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Ukraine: Schwarze Böden und wenig Regen

Lesezeit: 10 Minuten

Beste Böden und knappes Wasser: In der Ukraine geht der Trend zur Mulchsaat. Unsere Entdecker haben Ackerbaubetriebe besucht.


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Schwarzerde, so weit das Auge reicht. Die Ukraine ist traditionell das Getreide-Anbaugebiet Osteuropas. Große Teile der mehr als 41 Mio. ha landwirtschaftlichen Nutzfläche verfügen über den wertvollen, sehr humusreichen Boden. Trotzdem trug die Ukraine laut FAO 2004 nur 1,8 % zur weltweiten Getreideproduktion bei. Deutschland kam im gleichen Zeitraum mit seinen 16 Mio. ha LN immerhin auf 2,25 %.


Beste Böden und gebremste Produktion. Liegt das am Missmanagement oder an falschen Anbauverfahren? Oder muss der Riese Ukraine nur geweckt werden, um die Märkte mit Weizen zu fluten? Das Team „Landtechnik für Osteuropa“ der Aktion Jugend-trifft-Landtechnik hat sich mit Amazone-Mitarbeitern auf den Weg gemacht, um nach Antworten zu suchen.


Die Landwirtschaft unterscheidet sich stark von unseren Verhältnissen. Vor allem findet man vier gänzlich unterschiedliche Betriebstypen: Kolchosnachfolge-betriebe, Holdings, Farmer-Betriebe und Hauswirtschaften. Vor allem viele Kolchosnachfolger halten sich seit Zusammenbruch der Landwirtschaft Mitte der 90er-Jahre nur mit äußerster Mühe wirtschaftlich über Wasser. Viele Direktoren der alten Genossenschaften setzen weiter verbissen auf traditionelle sowjetische Produktionsverfahren.


Die teils gigantischen Holdings mit ihren mehreren 10 000 ha gehören oft Industriellen, die ihr Geld außerhalb der Landwirtschaft „verdient“ haben. Bis zum Beginn der Wirtschaftskrise konnten sie sich teils moderne Maschinen aus dem Westen leisten und internationale Berater verpflichten. Doch durch die Wirtschaftskrise läuft auch auf diesen Betrieben längst nicht mehr alles rund. Ein gängiges Problem ist auch hier oft das begrenzte Know-how der Mitarbeiter.


Die Farmerbetriebe (im Schnitt ca. 70 ha) werden von den Eigentümern geführt und lassen sich vielleicht mit unseren Familienbetrieben vergleichen – wenngleich einige auch mehrere tausend Hektar bewirtschaften. Je nach finanzieller Ausstattung arbeiten diese Betriebe meist mit einem Mix aus alten russischen und neueren, westlichen Maschinen.


Die Hauswirtschaften haben teils weniger als 1 ha Fläche und konzentrieren sich vor allem auf die Tierhaltung (Milch, Fleisch) und den Gemüseanbau.


Schwarze Erde & viel Humus


Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Böden, die zu den fruchtbarsten der Welt gehören – wie passt das zusammen? Eine Antwort gibt die Schwarzerde selbst. Denn Schwarzerde kann nur im kontinentalen Klima entstehen: Nach dem langen Winter kommt es im Frühjahr auf den lösshaltigen Böden zu einem explosionsartigen Aufwuchs von Gräsern und anderen Steppenpflanzen. Im Frühsommer schließen sich dann lange Trockenperioden an, die Pflanzen verdorren und für den biologischen Abbau fehlt die Feuchtigkeit. Durch wühlende und mischende Steppentiere entstehen so über Jahrhunderte humusreiche, schwarz gefärbte Bodenauflagen bis zu 1,50 m Mächtigkeit. Und je weiter man in den noch trockeneren Süden kommt, desto mehr wandelt sich die schwarze Farbe zu Kastanienbraun.


Zwar können Schwarz-erden bis zu 200 mm Nie-derschlag pflanzenverfügbar speichern, doch die langen, kalten Winter und die sehr trockenen (Früh-)Sommer sorgen für ein deutlich höheres Ertragsrisiko. In zehn Jahren kommt es in der Ukraine ein- bis zweimal zu einer verheerenden Dürre (1/4 weniger Niederschlag als im langjährigen Mittel), die bis zu Totalausfall der Ernte führen kann. Also ist das Ertragspotenzial schon durch das Klima deutlich niedriger als im humiden Westeuropa.


Falsche Bodenbearbeitungs-Systeme verschärfen die Situation. Zu intensive Bearbeitung bringt mehr Sauerstoff in den Boden und spornt den Abbau der organischen Substanz an. Richtig geht es dem Humus durch die beliebten Schwarzbrachen traditioneller Betriebe an den Kragen. Im Brachejahr bearbeiten sie den nackten Boden wieder und wieder, um Problemunkräuter wie die Quecke oder die Borstenhirse zu bekämpfen. Die sechs oder mehr Überfahrten kosten Wasser im Oberboden und fördern außerdem Winderosion, die als erstes die leichten Humusanteile erfasst. Bodenspezialist Dr. Tobias Meinel von Amazone schätzt, dass falsch bearbeitete Schwarzerden schon bis zur Hälfte ihrer organischen Substanz verloren haben. Dazu kommt, dass Ernteentzüge kaum ausgeglichen werden. Wenn die Ex-Kolchosen und Holdings das Stroh nicht bergen, setzen sie gerne auf Feuer als das billigste „Stoppelbearbeitungsgerät“.


