Wie können neue molekularbiologische Züchtungstechniken nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angewendet und rechtliche Hürden abgebaut werden? Darüber diskutierten vergangenen Montag Agrarjuristen sowie Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Landwirtschaft und Behörden im Rahmen des Berliner Forums.
Die Referenten und die Diskussion verdeutlichten, dass es einer weiteren Differenzierung bei der Einstufung der neuen Züchtungsmethoden bedarf. Ohne diese wird es den europäischen Züchtern praktisch unmöglich gemacht, neue Methoden zu nutzen. Das Gentechnikrecht müsse zeitnah an den wissenschaftlichen Erkenntnisstand angepasst werden, um für neue Entwicklungen offen zu sein, zog Prof. José Martínez (DGAR) als Fazit.
Zunehmende Wetterextreme und Schädlingsresistenzen sowie schwindende Wirkstoffe bei den Pflanzenschutzmitteln verlangen von der Züchtung robuste, ertragsstabile Sorten. Neue Züchtungstechniken könnten den Weg dahin deutlich verkürzen, hob der Dr. Jon Falk von der Saaten Union hervor. Das hat das EuGH-Urteil jedoch verhindert. Stattdessen wird es auf lange Sicht dazu führen, dass weniger genetisches Ausgangsmaterial für die klassische Züchtung verfügbar sein wird. Auf Material aus Ländern, die keine Regulation nach Vorgaben des EuGH Urteils haben, wird man nicht mehr zurückgreifen können. Stiegen die Kosten für die Züchtung durch Reglementierungen und Wettbewerbsnachteile weiter an, würden Züchter ins Ausland abwandern sowie sich immer weiter auf lukrative Kulturen zurückziehen. Nischenkulturen könnten kaum noch züchterisch bearbeitet werden. Das wären in punkto Nachhaltigkeit eine fatale Entwicklung, so Falk. Dass es sich bei der gezielt erzeugten Punktmutation nicht um eine Transgenese handelt, stellte der Jurist Dr. Timo Faltus (Universität Halle-Wittenberg) noch einmal klar. Das Vorlagegericht hatte diese beiden Verfahren aber vergleichend eingeordnet. Der EuGH urteilte dann 2018, dass auch Pflanzen, die mit Verfahren der gezielten Punktmutation erzeugt wurden, pauschal als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen sind.