Wissenschaftler der Universität Hohenheim kooperieren mit Partnern aus 10 Ländern, um den Eiweißpflanzenanbau voran zu bringen. Dafür gibt es Forschungsmittel in Höhe von 5 Millionen Euro von der EU. Ziel des Projektes ist auch die Erarbeitung von politischen Empfehlungen für Förderinstrumente.
„Sie sind eine wertvolle Proteinquelle für Mensch und Tier: Hülsenfrüchte wie Erbsen oder Bohnen sind besonders für Vegetarier wichtig auf dem Speisezettel, und Soja ist aus der Tierernährung nicht mehr wegzudenken. Europa hat dabei jedoch ein Problem: Hülsenfrüchte – auch Körnerleguminosen genannt – wachsen nur auf gut zwei Prozent der Ackerflächen, so dass die EU in hohem Maße auf Importe angewiesen ist“, so leitet die Universität Hohenheim ihren Werkstattbericht über ihre Forschungsbemühungen zum Leguminosenanbau ein.
Ein neues europaweites Forschungsprojekt mit dem Namen TRUE (TRansition paths to sUstainable legume-based systems in Europe), an dem Pflanzenbau-Experten, Agrarökonomen und das Forschungszentrum für globale Ernährungssicherung und Ökosysteme (GFE) der Universität Hohenheim beteiligt sind, widmet sich dem Leguminosenanbau. Insgesamt haben sich in dem Projekt 24 Projektpartner aus 10 europäischen Ländern und Kenia zusammengeschlossen, um Anbausysteme und Nahrungsmittelketten in der EU zu untersuchen
Erfolgsgeschichten von Linsen und Soja
Leguminosen haben eine Eigenschaft, die ökonomisch und ökologisch von großem Vorteil ist: Sie binden mit Hilfe von Bakterien in ihren Wurzelknöllchen den Stickstoff der Luft. „Sie produzieren ihren Dünger gewissermaßen selbst und verbessern den Boden für die nachfolgenden Kulturen“, erklärt apl. Prof. Dr. Sabine Gruber, Pflanzenbau-Expertin an der Universität Hohenheim. Gemeinsam mit Dr. Sabine Zikeli, Koordinatorin für ökologischen Landbau und Verbraucherschutz der Universität Hohenheim, führt sie zwei der insgesamt 24 Fallstudien des Projektes durch. Die Erfolgsgeschichten von Linsen und Soja stehen im Fokus der Forscherinnen.
„Sojaanbau gab es früher in Deutschland überhaupt nicht, und Linsen wurden nach den 1950er Jahren kaum noch angebaut“, so apl. Prof. Dr. Gruber. „Doch in den letzten Jahren hat der Anbau bei beiden Pflanzenarten zugenommen. Bei Linsen wohl deshalb, weil die Verbraucher regionale Produkte heute sehr schätzen. Bei der Sojabohne, die eigentlich sehr wärmebedürftig ist, haben wir heute Sorten, die mit unserem kühleren Klima zurechtkommen. Und der Klimawandel tut ein Übriges.“
Soja als Vorbild für andere Leguminosen
„Soja wird vor allem in Biobetrieben immer häufiger angebaut“, fügt Dr. Zikeli hinzu. „Das ermöglicht kurze Lieferwege durch regionalen Anbau, mehr Unabhängigkeit von Importen und mehr Sicherheit, denn Bio-Kunden wollen keine gentechnisch veränderte Soja. Da deren Anbau in Deutschland verboten ist, gehen die Erzeuger und Verarbeiter hier kein Risiko ein. Außerdem profitiert die Sojabohne vom steigenden Interesse an veganer Ernährung – viele Bio-Sojabohnen werden zu Tofu verarbeitet und nicht zu Tierfutter.“ Die Daten der Wissenschaftlerinnen sollen helfen, besser zu verstehen, warum gerade diese beiden Leguminosen so erfolgreich sind. „Das kann auch anderen Leguminosen den Weg bereiten“, ist sich apl. Prof. Dr. Gruber sicher. „Die Kichererbse steht bereits in den Startlöchern.
Wirtschaftliche Auswirkungen einer Ausweitung des Anbaus
Die wirtschaftliche Seite des Leguminosen-Anbaus betrachten an der Universität Hohenheim die Agrarökonomen rund um Prof. Dr. Enno Bahrs und Prof. Dr. Christian Lippert. „Der Mangel an Ertragssicherheit und mangelnde Wirtschaftlichkeit gelten bislang als die größten Hemmfaktoren“, berichtet Dr. Beate Zimmermann vom Fachgebiet Landwirtschaftliche Betriebslehre. „Wir wollen wissen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen eine Ausweitung des Anbaus hätte und wie es mit der Wettbewerbsfähigkeit aussieht."
Die Forscher stellen anhand der Daten typischer Betriebe einer Region zunächst die Ist-Situation dar und simulieren anschließend am Computer, wie neue Produktionsverfahren, stabilere Erträge oder Preise die Wettbewerbsfähigkeit des Leguminosenanbaus verändern würden. „Auch die Auswirkungen verschiedener politischer Förderinstrumente beziehen wir ein“, erklärt Dr. Zimmermann.
Akzeptanz von Landwirten ist wichtig
Wichtig sei auch die Akzeptanz bei den Landwirten. „Vor allem in Bezug auf die Ertragsvarianz möchten wir wissen, welches Risiko Landwirte bereit sind einzugehen.“ Hinzu kämen bei der Betrachtung auch ökologische Größen wie Treibhausgasemissionen oder Stickstoff-Bilanz. Koordiniert werden die Arbeiten an der Universität Hohenheim am Forschungszentrum für globale Ernährungssicherung und Ökosysteme (GFE). Dazu organisiert das Forschungszentrum Veranstaltungen, an denen sich die Projektpartner mit Landwirten, Firmen, Organisationen und Verbrauchern treffen. Bis zum Ende des Projektes soll so ein europaweites Leguminosen-Netzwerk entstehen. Auch der Dialog mit der Politik hat einen hohen Stellenwert in dem Projekt. „Ein konkretes Ziel des Projektes ist die Erarbeitung von politischen Empfehlungen“, erklärt Alicia Kolmans, Leiterin des GFE, „etwa für Förderinstrumente im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die die Wettbewerbsfähigkeit der Leguminosen-Anbauer gewährleisten.“