Mit dem Humus gehen dem Boden Wasserhaltevermögen, Stabilität und Pufferwirkung verloren. Dazu kommt die Bodenverdichtung. Kaum ein Traktorist ist so gut ausgebildet, dass er von sich aus den Reifendruck seines Schleppers reduzieren würde, um den Boden zu schonen. Die meisten Traktoren rollen mit unverändertem Transportluftdruck vom Tieflader aufs Feld. Vor allem beim Pflügen mit hohem Reifendruck und Schlupf entstehen verdichtete Schichten. Dazu kommen die hohen Radlasten der allgegenwärtigen Kamaz-Lkw, die mit ihren Straßenreifen kreuz und quer über den Acker fahren.


Wenig Abwechslung in der Fruchtfolge


Enge Fruchtfolgen mit teils mehr als 50 % Sommergetreide sind beliebt. Und das, obwohl das Zeitfenster im Frühjahr besonders eng ist. Oft wird die Saat in den gerade erst auftauenden Boden regelrecht reingeschmiert – aus Termingründen geht es nicht anders. Eine korrekte Ablagetiefe lässt sich mit alten Schleppschardrillen ohnehin kaum einhalten. Fehlt danach der Regen, hat die Saat kaum noch eine Chance. Die Betriebe versuchen, mit hohen Saatmengen gegenzusteuern. Tobias Meinel schätzt, dass sich mit den richtigen Anbauverfahren bis zu 30 % Saatgut einsparen ließen. Erfolgreichere Betriebe denken um: Nach und nach setzen sie auf Winterungen mit höherem Ertragpotenzial – trotz erhöhtem Auswinterungsrisiko. Außerdem erkennen versierte Ackerbauern die Vorteile von Blattfrüchten wie Raps oder Erbsen in der Fruchtfolge. Hier lassen sich Gräser deutlich einfacher und günstiger bekämpfen als in den Getreidesommerungen. Erbsen bringen bis zu 60 kg Stickstoff in den Boden. Sie haben ihren Wert also auch, wenn die Ernte mal schiefläuft.


Pflügen, Mulchen oder direkt säen?


Nach wie vor spielt der Pflug bei der Bodenbearbeitung in der Ukraine eine wichtige Rolle. Je weiter man in den Norden kommt, desto mehr Wasser steht zur Verfügung. Tobias Meinel schätzt den Pfluganteil hier auf bis zu 70 %. Richtung Süden nimmt der Anteil ab, liegt aber immer noch bei 40 bis 50 %. Aus Sicht der ukrainischen Betriebe sprechen eine ganze Reihe von Argumenten für den Pflug: Traditionelle Arbeit ohne großen Anspruch an den Traktoristen, störungsarmer Einsatz der alten Drilltechnik, kaum Probleme mit Ernterückständen wie Stroh, Bekämpfung von Quecke, Drahtwürmern und Mäusen sowie das Fehlen von guten Pflanzenschutz-Fachleuten zur Krankheits- und Unkrautbekämpfung sprechen fürs Umdrehen des Bodens.


Auf der anderen Seite stehen die Probleme: Hohe Wasserverluste, teils sehr mühsame Saatbettbereitung, wenn der ausgetrocknete, verdichtete Boden nicht fachgerecht gepflügt wurde. Dazu kommen die geringere Schlagkraft und der eventuell höhere Dieselverbrauch.


Die Grenzen des Pfluges wecken in den Hauptschwarzerde-Regionen das Interesse an Mulchsaatkonzepten. Große Probleme macht dabei die mangelnde Strohverteilung bei der Ernte. Stroh gibt es reichlich. Sehr langstrohige Sorten sind nach wie vor üblich, Korn-Stroh-Verhältnisse von 1 : 1,5 nicht selten. Längst nicht alle Betriebe arbeiten mit Wachstumsreglern. Traditionell gilt gerade hohes Getreide als ertragreich.


Es gibt Lösungen: Beim Strohmanagement könnten diagonal zur Bearbeitungsrichtung eingesetzte (kanadische) Striegel helfen. Die Zinken verziehen das Stroh, schütteln Ausfallgetreide und Unkrautsamen heraus, bringen die Körner mit etwas Feinboden in Kontakt und hinterlassen darüber eine flache Strohmatte, die die Feuchtigkeit zurückhält. Mit ihren 18 m Arbeitsbreite und 15 bis 18 km/h erreichen die Striegel hohe Flächenleistungen.


