Die europäischen Reifenhersteller sind nervös: Ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland würde die Chemiebranche hart treffen. Ein Ausfall ganzer Anlagen würde eine Kettenreaktion in der gesamten verarbeitenden Industrie auslösen, berichten Medien und warnen vor Produktionsausfällen bei Granulaten, Klebstoffen oder Kunstfasern.
Ein strategisch wichtiger Stoffen sei Ruß, der in der Elektroindustrie, für Farben, Reifen oder Gummidichtungen benötigt wird. Rund 60 % des Industrierußes kommen aus Russland. Schon jetzt sei der Mangel bemerkbar und lasse sich an den Preisen ablesen, heißt es. Landwirte und Autobesitzer sollten sich daher jetzt noch schnell mit neuen Reifen eindecken, falls der Kauf eh ansteht. Denn diese enthalten gleich mehrere Kilogramm Ruß.
Mangel bereits jetzt spürbar
Der Reifenhersteller Conti habe bereits seine Prognose für das laufende Jahr nach unten korrigiert, ist zu lesen. Allein in der Reifensparte erwartet der Konzern einen Anstieg der Kosten für Beschaffung und Logistik im Vergleich zum Vorjahr um rund 1,9 Mrd. €. Laut Spiegel ist das fast doppelt so viel wie noch einige Wochen zuvor vorausgesagt.
Im Geschäft mit Sommerreifen schlägt sich die Entwicklung noch nicht mit aller Härte nieder, weil deren Produktion von den jüngsten Kostensprüngen noch vergleichsweise wenig betroffen war. Der Preis für einzelne Reifen sei seit Jahresbeginn trotzdem um 15 % gestiegen. Für den Herbst erwarten Branchenkenner dann den großen Knall.
Auch Michelin hatte einige seiner europäischen Werke schon drosseln müssen. Marktbeobachter sähen bereits die Gefahr, dass Reifen in den kommenden Monaten zur Mangelware würden.
Ausprobiert: Wie ein kleiner Praxistest im April zeigte, war die Liste passender Traktorreifen bei einem Fachhändler schon bei der Bestellung recht ausgedünnt. Und wenige Tage später meldete sich der Verkäufer, dass auch der gewählte Reifen nun doch nicht lieferbar sei. Die Alternative war dann allerdings zwei Tage später geliefert und aufgezogen.
Altreifen bald wertvoller Rohstoff?
Der Mangel könnte aber auch eine Chance sein. So schreddert eine erste Anlage Altreifen und spaltet das Altgummi bereits im industriellen Maßstab auf. Als Partner sind Continental, Michelin und BASF im Boot. Bis genügend Anlagen errichtet sind, um die Lieferausfälle aus Russland auszugleichen, wird es aber noch ein paar Jahre dauern.
Auf den Höfen liegen jedenfalls noch reichlich Altreifen vom Silo, die bislang für meist 3 €/Stück beim Recyclinghof abgegeben werden mussten. Vielleicht sind sie in Zukunft bares Geld wert, ebenso wie die großen abgefahrenen Treckerreifen.