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Auf den Punkt düngen

Lesezeit: 11 Minuten

Teilflächen passend zur Bodenart, der Versorgung und dem Ertragspotenzial düngen: Die Präzisionslandwirtschaft kommt jetzt auf Praxisbetrieben an.


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Möglichst gezielt und bedarfsgerecht düngen! Das gehörte von Anfang an zu den Zielen des Precision-Farmings. Aber nach früher Euphorie „jetzt ist alles möglich und zwar sofort“ setzte die Ernüchterung ein: Es gab viele Systeme, noch mehr bunte Karten aber praxisgerecht war das Ganze nicht.


Mittlerweile hat sich die Technik weiterentwickelt und einige Betriebe regeln bereits Dünger- und Kalkgaben oder die Saatmenge per GPS. Wir haben vier Praktiker besucht und mit spezialisierten Dienstleistern gesprochen.


Der Grund für das Interesse ist bei allen gleich: „Wir wollen mit der neuen Technik eigentlich zurück zur alten Zeit, wo der Bauer seine Flächen kannte und wusste, was an der jeweiligen Stelle genau richtig war“, bringt es einer der Betriebsleiter auf den Punkt. Dafür muss der Landwirt seine Flächen genau kennen – was bei wachsenden Betrieben schwieriger wird.


Wechselnde Böden:

Je größer die Betriebe und je wechselnder die Böden, desto mehr Vorteile bringen die Systeme. Die von uns befragen Pionier-Landwirte wollen nicht mehr nach einem beliebigen Schema Bodenproben ziehen, die dann einen Mittelwert mit beschränkter Aussagekraft ergeben. Das hat auch Biolandwirt Stefan Palme (51) vom Gut Wilmersdorf festgestellt. Der Betrieb liegt im Endmoränengebiet der Uckermark. Die Böden wechseln sehr stark (Ackerzahl 16 bis 60), das Gelände ist hügelig und es gibt reichlich Senken.


„Die üblichen Bodenproben haben uns einen durchschnittlichen pH-Wert gebracht, der eigentlich ganz in Ordnung war – doch das Pflanzenwachstum stagnierte. Da lag was im Argen.“ Vor allem die Leguminosen – für den Betrieb existenziell zur Stickstoffversorgung der Folgekulturen – reagieren sehr empfindlich auf zu niedrige pH-Werte. Nach der standortgerechten Bodenbeprobung stellte Stefan Palme teils extreme Unterschiede im pH-Wert von unter 5 bis über 7,5 auf einem Schlag fest.


Das bestätigt auch Andreas Muckwar, Geschäftsführer der Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH Beerfelde im Landkreis Oder-Spree. Er hat Schläge, die teils munter von 11 bis 47 Bodenpunkten wechseln. Muckwar hat mittlerweile für den gesamten Großbetrieb Ertragspotenzialkarten, die ihm bei der Düngung helfen. „Nach den ersten standortgerechten Bodenproben 2011 im Rahmen eines LEADER-Projekts erhielten wir komplett bunte Karten. Die Versorgungsstufen schwankten von A bis E. Dabei hatte das alte Probeverfahren im Standardraster oft die Stufe C ergeben.“


Die neuen Systeme bieten den Präzisionslandwirten unterschiedliche Möglichkeiten: Entweder können sie ihre Bestände möglichst gleichmäßig führen oder das Ertragspotenzial der Bodenart an Ort und Stelle gezielt ausreizen. Es geht den Praktikern nicht in erster Linie darum, Dünger einzusparen – Ziel ist vielmehr seine richtige Verteilung. Bestellung und Pflege könnten künftig automatisch mit der passenden Bearbeitungstiefe und individuell angepasster Saatstärke laufen.


Auch zur N-Düngung:

Dazu kommt die gezielte N-Düngung, bei der es unterschiedliche Strategien als Alternative zum 08/15-Standard gibt: Das manuelle Anpassen der Menge beim Ausbringen nach Know-how des Betriebsleiters, vielleicht unterstützt durch Ertragspotenzialkarten. Der Einsatz von Online-N-Sensoren. Oder das Erstellen von N-Applikationskarten auf Basis von Ertrags- und Bodeninformationen, die ein N-Sensor dann auf der Fläche mit seiner Echtzeitmessung kombiniert (z. B. Isaria-System).


