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„Die Flutpolder bedrohen unsere Betriebe“

Lesezeit: 6 Minuten

Bayern plant an der Donau zwölf Flutpolder mit 5 700 ha, davon allein vier im Landkreis Dillingen. Für viele Landwirte im Donauried hätte das katastrophale Konsequenzen.


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Umsiedeln, absiedeln oder eindeichen: Vor diesen Alternativen steht Johann Schweyer, wenn die bayerische Staatsregierung ihre Pläne zum Hochwasserschutz wahr macht und in Schwenningen im Landkreis Dillingen an der Donau einen 690 ha großen Flutpolder einrichtet (siehe Karte).


Denn mitten im geplanten Poldergebiet steht Schweyers nagelneuer Jungvieh- und Bullenmaststall mit Güllegrube und Fahrsilos, in den er mehr als eine halbe Million Euro investiert und den er kürzlich erstmals mit Tieren belegt hat. „Wir haben die Baumaßnahme noch gar nicht abgeschlossen, und müssen jetzt damit rechnen, dass wir den Standort wieder aufgeben müssen“, empört sich der Milchviehhalter.


Betriebe stehen vor dem Aus.

Doch damit nicht genug. Der Standort im Donauried, der mit einem Polder überplant wird, ist für Schweyer und seinen Sohn Thomas die einzige Möglichkeit, den Betrieb weiterzuentwickeln. Der Kuhstall an der Hofstelle im Ort ist nicht erweiterbar. Und nördlich von Schwenningen sind die wenigen Flächen von einer Trasse für eine neue Bundesstraße und von einem FFH-Gebiet überplant. „Kommt der Polder, bedeutet das für uns mittelfristig das betriebliche Aus“, zeigt der Landwirt die dramatischen Konsequenzen auf.


Auch Michael Linder aus dem 4 km entfernt gelegenen Sonderheim bei Höchstädt fürchtet um seine betriebliche Existenz. Er hat vor vier Jahren einen 4 000 m2 großen Putenmaststall und eine Maschinenhalle ausgesiedelt. Der Standort ist eigentlich ideal, weil er etwa einen Kilometer von der nächsten Bebauung entfernt ist. Doch nach den Plänen des bayerischen Umweltministeriums würde der Stall künftig mitten im 600 ha großen Flutpolder von Höchstädt liegen.


Eine Eindeichung des Stalles hält Linder wegen des kiesigen Untergrunds für kaum machbar. Zudem wäre im Falle einer Flutung keine Zufahrt zum Stall mehr vorhanden. Sollte der Polder kommen, sieht Linder auch die Hofstelle seiner Eltern am Ortsrand von Sonderheim gefährdet. Denn dort läuft ein Bach vorbei, der direkt in den Polder münden würde. „Bei Hochwasser hätte der Bach keine Abflussmöglichkeit mehr“, so der Geflügelhalter.


Linder und Schweyer sind nicht die einzigen Bauern im Donauried, die um ihre Existenz bangen. Allein im Schwenninger und Höchstädter Polder befinden sich nach den jetzigen Planungen zwei Reiterhöfe, eine Biogasanlage, ein Schweinestall, eine Schäferei, eine Imkerei und eine Kartoffelhalle.


Auch für die Landwirte, die keine Ställe in den Poldern haben, bedeuten die Planungen einen massiven Eingriff in ihr Eigentum und die Entwicklungsfähigkeit ihrer Betriebe. „Mit den Polderflächen gehen uns Flächen in riesigem Ausmaß verloren“, erläu-tert Elmar Sinning, Ortsobmann von Schwenningen.


Schon der Deichbau würde viel Fläche verschlingen. Zudem verweist der Landwirt auf die Risiken der Flächen in den Poldern: „Wir wissen nicht, wie oft sie geflutet werden und ob die Böden nach einer Flutung nicht so kontaminiert sind, dass wir sie nicht mehr nutzen können.“ Denn in den Poldern setze sich – wie in einer riesigen Badewanne – alles, was an Verunreinigungen und Schadstoffen hineinfließt, einfach am Boden ab.