An den Striegel-Bearbeitungsgang könnte sich auch ein flacher Arbeitsgang mit einer Kurzscheibenegge anschließen. Da diese Matte ein negatives Verhältnis Stroh/Boden hat, muss – wenn sich keine weitere Bodenbearbeitung anschließt – das Saatgut unbedingt darunter abgelegt werden. Das ist mit den traditionellen Maschinen dort kaum zu schaffen.


Direkt, Minimal oder Mulch?


Unter ähnlichen Klimabedingungen in Nordamerika haben sich Minimal-Bestellverfahren bewährt. Auch in der Ukraine kommen diese Verfahren nach und nach in Mode. Amazone setzt vor allem auf Zinken-Sätechnik. Die Zinken sind extra schmal gehalten, um die Saat durch die Strohmatte abzulegen und möglichst wenig Erde zu bewegen. Auch unter steinigen Bedingungen haben Zinkengeräte ihre Stärken. Viele Praktiker halten sich nicht strikt an die Trennung zwischen Direktsaat (Notill), Minitill (Minimalbearbeitung) und Mulchsaatkonzepten. Der Übergang ist oft fließend.


Die zur Agritechnica vorgestellte Zinkendrillmaschine Cayena ist einfach aufgebaut. Die Zinken werden nicht individuell in der Tiefe geführt, eine flache Vorarbeit ist unbedingt notwendig. Die DMC ist die klassische Zinkendrillmaschine, bei der jeder Zinken in der Tiefe geführt wird (18,75 cm Reihenabstand). Die DMC soll sich laut Amazone von der Direktbestellung bis hin zur klassischen Bestellung nach dem Pflug einsetzen lassen.


Bei der neuen Condor (bis zu 15 m Arbeitsbreite) läuft hinter jedem Zinken eine Tiefenführungsrolle, die gleichzeitig die Saat auf dem Boden andrückt. Die Maschine ist für die Direktbestellung vor allem auch in den Trockengebieten der GUS konzipiert. Doch das Geschwindigkeitslimit liegt bei 9 bis 10 km/h. Weil die Zinken keine seitliche Abschirmung haben, würden sie bei mehr Speed Erde auf die benachbarte Reihe werfen, was zu unterschiedlicher Überdeckung, bzw. ungleichmäßiger Ablagetiefe führt.


Bei der Mulchsaat übernehmen zunehmend mehrbalkige, universelle Grubberkonzepte die Schlüsselrolle. Doch 15 bis 20 cm Bearbeitungstiefe sind meist Standard. Auch hier fehlt oft das Know-how, um die Bearbeitungstiefe individuell den Bedingungen anzupassen.


Bei der Saat bieten sich vor allem zwei Systeme an: Eine „Universal-Drillmaschine“ mit integriertem Scheibenfeld zum Einebnen des Saatbetts (z. B. Cirrus). Die Saatgutablage übernehmen dann Scheibenschare, teils mit nachlaufenden Druckrollen. Größere Betriebe setzen teils auch auf entkoppelte Verfahren mit Solodrillmaschinen. Die zugkraftaufwendige Bodenbearbeitung kann so losgelöst von der Saat mit ihrem hohen Logistikbedarf ablaufen. Das Saatbett hat – falls notwendig – Zeit zum Absetzen.


Kurze Vegetationszeiten und Regenmangel sprechen für die Kombination von Saat und Unterfußdüngung. Diese Systeme wurden vor allem in den USA und Kanada entwickelt. Beim Single-Shoot dosiert das System den Dünger direkt in den Saatgutstrom der pneumatischen Drille. Die Maschine kommt mit einem Schar pro Reihe aus, allerdings ist die maximale Düngermenge begrenzt, um den Keimling nicht zu schädigen (Getreide max. 30 kg rein N, Raps max. 25 kg – was in den Trockengebieten beim ohnehin begrenzten Düngeraufwand meist kein Problem ist). Beim aufwendigeren Double-Shoot legt ein zweites Schar den Dünger separat etwas entfernt von der Saatreihe ab.


Eine weitere Herausforderung ist die Saatgutlogistik. Bei hoher Flächenleistung und besonders bei Gabe von Unterfußdüngung muss die Drille ständig mit Nachschub versorgt werden. Viele Hersteller lösen das über nachlaufende Saatwagen, so genannte Seed-Hopper. Nachteil: Der Zug wächst deutlich in der Länge und das Zurücksetzen in Keilen oder am Vorgewende ist kaum möglich.


Ukraine wird zum Mulchsaatland


Die besten Böden bringen keinen Ertrag, wenn das Wasser fehlt. Traditionelle Verfahren mit engen Fruchtfolgen, Schwarzbrache und hohem Pfluganteil kosten Wasser, fördern den Humusabbau und die Winderosion.


Fortschrittliche Betriebe in der Ukraine setzen mehr Winterungen ein und lockern die Fruchtfolgen mit Blattfrüchten auf. Minimalbestellung und Mulchsaatkonzepte entwickeln sich, auch wenn der Pflug noch seine Bedeutung behalten wird. Die Direktbestellung ohne Bodenbearbeitung geht vom trockenen Süden der Ukraine aus, doch sie wird sich nach und nach auch in Richtung Norden ausbreiten können. G. Höner

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