Eine weitere Möglichkeit zum Nutzen der Ertragspotenzialkarten auf einem großen Schlag ist vielleicht das gezielte Stilllegen bzw. Begrünen von mehreren einzelnen Teilflächen, die das höchste Ertragsrisiko haben. So könnten sich z. B. die Greening-Auflagen erfüllen lassen, ohne die Filetstücke ruhen zu lassen (das ist allerdings nicht in jedem Bundesland möglich).


Der Weg zur Präzisionslandwirtschaft ist steinig. Vor allem das Verknüpfen der unterschiedlichen Daten ist bisher noch Arbeit für spezialisierte Dienstleister wie Dr. Stefan Hinck. Das Unternehmen FARMsystem ist als Startup an der HS Osnabrück gegründet worden.


Die Basis sind möglichst genaue Bodenkarten. Denn die Informationen aus der Bodenschätzung sind oft nicht genau genug. Deshalb beginnt die Kartierung meistens mit einer geoelektrischen Kartierung („Bodenscann“). Die Messsysteme, wie z. B. das EM 38 oder das Veris 3 100 ermitteln über ein elektromagnetisches Mess-System die (scheinbare) elektrische Leitfähigkeit des Bodens als EC-Wert. Dazu fahren Dienstleister mit dem Scanner in einem engen Raster über die Flächen. Die Bodenart (Sand-, Ton- und Schluffanteil) hat große Auswirkungen auf das Messergebnis. Dazu kommen weitere Einflüsse wie Bodenfeuchte, Nährstoffgehalt sowie Humusanteil. Allein sind die Karten aus der Leitfähigkeitsmessung nicht besonders aussagekräftig. Die Messwerte müssen interpretiert und eingeordnet werden.


Landwirte und Dienstleister versuchen nach der Leitfähigkeitsmessung möglichst viele weitere Informationen damit abzugleichen. Das geht mit Hilfe sogenannter GIS-Programme (GIS = Geografische Informationssysteme). Programme wie OpenJUMP oder QGis gibt es auch kostenlos. Die Programme können Rohdaten aus verschiedenen Quellen (EC-Werte, Ertragskarten, Luftbilder) als shape-Datensatz verarbeiten.


Informationen auswerten:

Mit der Software lassen sich dann verschiedene Karten in denselben Maßstab bringen und übereinander legen. Zeigt sich z. B. eine Auffälligkeit im EC-Wert, und ist diese an einigen Stellen einigermaßen deckungsgleich mit den Konturen einer Sandlinse aus der Bodenschätzung, ­lassen sich die Werte des Bodenradars besser interpretieren.


Datenmanager Dr. Stefan Hinck ist Bodenkundler und findet es wichtig, sich die Flächen beim Erstellen der Karten zudem vor Ort anzusehen. Die gleichen Erfahrungen hat auch Biolandwirt Palme gemacht. Er setzte sich sehr intensiv mit den Bodendaten auseinander. Um die Interpretation des Bodenscans zu verbessern, wurden bei ihm einige Flächen außerdem in einem sehr engen Raster durch das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim mit einem Spezialgerät auf den pH-Wert untersucht.


Zudem hat Stefan Palme diese Ergebnisse in Beziehung zum Höhenrelief des Ackers gesetzt. Es gibt z. B. einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem pH-Wert und den erodierten Kuppen (Lehm, Kalkmergel, hoher pH = weniger Kalkdünger) und den humosen Senken (mehr Sand, niedriger pH = mehr Kalk).


Zusätzlich hat der Landwirt „alte“ Erkenntnisse von Bodenkundlern ausgewertet. „Durch diese Arbeit habe ich unseren Standort erst richtig verstanden“, fasst Palme den Erfolg seiner Recherchen zusammen.


