Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli vergangenen Jahres, wonach durch Mutagenese gewonnene Organismen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) anzusehen sind, sorgt auch im Europaparlament für kontroverse Diskussionen.
Bei einem Meinungsaustausch zwischen EU-Landwirtschafts- und Umweltausschuss gingen die Ansichten teils deutlich auseinander. Während Teile der Abgeordneten die Entscheidung der Luxemburger Richter begrüßten, äußerten andere Parlamentarier die Befürchtung, dass die europäische Pflanzenzucht durch das Urteil global gesehen ins Hintertreffen gelangen könnte.
Der finnische Umweltpolitiker von der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), Nils Torvalds, hält die neuen Züchtungsmethoden, zu denen unter anderem die Genschere gehört, für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und eine auch zukünftig hinreichende Nahrungsmittelproduktion „für unverzichtbar“. Diese Technologien seien unbedenklich. Zudem verwahrte sich Torvalds gegen das Argument, dass das Urteil des höchsten EU-Gerichts nicht kritisiert werden dürfe.
Der Erste stellvertretende Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Prof. Paolo De Castro, gab zu bedenken, dass es deutliche Unterschiede zwischen den bisher unter die GVO-Richtlinie fallenden transgenen Techniken und der Mutagenese gebe. Bei letzterer werde keine Fremd-DNA in den Organismus geschleust. Dies sei ein ganz entscheidender Unterschied und müsse klar getrennt werden, betonte der ehemalige italienische Landwirtschaftsminister aus der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D).
Anpassung gegenwärtiger Vorschriften
Beistand erhielt De Castro von seiner spanischen Fraktionskollegin Clara Eugenia Aguilera García. Zum einen müsse das Urteil respektiert werden; andererseits bestünden klare qualitative Unterschiede zwischen der „alten Gentechnik“, der Transgenese, sowie der sogenannten neuen Gentechnik, der Mutagenese, stellte auch Aguilera García fest. Hier müsse die Politik für eine Anpassung der Regelungen sorgen, forderte die stellvertretende Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses.
Als Konsequenz des Urteils pochte auch die Vizepräsidentin des Europaparlaments, die Irin Mairead McGuiness, auf einer Überprüfung und Anpassung der geltenden Rechtsvorschriften. Die EU-Kommission müsse jetzt dafür sorgen, dass neue Mutagenese-Technologien weiter verfügbar seien, betonte die Agrarpolitikerin der Europäischen Volkspartei (EVP).
Die Britin Anthea McIntyre von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) bezeichnete einen Verzicht auf Technologien wie CRISPR/Cas als „Luxus“, den man sich nicht länger leisten könne. Bisher würde etwa die Zucht einer neuen Grassorte bis zur Zulassungsreife durchschnittlich 18 Jahre dauern. Durch Mutagesese könne dies in Zukunft sehr viel schneller geschehen, gab die Britin zu bedenken.