Dass das zuständige bayerische Umweltministerium angesichts dieser ex-tremen Eingriffe im Vorfeld nicht mit den Betroffenen gesprochen hat, macht die Bauern fassungslos und wütend. „Das Vorgehen der Politik ist eine Sauerei“, spricht Michael Linder, Ortsobmann von Sonderheim, vielen Berufskollegen aus der Seele. „Wir sind nicht gegen Hochwasserschutz, aber wir brauchen Lösungen, die den Schaden für die Betroffenen in Grenzen halten.“


Alternativen prüfen!

So hätten viele Landwirte nichts dagegen, die Flächen südlich der Donau in die Standortprüfung einzubeziehen. Doch die Studie der Technischen Universität München, auf die sich die Polderplanungen des Umweltministeriums stützen, hat offenbar nur nach Standorten nördlich der Donau gesucht, wo ohnehin kaum noch Platz ist. Das bayerische Umweltministerium hat sich auf unsere Anfrage bis Redaktionsschluss nicht zu den Gründen dafür geäußert.


Anscheinend soll dieses Gebiet, das schon häufiger überschwemmt war und deshalb als Riedstrom bezeichnet wird, zusätzlich zu den Poldern gratis als Überschwemmungsgebiet erhalten bleiben. Denn die Bauern haben bislang auf dieser 2 500 bis 3 000 ha großen Fläche südlich der Donau bei Hochwasserschäden keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Einen Ausgleich haben die Landwirte in der Vergangenheit nur sporadisch im Rah-men von Notstandsbeihilfen bekommen. Begründung: Der Riedstrom sei ein Naturereignis und bedeute für die Landwirte keine Verschlechterung.


Eugen Bayer, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands in Dillingen, sieht das anders: „Bei Hochwasser wird gezielt Wasser aus der Donau in das Ried ausgeleitet, was seit 1999 fünfmal geschehen ist“, so Bayer. Von einem Naturereignis könne man da nicht mehr sprechen. Der Bauernvertreter kämpft deshalb seit Jahren für einen Entschädigungsanspruch für diese Flächen.


Zudem sind aus seiner Sicht die Planungen für die Flutpolder nicht vom Riedstrom zu trennen. „Bevor wir über die Polder reden, muss die Entschädigung für den Riedstrom geklärt sein“, stellt Bayer klar.


„Lasten nicht gerecht verteilt.“

Er will den Riedstrom auch beim politischen und rechtlichen Streit um die Flutpolder in die Waagschale werfen: „Der Strom nimmt bis zu 30 Mio. m3 Wasser auf“, so der BBV-Vertreter. Damit erbringe der Landkreis Dillin-gen schon einen sehr hohen Solidar-beitrag beim Hochwasserschutz.


Rechne man die vier Polder Schwenningen, Höchstädt, Steinheim und Dillingen hinzu, würde der Landkreis 50 % zum Rückhalteraum an der bayerischen Donau beisteuern. „Angesichts von weniger als 10 % Anteil an der Donaulänge ist das keine gerechte Verteilung der Lasten mehr“, kritisiert Bayer.


Trotz dieser Einwände treibt das bayerische Umweltministerium die Pläne für den Hochwasserschutz weiter voran. So sollen noch im Sommer dieses Jahres alle Flächen für die Poldergebiete gesichert werden. Das bedeutet: Ähnlich wie bei einer Veränderungssperre können dann keine Baugenehmigungen mehr ausgesprochen werden. Im Herbst 2015 soll dann das Raumordnungsverfahren starten.


Ein Stillhalteabkommen mit den Kommunen auf freiwilliger Basis hatte das Ministerium abgelehnt. Folge: Alle betroffenen Grundeigentümer müssten jetzt gegen die Sicherung klagen. Der Bauernverband prüft nun, ein Musterverfahren gegen die Sicherung anzustrengen.


Dies wollen auch die Bürgermeister aus der Region, die sich ebenfalls vehement gegen die Polderpläne aussprechen. „Sechs Kommunen haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen und wollen die Sicherung mit juristischen Mitteln anfechten“, bestätigt der Schwenninger Bürgermeister Reinhold Schilling.


Das heißt: Jetzt kämpft die ganze Region gegen die Flutpolder. Einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte, erlebte die zuständige bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf Ende Februar, als sie im Landkreis Dillingen im Rahmen eines so genannten „Bürgerdialogs“ für die Polder warb. Bauern und Bürger empfingen sie mit Mahnfeuern und Protestkundgebungen.Klaus Dorsch

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