Ein Ratgeber von Hansgeorg Schönberger (N.U. Agrar GmbH)
SCHNELL GELESEN
Bei der Sortenwahl lohnt es sich, neben den eigenen Landessortenversuchen auch in andere Regionen zu schauen.
Frühreife Sorten schließen die Kornfüllung oft vor Hitzeperioden ab, können späte Niederschläge aber nicht nutzen.
Krankheitsresistenzen gewinnen an Bedeutung, wenn die Möglichkeiten des Pflanzenschutzes ausgereizt sind.
Auf mehr als 80 % der Rapsflächenin Deutschland stehen mittlerweile Hybridsorten. Im Vergleich zu den Liniensorten haben sie u.a. ein intensiveres vegetatives und ein besseres Wurzelwachstum. Unter Stress erhalten sie ihre Ertragsanlagen länger.
Die meisten Landwirte orientieren sich bei der Sortenwahl an den Ergebnissen der Landessortenversuche (LSV) in ihrer Region. Nachfolgend erklären wir, auf welche sechs Kriterien Sie in erster Linie schauen sollten:
Kriterium 1: Ertragssicherheit
Generell geben die LSV einen guten Überblick über die Leistungen der Sorten in den jeweiligen Regionen. Um die Ertragssicherheit besser zu erfassen, lohnt sich aber auch ein Blick in die Landessortenversuche anderer Gebiete.
Wer wissen möchte, wie eine Sorte auf Trockenheit reagiert, wirft einen Blick auf die Ergebnisse der Sandstandorte, z.B. in Brandenburg.
Mit Nässe, vor allem im Herbst und Winter, müssen die Marschstandorte an der Küste rechnen, mit Hitze die Standorte in Sachsen-Anhalt, am oberen Rhein, in der Rheinpfalz oder in Unterfranken.
In höheren Lagen müssen die Sorten auch eine gewisse Strahlungstoleranz mitbringen.
Kriterium 2: Ölgehalt
Anders als der Proteingehalt korreliert der Ölgehalt nicht zwangsläufig negativ mit dem Rapsertrag. Öl ist für den Raps ein Reservestoff, ähnlich wie Stärke im Getreide. Je länger der Raps einlagern kann, desto höher fallen das Tausendkorngewicht (TKG) und der Ölgehalt aus.
Hohe Ölgehalte wirken sich günstig auf den Auszahlungspreis aus, ohne Ertragseinbußen hinnehmen zu müssen. HOLLI-Sorten haben einen besonders hohen Ölgehalt bei niedrigen Linolensäuregehalten. Diese Sorten eignen sich besonders für Frittier- und Bratöle und werden im Vertragsanbau angebaut.
Kriterium 3: Entwicklung im Herbst
Die Herbstentwicklung wirkt sich auf das Schossverhalten aus. Die Beschreibende Sortenliste stuft zwar die meisten Sorten mit der Note 5 (mittel) ein. Dennoch gibt es Unterschiede, die man nutzen kann, um das Anbaurisiko zu begrenzen.
Sorten mit schneller Herbstentwicklung, die die Sprossachse früher strecken, eignen sie sich für die Spätsaat (z.B. LG Scorpion, Ludger oder Alessandro KWS). Sorten mit verhaltener Herbstentwicklung kann man dagegen früher säen (z.B. DK Exlibris, Ivo KWS oder LG Adonis).
Kriterium 4: Blüte, Reife und Co.
Früh blühende Sorten sind durch Spätfröste stärker gefährdet, aber bei später Trockenheit im Juni und Juli im Vorteil. Sie können die Kornfüllung ebenso wie die frühreifen Sorten bereits vor der Hitze und Trockenheit im Sommer abschließen. Die häufig im Juni einsetzenden Niederschläge nach einer Frühjahrstrockenheit nutzen sie aber nicht mehr voll aus.
Auf schwachen Standorten oder auf Flächen mit Staunässe stehen großrahmige Rapssorten wie Alessandro KWS meist besser. Spross und Wurzel wachsen gleichmäßig, sodass sie den Boden stärker durchwurzeln.
