Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

Aus dem Heft

Wer profitiert von FAKT und KULAP?

Lesezeit: 9 Minuten

Baden-Württemberg und Bayern haben für ihre Bauern bis 2020 umfangreiche Agrarumweltprogramme geschnürt. Wer gewinnt und wer verliert künftig?


Das Wichtigste zum Thema Süd extra freitags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Landwirte aus dem Norden werden sich angesichts dieser Summen ungläubig die Augen reiben: Bayern gibt in den nächsten fünf Jahren für sein neues Agrarumweltprogramm KULAP insgesamt 1,1 Mrd. € aus. In Baden-Württemberg beläuft sich das Gesamtvolumen des MEKA-Nachfolgeprogramms FAKT bis 2020 auf etwa 630 Mio. €. Das ist ebenfalls deutlich mehr als im übrigen Bundesgebiet.


Die beiden reichsten Länder engagieren sich noch für „ihre“ Bauern und wissen das auch entsprechend medial wirksam zu vermarkten. Doch was heißt das konkret für die Bauern? Wer profitiert und wer verliert? Und welche Art der Landwirtschaft wird gefördert?


Was ist neu?

Die Förderschwerpunkte sind in beiden Programmen, die derzeit noch vorläufig sind, ähnlich. Großgeschrieben wird der Ökolandbau, extensives Grünland, Gewässer- und Ero-sionsschutz sowie der Erhalt der Artenvielfalt und der Kulturlandschaft. Beide bieten zudem Maßnahmen an, die gleichzeitig als ökologische Vorrangflächen (öVF) beim Greening anerkannt werden können.


Das neue KULAP knüpft konsequent an das Vorgängerprogramm an. Die wichtigsten Änderungen sind die neue Heumilchprämie, mehr Geld für die Weidehaltung, der Nachweis von vier Kennarten im artenreichen Grünland, die fünfgliedrige Fruchtfolge mit 10 % Leguminosen und die Mindestbreite des Gewässerrandstreifens von 5 statt 10 m.


Das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl in Baden-Württemberg, FAKT, ist mit seinen 40 Teilmaßnahmen für die Praktiker im Gegensatz zum KULAP ein größerer Einschnitt. Zu den wichtigsten gehören die neuen Weide- und Heumilchprämien, ebenfalls die fünfgliedrige Fruchtfolge mit 10 % Leguminosen, sowie mehr Geld und Möglichkeiten für extensives Dauergrünland und Brachebegrünung. Die Landwirte können zudem erstmals für eine besonders tiergerechte Haltung Mittel beantragen (siehe Kasten, S. 11).


Satte Ökoförderung:

Augenfällig ist bei beiden Programmen die deutlich aufgestockte Ökoförderung. Bayern erhöht die Prämien für die Beibehaltung des Ökolandbaus von 200 auf 273 €/ha (Übersicht, Seite 10). Neueinsteiger bekommen sogar 350 €/ha! In Baden-Württemberg liegen die Sätze für die Beibehaltung zum Teil niedriger, die zweijährige Prämie für Einsteiger in Höhe von 350 €/ha wurde neu geschaffen. Allein für den Verzicht auf chemisch-synthetische Produktionsmittel gibt es künftig 190 €/ha statt 90 €!


Solche Summen sind zweifellos ein starker Anreiz auf Bio umzustellen. Dennoch ist das Echo in der Praxis verhalten. „Wieviele Betriebe neu einsteigen, hängt aus meiner Sicht in erster Linie von den Absatzmöglichkeiten ab. Und hier sehe ich Nachholbedarf. Daher hätte ich lieber einen Teil der zusätzlichen Gelder für die Vermarktungsförderung eingesetzt“, erklärt Alfred Enderle, Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) in Schwaben. Vielen Betrieben in der Region gibt der Ausstieg der Omira aus der Biomilch-Vermarktung und der erst vor Kurzem aufgehobene Aufnahmestopp bei Arla doch zu denken.


Ein weiterer Hemmschuh für die Umstellung auf Bio ist das Verbot des Anbindestalls. „In einen Laufstall investiert bei den derzeitigen Aussichten am Milchmarkt niemand“, erklärt Wolfgang Natterer, AELF Kempten.


Die fehlende Vermarktungsmöglichkeit ist vermutlich auch bei der Heumilchproduktion, die beide Länder neu fördern, der Knackpunkt. Denn außer den Emmentaler-Käsereien sind keine neuen Abnehmer für silofreie Milch in Sicht. Die Molkerei Schwarzwaldmilch, die Weidemilch vermarktet, hat jedenfalls aktuell keine Pläne für eine neue Heumilchschiene, heißt es aus Freiburg.


