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Verkehrsrecht: Strenger beim Streuer

Lesezeit: 9 Minuten

Warum braucht ein Streuer ein Kennzeichen, Versicherung und TÜV, wenn dieSpritze ohne fahren darf? Über diese und weitere Klippen bei Fahrten mit angehängten oder selbstfahrenden Arbeitsmaschinen haben wir mit Heinz Haarlammert gesprochen.


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Die von uns erfundenen Landwirte Hubert Hilmer und Dietmar Grevener sind Nachbarn und beide sind im Frühjahr unterwegs, um die Startgabe im Getreide zu düngen. Hilmer bringt den Mineraldünger mit seinem brandneuen angehängten Düngerstreuer aus, Grevener spritzt Flüssigdünger per Anhängesspritze.


Hubert Hilmer wird mit seinem Gespann von der Polizei gestoppt und sieht sich massiven Vorwürfen ausgesetzt: Der Streuer hat keine eigene Zulassung, dafür aber einen 40 km/h-Aufkleber. Die Beamten schreiben eine Anzeige wegen eines Zulassungs- u. Versicherungsverstoßes. Hilmer kassiert außerdem einen Punkt in Flensburg.


Sein Kollege Grevener hat ans Heck seiner ziemlich gebrauchten Spritze nur einen 50 km/h-Aufkleber geklebt und ein Wiederholungskennzeichen des Schleppers angeschraubt – und fährt ohne jede Beanstandungen mit Vollgas an der Kontrolle vorbei. Warum wird Dietmar Grevener nicht auch gestoppt?


Der entscheidende Unterschied liegt in der Einstufung der beiden Maschinen. Obwohl beide Pflanzennährstoffe ausbringen und gleich schwer sind, gilt die Spritze als angehängtes Arbeitsgerät und der Düngerstreuer wird als Transportanhänger eingestuft. Mit mehr als 25 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit (bbH) ist er damit zulassungspflichtig. Er teilt sein „Schicksal“ mit Dungstreuern und Güllefässern, die ebenfalls als Transportanhänger gelten, auch wenn z. B. Schleppschläuche oder ein Güllegrubber fest angebaut sind. Dagegen gehen Rund- oder Quaderballenpressen, Pflüge, Grubber, Eggen, Walzen, Sämaschinen aber auch Kartoffelroder, Holzhacker und sogar Obstpressen problemlos als Arbeitsgeräte durch.


Privilegierte Geräte:

Im Gegensatz zum Anhänger genießen die angehängten Arbeitsgeräte eine ganze Reihe von Privilegien:


  • Arbeitsgeräte sind unabhängig von der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit gemäß Fahrzeugzulassungs-Verordnung (FZV) zulassungsfrei. Eine Betriebserlaubnis reicht.
  • Die Arbeitsgeräte sind von der Pflichtversicherung befreit (bei Unfällen greift die Haftpflicht des Traktors).
  • Und, das wissen nur die wenigsten, die Arbeitsgeräte brauchen nicht zum TÜV – selbst bei mehr als 40 km/h Höchstgeschwindigkeit nicht.
  • Am Arbeitsgerät sollte ein Wiederholungskennzeichen des ziehenden Traktors montiert sein, wenn das Gerät das Schleppernummernschild verdeckt. Sind mehrere Schlepper auf den Betrieb zugelassen, reicht das amtliche Kennzeichen eines der Traktoren auf dem Betrieb. Bei gemeinschaftlich genutzten Geräten ist es besser, das Kennzeichen passend zum einsetzenden Betrieb zu wechseln. Die Kennzeichen müssen allerdings professionell sein, ein selbst gemaltes Papp- oder Blechschild reicht nicht (eigene Bastellösungen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden).
  • Die Art der Anhängung am Schlepper, also Zugmaul, Kugelkupplung oder Unterlenker, spielt für die Einstufung als Arbeitsgerät übrigens keine Rolle. Die weit verbreitete Praktikeransicht, dass ein Tieflader für Ackergeräte auch als Arbeitsgerät gilt, solange er in den Unterlenkern angehängt ist, stimmt nicht.
  • Sobald das Gerät auf einem (Stütz-)Rad über die Straße fährt, gilt es als „angehängt“ und nicht mehr als „angebaut“.
  • Anders als bei schnellen Anhängern (und damit bei Dungstreuern bzw. Güllefässern) sind Unterfahrschutz und Radabdeckungen nicht vorgeschrieben. Aber natürlich müssen verkehrsgefährdende Teile abgedeckt bzw. mit Warntafeln gekennzeichnet werden. Alles was mehr als 2 m über der Fahrbahn angebracht ist, gilt nicht mehr als verkehrsgefährdend.
  • Bei mehr als 3 t zulässigem Gesamtgewicht braucht das Arbeitsgerät eine Betriebs-, Abreiß- und Feststellbremse.