Andreas Muckwar nutzt auf einer Fläche den EC-Wert sogar viel tiefergehend. Im Rahmen eines Projekts zur teilflächenspezifischen Beregnung wurde ein Schlag unter einem Kreisregner (92 ha) vom Dienstleister Geophilus aus Schwielowsee in 25 cm Schritten bis in 1,50 m Tiefe gemessen. Denn unter der Schicht Decksand gibt es hier in unterschiedlicher Tiefe lehmige Schichten, das Wasserhaltevermögen wechselt. Da Wasser hier knapp ist, wurden so Applikationskarten für die Beregnung erstellt. Der sehr moderne Kreisregner hat 108 Einzeldüsen und regelt die Wassermenge automatisch über die Öffnungsimpulse der Düsen und die Fahrgeschwindigkeit.


Schicht für Schicht:

Je mehr Karten-Schichten (Map-Overlays) sich im GIS-Programm übereinander legen lassen, desto besser. Alle Praktiker haben die Erfahrung gemacht: Es ist nie ein einziger Faktor, der das Ertragspotenzial ausmacht. Die meisten Landwirte verwenden deshalb zusätzlich die Ertragskarten von Mähdreschern, möglichst von mehreren Jahren.


Oder sie binden Luftbilder in die Karten ein. Hier gibt es unterschiedliche Datenquellen. Zum einen „überfliegen“ Vermessungs- oder Katasterämter die Flächen regelmäßig. Oder Dienstleister bieten Luftaufnahmen per Drohne oder Flugzeug an. Einige Pionier-Betriebe haben sich mittlerweile sogar eigene, günstige Quadrocopter angeschafft, um sich ihre Flächen auch von oben ansehen zu können.


Besonders aussagekräftig sind nach Erfahrungen von Dr. Hinck Bilder, die zwei bis drei Tage nach der Bodenbearbeitung gemacht wurden, die unterschiedliche Feldaufgänge oder verschiedene Grün-färbungen der Bestände zeigen.


Je nach dem, von wann die Bilder stammen, lassen sich auch Aufnahmen aus Google-Earth mit einbinden. Und je nach Qualität der Bilder können spezielle Programme die unterschiedlichen Farben auf der Fläche zuordnen. Wenn die einzelnen Datenquellen zusammengeführt sind, ergibt sich ein recht genaues Bild über die verschiedenen Bodenarten und deren jeweiliges Ertragspotenzials. Auf dieser Basis lässt sich dann am Rechner eine Karte für die Bodenbeprobung erstellen. Je unterschiedlicher der Boden, desto kleinräumiger sollte der Beprobungsplan sein. Die von uns befragten Betriebe arbeiten mit Größen zwischen 1 und 5 ha. Eine Genauigkeit von 2 bis 4 m reicht bei den Einstichorten aus. Die Positionen der Proben werden gespeichert. Sie lassen sich wieder ansteuern, wenn die nächsten Bodenproben anstehen. So erkennt der Betriebsleiter sehr genau das Ergebnis seiner Maßnahmen.


Der Probennehmer bewegt sich per GPS über die Fläche. Zunehmend geht das automatisch. Einige Neuentwicklungen, wie z. B. das Gerät Speedprob von Nietfeld, können sogar während der Fahrt mit bis zu 12 km/h satellitengestützt Proben ziehen und sammeln.


Die Probenergebnisse lassen sich dann als Karten mit den jeweiligen Versorgungsstufen (Grundnährstoffe) sowie dem pH-Wert darstellen. Zusammen mit den Ertragspotenzialkarten sind sie die Grundlage für die Applikationskarten. Der Betriebsleiter gibt dazu seine Düngestrategie vor und die entsprechende Nährstoffmenge wird in den Karten hinterlegt. Der Dünger- oder Kalkstreuer regelt sich dann im Feld automatisch. Das setzt natürlich den Einsatz von Einzelnährstoff-Düngern voraus. Auch beim Ausbringen von Wirtschaftsdüngern wie Gülle oder Hühnertrockenkot arbeiten einige der befragten Betriebe mittlerweile GPS-gestützt. Eine weitere Möglichkeit ist das automatische Anpassen der Saatstärke je nach Boden. So lässt sich z.B. auf Lehmköpfen die Aussaatstärke deutlich erhöhen und an sandigen Stellen mit niedriger Feldkapazität reduzieren.


