Die aktuelle Debatte um die Neonikotinoide lässt wenig Spielraum für eine Rückkehr der Wirkstoffe als Beizmittel. Die EU-Kommission will sie sogar für alle Anwendungen verbieten. Die Bundesregierung arbeitet noch an einer Positionierung zu diesem weitreichenden Neonikotinoid Verbot auf EU-Ebene.
Die Bundesregierung hat noch keine konkrete Meinung zu einem EU-weiten Neonikotinoid Verbot. Die Europäische Kommission hatte Ende März überraschend Verordnungsentwürfe vorgelegt, mit denen die Anwendung von drei neonikotinoiden Wirkstoffen (Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam) nur noch im Gewächshaus möglich bleiben soll. Damit wäre ein EU-weiter Ausstieg aus der Nutzung, sowohl für die Saatgutbehandlung als auch als Insektizid in der Vegetationsperiode, besiegelt. Die Verordnungsentwürfe der Kommission würden noch geprüft, eine Positionierung der Bundesregierung erfolge erst im Anschluss daran, teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) gegenüber top agrar mit. „Grundsätzlich begrüßt Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt ein Mehr an Bienenschutz auch auf Europäischer Ebene“, schreibt das BMEL weiter.
Rückkehr der Beizen in Deutschland unwahrscheinlich
Schmidt plant wohl das in Deutschland geltende Verbot für die Saatgutbehandlung in Raps und Getreide auch auf EU-Ebene verankern, wo bisher nur die Rapsbeize mit Neonikotinoiden untersagt ist. Eine Rückkehr der Beizmittel mit den Wirkstoffen für die Kulturen Raps und Getreide erscheint damit kaum noch wahrscheinlich.
Frankreich auf Seiten der EU-Kommission
Ob das Neonikotionoid Verbot auch für die Beize in Rüben und die Pflanzgutbehandlung von Kartoffeln sowie für die Anwendung als Insektizid in der Vegetationsperiode kommt, so wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, ist ungewiss. Mitte Mai soll es in Brüssel dazu eine Abstimmung unter den EU-Mitgliedstaaten geben. Frankreich wird aber vermutlich an der Seite der EU-Kommission stehen. Denn das Land hat bereits den nationalen Ausstieg aus den Neonikotinoiden für 2018 verabschiedet. Spätestens ab September 2020 wird dort ein nationales Verbot für gleich fünf neonikotinoide Wirkstoffe greifen. Bis dahin gibt es in Frankreich noch Ausnahmeregelungen.
Wirkstoffwechsel führt zur Verschärfung von Resistenzen
In Deutschland ist die Saatgutanwendung für die drei neonikotinoiden Wirkstoffe Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam in Raps und Wintergetreide bereits seit 2009 nicht mehr erlaubt. Die Absatzmenge dieser drei Wirkstoffe ist daraufhin von 150 Tonnen im Jahr 2008 auf 74 Tonnen im Jahr 2015 zurückgegangen. In der Konsequenz hat es einen Wechsel zu andren Wirkstoffen gegeben. „Der Wegfall der Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam hat zu einem vermehrten Einsatz anderer Wirkstoffe insbesondere aus der Gruppe der Pyrethroide geführt“, resümiert das BMEL die Auswirkungen des bisherigen Verbotes. Bei einigen Schadorganismen führe dies in erheblichem Ausmaß zu einer Verschärfung der Resistenzsituation gegenüber Pyrethroidhaltigen Pflanzenschutzmitteln, heißt es beim BMEL weiter.
Forscher ziehen Zusammenhang zwischen Neonikotinoiden und Artenrückgang
Neonikotinoide wirken als Fraß- oder Kontaktgift auf die Nervenzellen von Insekten und sollen Pflanzen sowohl vor saugenden als auch vor beißenden Schädlingen schützen. Kritiker werfen den Wirkstoffen vor, dass diese für schrumpfende Bestände von Wildbienen und Schmetterlingen mit verantwortlich sind. Sie berufen sich zum Beispiel auf Studien aus Großbritannien und den USA, die nahe legen, dass die Zahl der Arten vor allem seit der Einführung der Neonikotinoide zurückgeht. Laut Forschern der Universität Bern sollen die Wirkstoffe zu einer Störung der Fortpflanzungsfähigkeit von Honigbienen führen.