Komplett ohne Auflagen kommt aber natürlich auch das angehängte Arbeitsgerät nicht aus: Ab 3 t ist eine „Betriebserlaubnis“ erforderlich (eine Ausnahme gilt für land- oder forstwirtschaftliche (lof-) Arbeitsgeräte, die vor dem 01.04.1976 gebaut wurden).


Aufgepasst: Die „Betriebserlaubnis“ ist nicht immer Teil des Herstellerangebots. Deshalb müssen Landwirte beim Maschinenkauf unbedingt darauf achten, ob diese Papiere vorhanden sind. Hier gibt es mögliche Fallen: Vor allem günstige Importmaschinen, wie z. B. Walzen oder größere Grubber, werden gerne ohne dieses Dokument geliefert. Die Typ- oder Einzelgenehmigung für die Teilnahme am Straßenverkehr kann dann aufpreispflichtig sein.


Manche Händler halten auch unwissentlich die EG-Konformitätserklärung in der Betriebsanleitung für die Betriebserlaubnis und sehen sich nicht in der Pflicht. Doch diese Erklärung bezieht sich ausschließlich auf die Maschinenrichtlinie, also auf die Arbeitssicherheit, und nicht auf den Straßenverkehr.


Es wird noch etwas komplizierter: Selbst wenn die Typ- oder Einzelgenehmigung vorliegt, kann es noch nicht losgehen. Denn der Halter muss mit diesem Gutachten zunächst zum Straßenverkehrsamt und es dort vorlegen. Erst mit einem Stempel im Gutachten erteilt das Straßenverkehrsamt die Betriebserlaubnis (39,80 € Gebühr).


Beim Amt anmelden:

Leider funktioniert das in der Praxis nicht immer reibungslos, weil die Mitarbeiter im Amt besonders Pflanzenschutzspritzen oft nicht als Arbeitsgerät sondern nur als zulassungspflichtigen Anhänger anerkennen wollen. Dabei wurden angehängte Pflanzenschutzgeräte bereits 1994 nach einer Einzelentscheidung durch das Ministerium für Verkehr unabhängig von ihrer Nutzlast als angehängtes Arbeitsgerät eingestuft. In einem Verzeichnis werden seit 13.11.2000 diverse Arbeitsgeräte mit ihren Schlüsselnummern benannt. Hier kann der Mitarbeiter der Behörde nachsehen.


Der Gang zum Straßenverkehrsamt lohnt sich: Fahren ohne Betriebserlaubnis kostet 70 € plus Verwaltungsgebühren plus einen Punkt. Es reicht aber, wenn die Papiere zu Hause liegen, sie müssen nicht bei jeder Fahrt mitgeführt werden. Und noch etwas ist wichtig: Oft enthält die Betriebserlaubnis zusätzliche Auflagen für Straßenfahrt, z. B. das Starrstellen der Schwenkdeichsel beim Kartoffelroder oder das Arretieren der Lenkung bei der Spritze. Sollte es zum Unfall kommen, wird der Sachverständige das garantiert überprüfen. Auch wenn es nicht zum Unfall kommt: Fällt bei einer Polizeikontrolle auf, dass die Auflagen nicht beachtet wurden, gibt es eine Ordnungswidrigkeitenanzeige, die 60 € Strafe plus Verwaltungsgebühren und einen Punkt zur Folge hat.


Ärger mit dem Telelader


Alfons Deitermann hat richtig Stress am Hals: Mit seinem neuen Teleskoplader – ein schickes Gerät mit 40 km/h, Druckluft-Anhängerbremse und automatischer Anhängerkupplung – hat er zwei volle Anhänger mit Siloballen nach Hause transportiert. Ein Kennzeichen hat der Lader nicht – es handelt sich ja um eine selbstfahrende Arbeitsmaschine, denkt Deitermann. Das sehen die Kollegen von der Verkehrspolizei komplett anders.


Denn nur Arbeitsmaschinen bis zu einer bbH von 20 km/h brauchen kein eigenes Kennzeichen. Sie sind über die Betriebshaftpflicht versichert. Es reicht ein „Firmenschild“ an der linken Seite mit Sitz des Betriebes (oder Vorname, Name und Wohnort). Eine Betriebserlaubnis ist notwendig, sobald die bbH über 6 km/h liegt.


