Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich einen Enteignungsbeschluss einer Gemeinde aufgehoben. Um was ging es dabei konkret?
Herms: Eine Gemeinde aus Thüringen hatte der Betreibergesellschaft die Nutzung von Flächen verweigert, über die Stromkabel und Wege geführt werden sollten. Das Thüringer Landesverwaltungsamt hat daraufhin auf Antrag der Betreiberin eine Enteignung nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) für diese Flächen angeordnet. Dagegen hatte sich die Gemeinde gewehrt und bis zum BGH geklagt. Der BGH gab der Gemeinde recht und hob den Beschluss auf.
Wie hat der BGH die Entscheidung begründet?
Herms: Die Richter haben in dem Fall die Enteignung u. a. für rechtswidrig erklärt, weil die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Anlagen noch nicht vorlag. Dies schließt zwar eine Enteignung nicht gleich aus. Allerdings hätte die Enteignungsbehörde die Genehmigung für Bau und Betrieb der Anlage noch einmal eigenständig auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen müssen. Außerdem muss eine Enteignung dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Das ist nur dann der Fall, wenn es einen energiewirtschaftlichen Bedarf gibt. Hierzu muss die Behörde laut BGH auch Alternativen wie etwa andere Standorte oder Stromimporte aus angrenzenden Bundesländern oder dem Ausland prüfen. Die Bedarfsermittlung im vorliegenden Fall war dem BGH zu oberflächlich.
Was bedeutet das jetzt für Anlagenbetreiber?
Herms: Positiv aus Sicht der Erneuerbaren-Energien-Branche ist, dass der BGH eine Enteignung auf Basis des Energiewirtschaftsgesetzes wohl grundsätzlich für zulässig hält. Projektierer oder Betreiber von Anlagen können daher auch gegen den Willen des Grundstückseigentümers eine Enteignung durchsetzen. Damit hat das Urteil bisherige Rechtsunsicherheiten ein Stück weit beseitigt. Allerdings stellt der BGH sehr hohe Anforderungen an eine Enteignung. Ob diese überhaupt von den potenziellen Anlagenbetreibern erfüllt werden können oder aber dadurch die Enteignung zugunsten von Erneuerbare-Energien-Anlagen faktisch ausgeschlossen ist, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.