanlagen.


Neben den Einkünften über das EEG bieten die Anlagen mehrere Vorteile:


  • Gülle und Festmist lassen sich energetisch verwerten,
  • Festmist wird verflüssigt, was die Ausbringung erleichtert,
  • es fällt günstige Heizwärme an,
  • Unkrautsamen werden abgetötet,
  • die Gülle riecht nach der Vergärung weniger.


Das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei (LAZBW) in Aulendorf und das Bildungs- und Wissenszentrum Box­berg (LSZ) haben Anlagen aus Baden-Württemberg ausgewertet und die Erfahrungen der Betreiber erfasst.


Gülle und Energiepflanzen:

Die meisten der Anlagen wurden als sogenann-te 80 : 20-Lösungen gebaut, das heißt, mit mindestens 80 % Gülle oder Mist und 20 % Energiepflanzen. Das EEG schreibt bei diesem Substratmix (anders als bei 100 % Gülle) eine Verweildauer der Substrate von 150 Tagen im gasdichten Raum vor. Das bedeutet: Sowohl Fermenter als auch der nachgeschaltete Nachgär- oder Lagerbehälter müssen gasdicht abgedeckt sein.


Bei den untersuchten Anlagensystemen mit sehr kurzen Verweilzeiten von 10 bis 15 Tagen wurden nur ca. 50 % des Biogas-Ertragspotenzials der Gülle ausgeschöpft. „Daher empfehlen wir bei reinen Gülleanlagen eine Mindestverweilzeit von 40 bis 50 Tagen im Fermenter“, ergänzt Dr. Andreas Lemmer von der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie Baden-Württemberg, der mit seinen Kollegen im Auftrag des Landesumweltministeriums Baden-Württemberg vier Kleinanlagen genau unter die Lupe genommen hat.


Er rät von Anlagensystemen mit sehr kurzen Verweilzeiten ohne gasdichtes Gärrestlager dringend ab. Die meisten Betriebe vergären Rindergülle, im Schnitt 6 000 bis 8 500 m3 pro Jahr, also rund 20 bis 23 m3 am Tag. „Viele haben mehr Gülle zur Verfügung als ursprünglich berechnet“, erläutert Biogasberater Manfred Dederer vom LSZ. Die Gasausbeute lag bei einigen 10 bis 30 % höher als kalkuliert, andere hatten 10 bis 15 % weniger Gas.


Große Preisspanne:

Die meisten Betreiber haben Anlagen bei den klassischen Biogasanlagenherstellern gekauft, neue Konzepte von Anbietern spezieller Kleinanlagen kamen dagegen kaum zum Einsatz. Bei diesen setzen die Hersteller auf eher kleinere Fermenter.


Ein Drittel der Landwirte hat das „Bauherrenmodell“ gewählt, bei dem der Landwirt den Bau zusammen mit einem Planungsbüro in Eigenregie durchführt (siehe Reportage S. 12).


Die Investitionskosten lagen zwischen 350 000 bis 900 000 €, der Durchschnitt bei 570 000 €. Pro kW bezahlten die Betreiber somit 4 000 bis 12 000 €. „Diese große Streuung geht nicht nur auf die unterschiedlichen Anlagenhersteller zurück, sondern hängt auch davon ab, ob z. B. Trafo, Fahrsilo oder Güllelager noch gebaut werden müssen“, erklärt Dederer. Weitere Einflussfaktoren sind die Entfernung zum Stall, die Topografie sowie Auflagen der Genehmigungsbehörden usw. Allein der Netzanschluss mit Trafo kann schnell 70 000 bis 80 000 € zusätzlich kosten. Das sind 1 000 €/kW, die die Wirtschaftlichkeit negativ beeinflussen. Um bis zu 200 000 € günstiger haben zudem diejenigen Landwirte gebaut, die das „Bauherrenmodell“ gewählt haben.


Die Betreiber haben mit dem Erlös nach dem EEG 2012 zwischen 0 und 10 ct/kWh an Gewinn eingefahren. Bei 8 700 Volllasttunden, die einige Betreiber durchaus erreicht haben, produzieren die Anlagen rund 650 000 kWh im Jahr, sodass in einigen Fällen Gewinne von über 60 000 € möglich sind. „Die beiden maßgeblichen Einflussfaktoren auf den Gewinn sind die Höhe der Investitionskosten, d. h. die Festkostenbelastung, sowie die Höhe der Substratkosten“, erklärt Biogasberater Jörg Messner vom LAZBW. Allein bei den Substratkosten liegt die Spanne pro Jahr zwischen 0 € bei einer reinen Gülleanlage bis über 40 000 € bei einer Anlage, die zu 20 % bzw. 1 000 t Energiepflanzen wie Mais einsetzt.


