Kann man in einem hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Land wie Baden-Württemberg auch künftig noch wettbewerbsfähig Landwirtschaft betreiben? Die Antwort lautet: Selbstverständlich.
Die Landwirtschaft im Ländle hat viele Stärken:
- Die Betriebe sind zwar klein, aber sie sind sehr vielfältig aufgestellt. So spielen Sonderkulturen eine wichtige Rolle. Wenn man diese Vielfalt clever vermarktet, kann aus dem strukturellen Nachteil ein Vorteil werden.
- Kein Wunder, dass überdurchschnittlich viele Bauern in Schwaben und Baden mehrere Standbeine haben und direkt vermarkten.
- Wer auf diesem Gebiet erfolgreich sein will, muss innovativ sein. Im Land der Erfinder mangelt es nicht an guten Ideen, auch nicht bei den Bauern.
- Und die Verbraucher haben Geld. Wegen seiner hohen Wirtschaftskraft ist Baden-Württemberg ein kaufkräftiger Absatzmarkt mit 11 Mio. Menschen.
Dennoch ist natürlich auch in Deutschlands Südwesten nicht alles in Butter. Die Bauern leiden hier genauso wie anderswo unter der Auflagenflut. Wer im dicht besiedelten Ländle bauen will, muss vielerorts gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung ankämpfen. Die landwirtschaftlichen Flächen werden durch die zunehmende Zersiedelung immer knapper. Und wegen der sehr guten außerlandwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten ist es für Wachstumsbetriebe im Südwesten besonders schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden (siehe Seite 14).
Wer die Stärken und Schwächen nüchtern abwägt, kommt schnell zu dem Ergebniss, dass es nur für wenige Betriebe in Baden-Württemberg die richtige Strategie ist, Standardprodukte zu Weltmarktpreisen zu erzeugen.
Zukunftsträchtiger ist für viele die Produktion regionaler Spezialitäten mit hoher Wertschöpfung. „Mehr Öster-reich und weniger Ostdeutschland“ sollte es im Ländle heißen. Dafür muss man sich aber konsequent aufstellen und bereit sein, neue Wege zu gehen – im Berufsstand und in der Politik.
Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg muss entsprechende Initiativen durch eine angepasste Förderpolitik noch mehr unterstützen als bisher. Bayern und Österreich sind hier schon deutlich weiter.
Wichtig ist aber auch, den Verlust ganzer Produktionszweige zu verhindern. Wer Schweinefleisch aus der Region will, braucht auch Ferkel aus dem Ländle. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sollte Bayern und Niedersachsen im Bundesrat unterstützen. Ziel muss sein, das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration solange zu verschieben, bis es tragbare Alternativen gibt.
In den kommenden zwei Jahren werden auch die Weichen für die neue EU-Förderpolitk nach 2020 gelegt. Wenn Stuttgart hier die richtigen Akzente setzt, werden die Bauern die Chancen gerne nutzen.