Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Auf zahlreichen Dauergrünland- und Ackerfutterflächen steht derzeit noch viel Aufwuchs, andere Flächen waren wochenlang überflutet oder leiden unter lang anhaltender Staunässe. Derartige Situationen treten selten auf. Langjährige Erfahrungen gibt es deshalb nicht – grundsätzliche Handlungsempfehlungen aber schon.
Bei Frost Ruhe bewahren
Viele Landwirte befürchten ein erhöhtes Risiko von diversen Auswinterungsschäden (Schneeschimmel und sonstige Pilze, Frostschäden, Mäuseschäden) der überwachsenen Bestände und einen problematisch hohen Anteil an abgestorbenem Pflanzenmaterial beim ersten Schnitt im Frühjahr. Sie stellen sich daher die Frage: Ergibt eine Mahd Sinn, wenn der Boden bei Frost tragfähig ist?
Wichtig in diesem Zusammenhang: Mahd, Schwaden und Befahren gefrorener Bestände führen zu stärkeren Pflanzenschäden. Daher wird aus pflanzenbaulicher Sicht empfohlen, die Bestände während einer Frostphase völlig in Ruhe zu lassen, selbst wenn sich diese bis zum Frühjahr hinziehen sollte. Da in der Vegetationsruhe keine Regeneration von gemähten oder gemulchten Flächen stattfindet, können die bis dahin noch intakten vegetationsaktiven unteren Stoppelbereiche ausfrieren oder stark vernässen und faulen.
Die Vorgehensweise des „Nichtstuns“ widerspricht zwar dem Ziel, Graslandkulturen möglichst kurz durch den Winter zu bringen, um Auswinterungsschäden möglichst gering zu halten und im Frühjahr bessere Voraussetzungen für Gülledüngung und Pflegearbeiten zu schaffen.
Winterbeweiden mit Schafen
Eine Beweidung darf nicht zu nachhaltiger Bodenverdichtung und stärkeren Trittschäden durch Rinder führen. Grünland, das durch Tritt im Herbst oder Winter verdichtet wurde, braucht im Frühjahr deutlich länger zur Regeneration und Massenwachstum. Die Verdichtungen des Bodengefüges müssen zunächst durch Wurzelwachstum und Tätigkeit der Regenwürmer biologisch rekonstituiert werden. Dieser Prozess dauert einige Wochen bis Monate. Daher sind auf verdichteten Flächen mindestens im ersten Aufwuchs Ertragsdepressionen zu erwarten.
Der Vorteil von Schafen: Sie können wegen ihres geringeren Körpergewichts auch trittempfindliche Böden beweiden, ohne dass es zu derartigen Verdichtungen kommt. In Regionen mit bisher schon milden Wintern, wie im Küstenbereich und in Holland, ist Winterbeweidung mit Schafen weit verbreitet. Aber nicht nur dort, sondern auch in Regionen mit Wanderschäfereien, beispielsweise in Franken, werden Grünland und auch Ackerfutterflächen im Winter mit Schafen beweidet.
Nur kurze Beweidung in Portionen
Die so genutzten Pflanzenbestände profitieren von besserer Bestockung und werden im Winter auch weniger von Pilzen befallen. Das betrifft vor allem die Weidelgräser. Entscheidend: Nur kurze Beweidung in Portionen und anschließend lange Weideruhe. Nicht verwunderlich, dass derartige Bestände dann besonders ertragreich sein können. So auch eine Weidefläche in den Niederlanden, auf der über sechs Jahre (2013 bis 2019) wöchentlich die Flächenproduktivität festgehalten wurde. Mit im Mittel etwa 10.000 kg ECM/ha und Jahr erzielte der Betrieb eine Flächenproduktivität, die ansonsten nur noch von zwei von insgesamt 29 Betrieben aus dem norddeutschen Raum leicht übertroffen wurde.
Die Fläche liegt grundwassernah, im Winter kann wochenlang Wasser draufstehen, wobei ein Teil der Pflanzen immer aus dem Wasser ragt. Zu Beginn der Untersuchungen enthielt der Bestand nach mehreren Jahren Mob grazing viel Flechtstraußgras und Honiggras. Unter Kurzrasenweide im Sommer (Wuchshöhe meist unter 4 cm, bei Trockenheit auch nur 2 cm) und einer Schafbeweidung im Januar/Februar hatte sich innerhalb des Untersuchungszeitraums ein von Deutschem Weidelgras und Weißklee dominierter Bestand entwickelt. Beweidung zum Vegetationsbeginn sollte ebenfalls unterbleiben, da dies auf Kosten der Erträge des ersten Aufwuchses geht.