Hinzu kommt, dass die Auflagen für diese Prämie selbst für die Emmentaler-Betriebe im Allgäu und im südlichen Oberbayern recht hoch sind: Die GV-Grenze liegt bei 1,76 GV/ha und im gesamten Betrieb darf keine Silage vorhanden sein: „Überhaupt keine Silage mehr einzusetzen, ist in der Praxis sehr schwierig. Sogar Emmentaler-Betriebe machen Siloballen, wenn das Wetter nicht passt und verfüttern sie anschließend an ihr Jungvieh oder verkaufen sie“, so Alfred Enderle.


Bayern bietet zwar mit der Investitionsbeihilfe von 25 % für Heutrocknungsanlagen im Sonderprogramm BaySL einen zusätzlichen Anreiz. Die Experten sind dennoch skeptisch: „Wir raten niemandem aktiv dazu, schon allein wegen der höheren Arbeitsbelastung“, so Wolfgang Natterer.


Weideprämie gefragt:

Auf deutlich mehr Resonanz stößt dagegen die Weideprämie – auch wenn es hier ebenfalls noch an Vermarktungsschienen fehlt. In Südbayern gehörte diese Prämie in der letzten Förderperiode zu den beliebtesten überhaupt: „Sie hat dazu beigetragen, dass viele Betriebe die Weidehaltung überhaupt weitergeführt haben“, ist Matthias Borst vom BBV, überzeugt. Diesen Effekt erhofft sich auch das Stuttgarter Ministerium, allerdings hat es die Prämie deutlich unflexibler gestrickt. So kann sie außer für Milchkühe nur für weibliche Rinder ab einem Jahr in Anspruch genommen werden. Die Tiere müssen vom 1. Juni bis 30. September täglich raus, d.h. auch bei Hitze und Starkregen. In Bayern gibt es bereits ab zwei Weidemonaten Geld, bei vier den Höchstsatz.


Wie viele Bauern im Ländle die Weideprämie beantragen, wird letztlich davon abhängen, wie aufwendig das geforderte Weidetagebuch zu führen ist: „Wir befürchten, dass hier eine gute Idee durch Bürokratie kaputt gemacht wird“, erklärt Horst Wenk vom Landesbauernverband (LBV) in Stuttgart. In dem Tagebuch soll nämlich tagesgenau aufgeführt werden, welche Tiere wann auf welcher Fläche sind: „Das macht kein Praktiker“, meinen Berater einhellig. Zum Vergleich: In Bayern wird die beantragte Weidegruppe einfach mit der HIT-Datenbank abgeglichen.


Viel fürs Grünland:

In beiden Bundesländern wird die alte Basisförderung fürs Grünland mit 50 €/ha von extensiveren Maßnahmen abgelöst. Die GV-Grenze von 2,0 GV/ha gibt es in FAKT nicht mehr. Dafür winken z.B. für die extensive Bewirtschaftung bis 1,4 GV bis zu 150 € statt bisher 100 €/ha. Für viehstarke Gebiete wie Oberschwaben mit durchschnittlich 1,9 GV/ha kommt diese Maßnahme allerdings nicht in Frage. Rausfallen werden aufgrund von Viehdichten über 1,4 GV/ha aber selbst viele Vollerwerbsbetriebe in den Tal- und Steillagen des Schwarzwaldes unterhalb von 600 m. „Weil gleichzeitig die Ausgleichszulage geändert wird, fehlen uns voraussichtlich bis zu 4 500 € im Jahr. So wird das Höfesterben hier weitergehen“, klagt Milcherzeuger Eckhard Schmieder aus Fischerbach.


In Bayern bleibt zwar zusätzlich zu 1,4 GV/ha die Option bis 1,76 GV/ha erhalten, aber auch dort könnte es im fünfjährigen Verpflichtungszeitraum Probleme geben. „Wenn in dieser Zeit z.B. Pachtflächen wegfallen, ist eine Abstockung des Bestandes unausweichlich“, mahnt Angelika Heringlehner vom AELF Kaufbeuren.


Über den Wegfall der Wiesennutzung erst ab 1. Juli sind die bayerischen Grünland-Betriebe nicht traurig. Alternativ dazu können sie jetzt für die extensive Grünlandnutzung an Waldrändern oder für artenreiches Grünland mit vier Kennarten 250 €/ha erhalten. Im Nachbarland gibt es dafür 200 €/ha, im alten MEKA III waren es sogar nur magere 60 €. Neu gibt es jetzt für Flächen mit sechs Kennarten sogar 240 €. Für die meisten Bergwiesen dürfte dieser Nachweis zwar kein Problem sein, allerdings fallen sie oft schon unter die Steillagenförderung oder den Vertragsnaturschutz. Im Talgebiet wird es sicher schwierig, die Arten überhaupt zu finden – vor allem fünf Jahre lang!


