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Ackerbau der Zukunft

Hubertus Paetow will auf DLG-Feldtagen mit Innovationen punkten

Landwirtschaftliche Produktionssysteme müssen resilienter werden, um Produktivität, Klimaschutz und Biodiversität unter einen Hut zu bringen. Wie das gelingen kann, erklärt Hubertus Paetow.

Lesezeit: 5 Minuten

Thomas Künzel von den DLG-Mitteilungen sprach mit DLG-Präsident Hubertus Paetow über die bevorstehenden Feldtage auf Gut Brockhof in Erwitte.

Künzel: Herr Paetow, der voranschreitende Klimawandel und zunehmende Biodiversitätsverlust, die weiter wachsende Bevölkerung und die damit verbundene globale Ressourcenbeanspruchung werden den zukünftigen Ackerbau prägen. Wie ist diesen Herausforderungen zu begegnen?

Paetow: Ich glaube, wir müssen wesentlich offener werden für alles, was sich grob im Bereich der Innovationen in Richtung von mehr Nachhaltigkeit einordnen lässt. Das Thema der Feldtage „Out of the box“ zeigt das. Wir tun uns natürlich schwer damit, Fortschritt auch so zu verstehen, dass man Gewohntes infrage stellt und nach neuem Ausschau hält. Insbesondere dann, wenn Gewohntes für die kurzfristige Betrachtung ganz gut funktioniert.

Im gesamten Instrumentenkasten der Innovationen dürfen wir auf keinen Fall von vornherein irgendetwas ausschließen. Weil das Problem die Lösung bestimmt, und nicht andersherum. Es wird uns weder 100 % Ökolandbau, noch 100 % Smart Farming oder 100 % Gentechnik helfen, sondern wahrscheinlich wird es eine Mischung aus allem werden.

Häufig wird so diskutiert, als gäbe es zwischen Produktion und Ökologie ausschließlich Zielkonflikte. Gibt es Innovationen, die beiden Zielen gleichermaßen zugutekommen?

Paetow: Zugegeben, einige Zielkonflikte sind mit den besten Formulierungen nicht wegzudiskutieren und auch mit technischem Fortschritt nicht aufzulösen. Diese triviale Weisheit, dass da, wo ein dichter Weizenbestand steht, es eben nicht genug Blüten für Bestäuberinsekten geben wird, ist nun einmal Tatsache. Und dass wir diesen Weizenbestand, der für die Flächenproduktivität notwendig ist brauchen, auch daran können wir mit Innovationen nicht viel ändern.

Es geht vielmehr darum, dies besser auszubalancieren. Da spielt der Begriff von Produktivität eine Rolle. Wir sind ja gewohnt, Produktivität in dt/ha zu messen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn es gehören natürlich genauso gut die Brutpaare der Feldlerche pro ha zur ökologischen Produktivität. Oder eben die Nitrateintragsvermeidung ins Grundwasser, etc. Und wie immer, wenn wir solche Konflikte haben, ist es am besten, wenn wir das irgendwie messen und ausbalancieren.

Ob öko, konventionell oder regenerativ – wenn wir Nachhaltigkeit objektiv bewerten können, dann ist auch die Bewirtschaftungsform egal?

Paetow: So sehe ich das. Es ist doch gar nicht ausgemacht, dass ein Ökobetrieb im Gesamtbild der Nachhaltigkeitsbewertung besser abschneidet als ein gut geführter konventioneller Betrieb. Insofern ist dieses Indikatorensystem davon abhängig, dass man sich darauf auch irgendwann einmal einigt. Das ist das größte Problem dabei. Die Indikatoren sind beschrieben, auch die Methodik der Erfassung und Bewertung.

Nehmen wir als Beispiel Farm-to-fork: Dafür wurden wild Indikatoren aus der Luft gegriffen. Ist denn tatsächlich 50 % Pflanzenschutzmittelreduktion ein brauchbarer Indikator für den Biodiversitätserhalt? Ich würde sagen Nein. Denn sie kann sich genauso gut entwickeln, wenn ich gar nicht so sehr den Pflanzenschutz reduziere, sondern z. B. eine weitere Fruchtfolge etabliere.

Auch wenn die SUR erst einmal vom Tisch ist, wird der Einsatz des chemischen Pflanzenschutzes zukünftig herausfordernder werden. Wie lassen sich hier Produktions- und Umweltinteressen austarieren?

Paetow: Es ist immer ausgesprochen nachteilig, wenn man in starren Kategorien über die Verbesserung von Nachhaltigkeit denkt. Wenn man öffentlich verkündet, dass man den Pflanzenschutzmitteleinsatz reduzieren will und das als Selbstzweck betrachtet, dann wird kein Unternehmen neue Wirkstoffe entwickeln, weil sie ja wissen, sie können diese nicht verkaufen.

Selbst wenn dieser Wirkstoff biodiversitätsschonend wäre. Und das ist der große Nachteil, wenn man beim Erstellen der politischen Instrumente das eigentliche Ziel – nämlich Biodiversitätserhalt – aus den Augen verliert.

Allein davon, dass wir nur noch die Hälfte spritzen, wird die Welt nicht besser. Es kann doch durchaus sein, dass wir dieses Ziel auf einem anderen Weg vielleicht sogar viel besser erreichen als mit einer starren Reduktion oder Gebietskulisse.

Viele sehen in der „Digitalisierung“ den Schlüssel für die Zukunft. Wo klemmt es noch und was verspricht Erfolg?

Paetow: Nun, es wird immer dann schwierig, wenn mehrere Komponenten zusammenspielen sollen und Daten gewisse Grenzen zwischen unterschiedlichen Systemen nicht überwinden können. Da gibt es noch erheblichen Nachholbedarf. Nehmen wir als Beispiel die kombinierte chemisch-mechanische Unkrautbekämpfung in Rüben, sprich also Bandspritzen und Hacken: Da haben Sie immer verschiedene Maschinenund Gerätehersteller involviert und keiner kann Ihnen ein System „out of the box“ – es funktioniert kurz nach dem Auspacken – anbieten. In diesem Bereich versuchen wir als DLG, mit einer Plattform wie Farm- Robotix vorwärts zu kommen.

Das größte Potential sehe ich bei KI-gestützten Entscheidungssystemen. Liegt der Schaderreger unter der Schadschwelle? Kann ich auf die Behandlung verzichten? Diese Entscheidung zu treffen und ins Risiko zu gehen, fällt vielen Betriebsleitern noch schwer. Wenn man durch den Einsatz von KI eine größere Sicherheit hätte, würde man sich leichter tun. Und: Am biodiversitätsschonendsten ist natürlich die Maßnahme, die ich gar nicht erst mache.

Sind Innovationen unterm Strich auch ein deutscher USP?

Paetow: Auf jeden Fall. Und wir müssen darauf achten, dass das auch so bleibt. Schließlich haben wir weder die geringsten Flächenkosten, noch die geringsten Lohnkosten – wir können nur über Effizienz Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Und die hängt von Innovationen ab. Jede politische Maßnahme, die den Spielraum für Innovationen beschränkt, muss wirklich sehr gut begründet werden. Über Innovationen können wir nach wie vor punkten, wir müssen nur aufpassen, dass wir mit dem zarten Pflänzchen sorgsam umgehen.

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