Überflutung? Ruhig bleiben
Viele Grünlandflächen bzw. -areale haben nach den ergiebigen Niederschlägen wochenlang unter Wasser gestanden oder das Wasser ist noch nicht in tiefere Bodenschichten versickert. Diese Situation ist häufig am Niederrhein oder entlang der Weser-, Ems- und Lippeauen zu beobachten. Hier gilt es, Ruhe zu bewahren und bis kurz vor Vegetationsbeginn zu warten und dann erst die möglichen Schäden zu beurteilen. Hier kann derzeit keine pauschale Schadensbeurteilung abgegeben werden, da es vielfältige Einflussfaktoren gibt und in den nächsten Wochen noch geben wird.
Nachdem im vergangenen Jahr aufgrund der nassen Frühjahrswitterung und des intensiven Wachstums auf dem Grünland nur vergleichsweise geringer Nachsaatbedarf bestand, kann die derzeitige Verfügbarkeit für Grünland-/Nachsaatmischungen im Handel als gut beurteilt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass ausreichend Saatgut, auch mit den von der Landwirtschaftskammer empfohlenen Mischungen und Sorten, erhältlich ist.
Aufwuchs einschleppen
Erfahrungsgemäß ist es immer wieder erstaunlich, wie gut sich selbst überwachsene Bestände im Frühjahr entwickeln, wenn man sie unter trockenen Bedingungen ein- bis zweimal mit der Schleppe bearbeitet und damit den abgestorbenen Blattanteil sehr schön in die Narbe einbröselt. Insbesondere, wenn die abgestorbenen Blätter der Gräser im Winter Frost ausgesetzt waren, zerbröseln diese regelrecht, wenn die Flächen beim Schleppen zuvor gut abgetrocknet sind.
Die Pflanzenreste lassen sich mit der Schleppe deutlich besser in die Narbe einreiben als mit dem Grünlandstriegel, der in dieser Situation eher nachteilig wirkt. Der Striegel zieht dagegen vor allem weniger mürbes Pflanzenmaterial heraus und es kommt bei den überwachsenen Beständen schnell zu Haufen oder Grasrollen.
Aufwuchs entsorgen
Wo eine Nutzung nicht mehr sinnvoll ist, aber trotzdem abgefahren werden muss, können die Aufwüchse bestenfalls in Biogasanlagen genutzt werden. Das gilt insbesondere für Bestände mit starken Absterbeerscheinungen, wie sie über den Winter typisch sind für Grasarten wie Knaulgras, Wiesenlieschgras, Wiesenschwingel, Rotschwingel, Glatthafer oder Goldhafer. Sind derartige Bestände stark überwachsen und mehr als 25 cm hoch, muss vermieden werden, dass zum Zeitpunkt der Grasernte größere Mengen von abgestorbenen und verpilzten Blättern in die Silage gelangen.
Die Ernte des für Futterzwecke unbrauchbaren Materials sollte allerdings nicht zu früh erfolgen, da vor allem nachfolgende Fröste vegetationsaktive Bereiche der unteren Stoppeln der Gräser schaden können, wie oben bereits dargestellt. Daher ist zu empfehlen, solche Aufwüchse erst kurz vor Vegetationsbeginn zu beernten (mähen, Schwaden, abfahren, entsorgen). Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Temperatursumme sowie dem Vegetationsbeginn auf dem Grünland sind die Hinweise der Informationsplattformen der Landwirtschaftskammer NRW zu beachten.
Pflegearbeiten wie Schleppen, Striegeln und Nachsaaten oder auch die Gülleausbringung sollten vor dem Abernten der überständigen Aufwüchse nicht durchgeführt werden.
Hochschnitt bei Ernte
Ist die Vegetation auf dem Grünland schon voll im Gange, sodass der Neuaufwuchs bereits durchschießt, kann es sinnvoll sein, solche Flächen tendenziell später als üblich zu beernten und den Rotteprozess der abgestorbenen Blätter abzuwarten. Wie schnell der Rotteprozess vonstattengeht, ist schwer zu prognostizieren, da hier Witterungseinflüsse (Temperatur, Feuchtigkeitsverhältnisse) und das C/N-Verhältnis der Blätter und Stängel einen wesentlichen Einfluss haben.
Zum Zeitpunkt der Ernte sollten betroffene Flächen in Augenschein genommen werden. Wenn noch nennenswert abgestorbenes Pflanzenmaterial sichtbar ist, ist auf jeden Fall ein Hochschnitt (mindestens 8 bis 10 cm) anzustreben. Auch die anderen Geräte der Erntekette (Zetter, Wender, Schwader, Pickup des Ladewagens bzw. des Feldhäckslers) sind entsprechend hoch einzustellen.