Bayern honoriert künftig übrigens auch den Erhalt von Streuobstbeständen mit 8 € pro Baum stärker als bisher. Um auf diese Summe zu kommen, müssen Betriebe in Baden-Württemberg mehr als drei Bäume pflegen. Für den Baumschnitt gibt es dort zwar jetzt 15 €, doch erst ist ein aufwendiges Pflegekonzept vorzulegen.


Wenig für Ackerbauern:

Im Ackerbau verabschiedet sich FAKT im Gegensatz zu KULAP von Maßnahmen, die bislang von vielen genutzt wurden. Dazu gehören z. B. die Mulchsaat oder der Einsatz emissionsmindernder Technik bei der Gülleausbringung. Viele Praktiker bedauern das. „Ich bezweifle, dass Betriebe z. B. die Mulchsaat trotzdem weiterführen. Viele kehren zum Pflug zurück“, so Gerhard Glaser, Milcherzeuger aus Schemmerhofen und zweiter Vorsitzender des LBV.


Die Betriebe begrüßen die Kombinationsmöglichkeiten von Maßnahmen mit den Vorgaben des Greenings auf der gleichen Fläche, ohne dass Prämien gekürzt werden. Die fünfgliedrige Fruchtfolge mit 10 % Leguminosen ist nur eine davon. Allerdings ist abhängig vom Standort sorgfältig zu prüfen, was sich gut kombinieren lässt: „In den Gunstlagen können die Betriebe wählen, ob sie die Fläche nur begrünen oder Leguminosen anbauen. Auf den schweren Böden in den Hochlagen wie z.B. auf der Baar tun sie sich dagegen schwerer, eine passende Maßnahme zu finden“, erklärt Dr. Andreas Butz von der LTZ Augustenberg. Letztlich spielt auch die Wirtschaftlichkeit der Kulturen eine Rolle: Erbsen und Ackerbohnen sind nicht sehr wettbewerbsfähig, und es ist fraglich wie sich die Soja-preise entwickeln.


Blühflächen besser honoriert:

Mit höheren Fördersätzen als bisher warten beide Länder für Blühflächen auf. „Auch weil dafür in Bayern künftig kein agrarökologisches Konzept mehr nötig ist, wird das Interesse steigen“, vermutet Horst Rost vom AELF Schweinfurt. In welchem Umfang Blühflächen angelegt werden, hängt aber auch davon ab, wie gut die vorgegebenen Mischungen an die jeweiligen Standorte angepasst sind. Etliche Fragen sind hier noch offen. „Wenn man zum Beispiel, wie derzeit diskutiert, vor der Saatbettbereitung kein Totalherbizid einsetzen darf, wird kaum ein Betrieb diese Maßnahme nutzen“, erklärt ein Pflanzenschutz-Berater.


Für den Gewässerschutz hat Baden-Württemberg außer der Winterbegrünung mehr zu bieten als Bayern: So sind z.B. Beiträge für die N-Depotdüngung mit Injektion, für Precision-Farming oder Strip Till geplant. Berater und Bauern sind sich aber schon heute einig, dass diese Techniken Randerscheinungen bleiben. Über die freiwillige Hoftorbilanz werden trotz der ausgelobten 180 € ebenfalls wenig Betriebe nachdenken. „Liefere ich mich damit nicht selbst aus?“, fragen sich viele.


Ausblick:

Die Meinungen zu den neuen Förderprogrammen sind gemischt. Intensiv wirtschaftende Grünland- und Ackerbauregionen sehen sich als Verlierer. Vor allem in Baden-Württemberg wird kritisiert, dass etliche Fördermaßnahmen nur für wenige Betriebe infrage kommen. Abschreckend wirkt auf viele auch der fünfjährige Verpflichtungszeitraum und der Mehraufwand an Bürokratie. Sogar ein Amtsleiter macht seinem Frust darüber Luft: „Greening und FAKT bedeuten für uns mehr Bürokratie, erst recht aber für die Landwirte. Von dem Willen zum Abbau der Schreibarbeit bleibt nichts mehr übrig.“ Silvia Lehnert

Die Redaktion empfiehlt

top + In wenigen Minuten wissen, was wirklich zählt

Zugang zu allen digitalen Inhalten, aktuelle Nachrichten, Preis- und Marktdaten - auch direkt per Mail

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.