Historisch war immer ein Großteil der Bevölkerung nicht ausreichend mit Lebensmitteln versorgt, auch in Deutschland – bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dann setzte eine enorme Entwicklung in der Landwirtschaft ein. Verbesserte Technologien konnten hierzulande die Erträge um ein Vielfaches steigern. Lebensmittel wurden erschwinglicher, die Unterversorgung ging zurück, sodass heute Begriffe wie „Hunger“ und „Unterernährung“ nur noch mit armen Ländern im Globalen Süden assoziiert werden.
Im Laufe der Zeit hat sich der öffentliche Blick auf die Landwirtschaft gewandelt. Heute stehen in Deutschland vor allem die negativen Umweltwirkungen im Fokus. Oft heißt es: „Die Landwirtschaft trägt erheblich zum Klimawandel und Artenschwund bei. Der intensive Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln schadet Mensch und Natur.“ Und das stimmt auch. Wer aber den historischen Kontext und die Bedeutung der Landwirtschaft für die Ernährungssicherung vergisst, kommt zu dem Trugschluss, dass ertragreiche Produktion gar nicht mehr wichtig und Extensivierung das einzige Ziel für mehr Nachhaltigkeit sei. Dies spiegelt sich leider auch in der deutschen und europäischen Agrarpolitik wider.
Warum ist das ein Trugschluss? Nicht, weil die Landwirtschaft nicht umweltfreundlicher werden müsste, sondern weil eine ertragreiche Produktion nach wie vor wichtig ist. Weltweit steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln und Biomasse weiter an. Hunger ist in Afrika und Asien immer noch ein Problem, das sich durch den Klimawandel weiter verschärfen könnte.
Deutschland und Europa sind Gunststandorte: Wir haben beste Klima- und Bodenbedingungen und sind weniger negativ vom Klimawandel betroffen als die Länder im Globalen Süden. Deswegen müssen wir mit einer produktiven Landwirtschaft zur Weltversorgung beitragen und damit auch verhindern, dass anderswo immer mehr Regenwald für neue Agrarflächen gerodet wird.
Hunger hat viele Ursachen. Nachhaltiger zu konsumieren, Verluste zu reduzieren und die Verteilung gerechter zu machen, sind ebenfalls wichtige Hebel im Kampf gegen Hunger. Aber eine ausreichende Produktion bleibt vor dem Hintergrund der planetaren Grenzen eine wichtige Herausforderung.
Hohe Produktivität und Umweltschutz lassen sich nur zusammenbringen, wenn wir neue Technologien vorantreiben. Wir müssen proaktiv die Landwirtschaft von morgen entwickeln, und nicht die Landwirtschaft von vorgestern romantisieren.
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Der Streitpunkt zeigt, wie die Landwirtschaft von außen gesehen wird und ist nicht die Meinung der Redaktion. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar weiter unten.