Dabei ist zu beachten: Diese Ergebnisse beziehen sich auf das Jahr 2012. Die Vergütung im EEG ist zwar für 20 Jahre fix, aber die Anfangsvergütung von Neuanlagen sinkt jährlich um einen festen Wert. Beim EEG 2014 ist sie 1,5 ct/kWh niedriger. Den Betreibern fehlen also schon rund 10 000 € Strom­erlös im Jahr im Vergleich zu den Kollegen, die 2012 gebaut haben. Neu im EEG 2014 ist zudem, dass die Vergütung nicht mehr um 0,5 % pro Jahr absinkt, sondern jetzt um 2 % pro Quartal. Ab wann sich eine Anlage dabei nicht mehr rechnet, hängt jedoch nicht nur von den Erlösen, sondern auch von den Investitionskosten ab.


Vier Modellanlagen:

Das bestätigen Berechnungen des „Centralen Agrar-Rohstoff Marketing und Energie Netzwerks“ (C.A.R.M.E.N. e. V.) aus Straubing. Kalkuliert wurden vier Modellanlagen für Milchviehbetriebe:


  • Anlage 1: 100 % Gülle,
  • Anlage 2: 84 % Gülle, 16 % Nachwachsende Rohstoffe (Nawaro),
  • Anlage 3: 50 % Gülle, 34 % Rindermist, 16 % Nawaro,
  • Anlage 4: 90 % Gülle, 10 % Rindermist.


Für diese Anlagen hat C.A.R.M.E.N. dann noch mit den zwei Größenklassen 30 und 75 kW gerechnet. „Wir haben jeweils ein Blockheizkraftwerk mit Gasmotor kalkuliert, keinen Zündstrahler“, berichtet Biogas-Berater Ulrich Kilburg. Denn in der Größenklasse gibt es keinen Zündstrahler. Das Blockheizkraftwerk (BHKW) haben die Berater mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 35 % angesetzt. „Man darf bei den Berechnungen nicht den Wirkungsgrad aus dem Datenblatt nehmen, sondern muss immer 2 bis 3 Prozentpunkte abziehen“, erklärt Kilburg.


In Übersicht 1 (S. 8) sind die Ergebnisse der Berechnungen aufgeführt. So ist eine reine Gülleanlage (Anlage 1) mit 75 kW deutlich wirtschaftlicher als eine Anlage mit 30 kW, der Gewinn läge bei 60 000 € im Jahr. Allerdings wären hierfür 553 GV nötig. Die Varianten mit Nachwachsenden Rohstoffen sind tendenziell weniger wirtschaftlich. „Bei ihnen sind mehr Technik, mehr Stromaufwand für Einbringen und Rühren sowie hohe Substratkosten nötig“, begründet Kilburg das. Nur die Anlage mit 75 kW würde bei dieser Modellrechnung einen Gewinn erwirtschaften.


Interessant ist ein Blick auf den Anlagentyp 4: Hier hängt der Gewinn stark davon ab, ob sich ein vorhandener Güllebehälter als Gärrestlager nutzen lässt. Muss dieser neu gebaut werden, ist die 30-kW-Anlage unwirtschaftlich. Klar wird hierbei auch, dass deutlich weniger Großvieheinheiten gegenüber der Variante mit 100 % Gülle (Typ 1) nötig sind.


Einflüsse auf die Rendite:

Welche Einflussfaktoren es auf die Wirtschaftlichkeit gibt, hat Kilburg am Beispiel des Typ 1 mit 100 % Gülle bei der Leistungsgröße von 30 kW durchgerechnet. Sinken die Investitionskosten um 20 %, steigt der Gewinn pro Jahr um 6 000 € auf 17 000 € an, bei 20 % höheren Anlagenpreisen als in der Basisvariante sinkt der Gewinn auf 5 000 €.


Auch die produzierte Strommenge, die u. a. von der Qualität der Substrate abhängt, hat großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit. Müsste der Betreiber für den Transport der Gülle 3 €/t statt 50 ct zahlen, wäre die Anlage unwirtschaftlich. „Bei all diesen Kalkulationen ist aber zu bedenken, dass es sich um Musterberechnungen handelt“, betont der Biogasexperte. Sie können nur eine grobe Tendenz aufzeigen. Jeder Landwirt muss daher für seinen Betrieb individuell rechnen. Neben Investitions- und Substratkosten können folgende Faktoren die Wirtschaftlichkeit weiter beeinflussen:


  • Wärmenutzung,
  • Finanzierungskonditionen,
  • weniger Arbeitsaufwandes durch Integration in den Betriebsablauf,
  • Eigenleistung beim Bau.


„Wichtig ist, dass der Betrieb auch in 10 bis 15 Jahren noch mit der Vergütung von 23,53 ct/kWh zurecht- kommt“, betont Kilburg. Daher rät er vom Bau ab, wenn die Wirtschaftlichkeit schon heute knapp ist. Auch müsse der Betrieb für 20 Jahre lang genügend Wirtschaftsdünger zur Verfügung haben. Passt die Anlage dagegen in den Betrieb, kann sie ein interessantes Standbein mit stabilem Einkommen werden. Hinrich Neumann


In den folgenden Reportagen berichten Betriebsleiter über ihre Erfahrungen.

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