Schon ab 20 km/h bbH wird die Sache aufwendiger. Die vielfach von Landwirten genannte bbH von 25 km/h spielt hier keine Rolle. Die schnellere selbstfahrende Arbeitsmaschine bleibt zwar im Prinzip zulassungsfrei, benötigt aber jetzt ein eigenes amtliches Kennzeichen. Dann besteht auch eine eigene Kfz-Versicherungspflicht. Weil sich Alfons Deitermann die Haftpflichtversicherung für seinen Telelader gespart hat, kassiert er eine Strafanzeige (Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz).


Sobald ein amtliches Kennzeichen montiert ist, muss die Arbeitsmaschine außerdem alle 2 Jahre bei der Hauptuntersuchung (TÜV, DEKRA) vorgestellt werden. Selbstfahrende Arbeitsmaschinen sind aber immer – auch bei gewerblichem Einsatz – steuerfrei und erhalten somit grüne Kennzeichen.


In den Datenbestätigungen für das Fahrzeug – die Grundlage für die Betriebserlaubnis sind – stehen häufig spezielle Auflagen für Straßenfahrten. So enthalten die Unterlagen für einen Teleskoplader z . B. den Hinweis, dass der Hebel für die Lenkungsarten mechanisch arretiert sein muss oder dass man für Fahrten mit bestimmten Schaufeln wegen der Einschränkung des Sichtfelds eine Sondergenehmigung benötigt.


Und auch wegen der Anhänger handelt sich Alfons Deitermann Ärger ein. Denn eine selbstfahrende Arbeitsmaschine darf nur dann einen Anhänger ziehen, wenn darauf Arbeitsgeräte mitgeführt werden, also z. B. eine Ballenzange beim Telelader oder das Schneidwerk beim Mähdrescher.


Der Transport von Gütern ist meist verboten. Der Telelader verliert so seinen Status als selbstfahrende Arbeitsmaschine. Deitermann bekommt mit seinen zwei Ballenanhängern obendrauf noch eine Anzeige wegen des Zulassungsverstoßes. Dabei ist die Rechtslage hier nicht ganz eindeutig: Denn viele Lader haben als selbstfahrende Arbeitsmaschine mit eingetragener Kupplung in der Betriebserlaubnis einen Hinweis, dass „ein Anhänger mit landwirtschaftlichen Bedarfsgütern bzw. Erzeugnissen“ mitgeführt werden darf.


Als Traktor zulassen!

Damit es aber keine Probleme gibt, lässt man in der Landwirtschaft Teleskoplader, die auch Anhänger ziehen sollen, besser als land- oder forstwirtschaftliche (lof) Zugmaschine zu: eigenes Kennzeichen, eigene Versicherung, aber natürlich steuerbefreit! Die meisten Hersteller sind darauf vorbereitet und stellen entsprechend die Papiere als Zugmaschine dazu aus.


Die Zulassung seines Teleskopladers als Ackerschlepper bringt für Alfons Deitermann einen weiteren Vorteil im Führerscheinrecht. Bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen erlaubt der Führerschein der Klasse L nur eine bbH von 25 km/h – ist der selbe Lader als Traktor zugelassen, reicht die Führerscheinklasse L dagegen bis 40 km/h bbH (ein Vorteil z. B. für Aushilfen, die nur den Pkw-Führerschein B haben, der die Klasse L mit einschließt). Die Klasse T erlaubt Zugmaschinen bis zu 60 km/h und Arbeitsmaschinen bis 40 km/h.


Die Gesetze halten weitere Spitzfindigkeiten bereit: Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass ein selbstfahrender Futtermischwagen als Arbeitsmaschine eingestuft wird. Denn die Definition dafür lautet: „Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihrer besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Leistung von Arbeit, nicht zur Beförderung von Personen und Gütern bestimmt und geeignet sind.“ Dem Futtermischer mit seiner Entnahmefräse, dem Mischbehälter und dem beengten Fahrerhaus verwehrt das Gesetz aber hartnäckig den Status als Arbeitsmaschine (obwohl der VDMA bereits häufig an entsprechender Stelle interveniert hat). Der FuMiWa läuft als Sonder-Kfz und muss sogar versteuert werden.


Beim Führerscheinrecht sieht es komplett anders aus: Hier reicht ein Führerschein der Klasse L, wenn der Mischer nicht schneller als 25 km/h fahren kann und die Klasse T für Futtermischwagen bis 40 km/h bbH.Guido Höner

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