Auch ohne Dienstleister:

Die von uns besuchten Praktiker lassen die Karten bisher meist von Dienstleistern erstellen. Weil die Programme dazu aber übersichtlicher werden, wagen sich die Ersten selbst an diesen Schritt.


Das setzt die Bereitschaft voraus, sich an langen Wintertagen intensiv mit der Software auseinanderzusetzen. Stefan Palme hat sich tief in die Materie eingearbeitet und gibt zu, dass das nicht immer frei von Frustration war. Aus allen Datenschichten die finale Karte für einen großen Schlag zu erstellen – das „Malen nach Zahlen“ – kann seiner Erfahrung nach mehr als einen Tag in Anspruch nehmen. Das spätere Erstellen der Applikationskarten dauert allerdings dann nur noch wenige Stunden.


Andreas Muckwar lässt sich die Applikationskarten auf Basis der Bodenproben inklusive Düngeempfehlung von einem Dienstleister vorbereiten. Die Entscheidung, mit welchen Zu- und Abschlägen auf den einzelnen Teilflächen später tatsächlich gedüngt wird, behält sich der Betriebsleiter vor. Dazu klickt er sich am PC durch die Teilflächen und hinterlegt die Mengen. Den Zeitbedarf pro Teilfläche schätzt er mit ½ bis 1 Minute. Das Erstellen der Applikationskarten für den gesamten Betrieb zur nächsten Saison dauert so rund zwei Tage. Meist erledigt der Betriebsleiter das in Ruhe am Abend oder am Wochenende, wobei der Spaß bzw. das Interesse am System für ihn auch eine Rolle spielt.


Mittlerweile zeigen sich Erfolge. Die ersten Flächen wurden erneut beprobt, die Karten fallen weniger bunt aus, die Versorgung ist einheitlicher. Andreas Muckwar hat auch festgestellt, dass sich die Bestände gleichmäßiger entwickelten und Erträge stabiler waren.


Wichtig ist Stefan Palme, die „Hoheit“ über die Schlagdaten zu behalten: „Wenn man sich ausschließlich auf einen Dienstleister verlässt – was passiert beim Wechsel des Dienstleisters?“


Und die Kosten?

Der aufwendigste Teil ist der Einstieg, bei dem die Standortkarten und das Probenahmeraster erstellt werden. Ein Basisdatensatz mit geoelektrischem Messsystem kostet im Schnitt 10 bis 20 €/ha. Die Interpretation der Daten und das Einbinden weiterer Quellen verursacht weitere Kosten. Im ersten Jahr können so 50 bis 60 €/ha erreicht werden, allerdings inklusive der Bodenproben, die sonst auch bezahlt werden müssten. Wenn die Datenbasis steht, liegen die Kosten je nach Häufigkeit der Probenahme im Schnitt bei 20 bis 30 €/ha und Jahr. Durch seine Eigenleistung schätzt Stefan Palme seine Kosten auf rund 16 €/ha und Jahr. Durch die jetzt sehr gezielte Kalkung hat er einen Mehr-ertrag von 45 bis 90 €/ha festgestellt.


Zusätzliche Kosten fallen natürlich bei den Maschinen, also z. B. beim Düngerstreuer an. Am einfachsten ist es, wenn die Traktoren mit GPS ausgerüstet und die Anbaugeräte Isobus-fähig sind. Wenn „die Maschine einmal weiß wo sie ist“, ist die Ansteuerung der Dosierung nicht besonders anspruchsvoll.


Beim Ausbringen des Düngers funktioniert das Ganze nicht konturgenau, das ist ein Nachteil. Das kleinste Raster ist die Arbeitsbreite des Streuers bzw. das Raster der (festen) Fahrgassen. Meist werden die Applikationskarten dazu in Quadrate zerlegt, deren Kantenlänge der Streuerarbeitsbreite entspricht.


Denn unterschiedliche Dosiermengen über die Arbeitsbreite sind sehr aufwendig. Vor allem an „schrägen Grenzen“, also in den Übergangsbereichen von der einen zur anderen Bodenart, kommt es zwangsläufig zu technisch bedingten „Ungenauigkeiten“. Deshalb gilt auch: Je standortgerechter die Düngung, desto kleiner der Fahrgassenabstand.

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