Vom Wachstumsverhalten hängt auch ab, wie auswinterungsgefährdet die Rapssorten sind. Die genetisch festgelegte Frosttoleranz spielt kaum eine Rolle. Verhalten wachsende Sorten, deren Vegetationskegel am Boden bleibt, überstehen Kahl- und Wechselfröste meist gut. Zudem scheinen Sorten mit geringer Blattfläche eine bessere Frosttoleranz zu haben, da sie eine höhere Konzentration an Kohlenhydraten und Proteinen aufweisen.
Stärker frostgefährdet sind hingegen Sorten mit zügiger Herbstentwicklung und vorzeitiger Sprossstreckung. Kommt es im Frühjahr dann zu Kahlfrösten während der Narbendifferenzierung, kann der Raps frühzeitig seine Schoten abwerfen.
Wichtig ist auch das Merkmal Standfestigkeit. Stark lageranfällige Sorten gibt es allerdings kaum noch auf dem Markt. Bei extrem standfesten Sorten ist es übrigens möglich, dass Körner auswehen, vor allem, wenn die Haupttriebe über das Schotenpaket hinausstehen. Frühes Lager während der Blüte ist durch eine angepasste (verringerte) Aussaatstärke, den Einsatz von Wachstumsreglern und eine geringere Düngungsintensität selten geworden.
Die Unterschiede im Abreifeverhalten kann man nutzen, um die Ernte zu entzerren. Die genetischen Unterschiede bezüglich der Schotenfestigkeit sind durch die fast standardmäßige Blütenbehandlung gegen Sklerotinia zu vernachlässigen. Auch bei Alternaria-toleranten Sorten platzen weniger Schoten als früher vorzeitig auf.
Kriterium 5: Krankheiten
Die Anfälligkeit der Sorten gegenüber Phoma ist unterschiedlich, weil verschiedene Resistenzgene eingekreuzt wurden. Die Unterschiede werden an Bedeutung gewinnen, wenn die Azole wegfallen sollten.
Wer mit Kohlhernie Probleme hat, kann auf resistente Sorten zurückgreifen. Diese bringen bei Befall gute Erträge und können mit konventionellen Sorten ohne Befall mithalten. Nicht resistente Sorten fallen hingegen deutlich im Ertrag ab. Ein Befall lässt sich durch Prüfen der Wurzeln im Spätherbst feststellen.
Seit 2022 ist mit Creed eine Sorte mit erweiterter Kohlhernie-Resistenz zugelassen. Einige der resistenten Sorten sind weniger phomaanfällig. Ziel ist, einen möglichen Resistenzbruch zu vermeiden. Daher sollten resistente Sorten nur auf Befallsflächen stehen.
Gegen das Wasserrübenvergilbungsvirus (TuYV) sind inzwischen viele Rapssorten resistent. Sie besetzen sogar die Spitze der LSV. Gegen Sklerotinia resistente Sorten gibt es zwar im Sortiment. Allerdings kann man bei stärkerem Befall nicht auf die Blütenbehandlung verzichten. Auch gegen Verticillium tolerante Sorten werden angeboten. Meist handelt es sich dabei um spätabreifende Sorten, die nur verzögert Symptome ausbilden. Denn gesichert wirkende Resistenzgene und direkte Bekämpfungsmöglichkeiten gegen die Welke gibt es nicht.
Kriterium 6: Schädlinge
Seitdem die neonikotinoiden Beizen weggefallen sind, hat sich die Schädlingsproblematik im Raps verschärft. Die Larven der Kleinen Kohlfliege können im Herbst fast ungestört Schäden anrichten, Blattläuse übertragen das TuYV und dezimieren den Bestand durch Saugschäden. Erdflöhe lassen sich mit Pyrethroiden kaum noch bekämpfen.
In Bezug auf den Befall gibt es Sortenunterschiede, wie französische Versuche zeigen. Während beim Lochfraß der Käfer an den Keimblättern alle Sorten gleich stark befallen waren, wies u. a. KWS Feliciano einen geringeren Larvenbefall auf. Ungeklärt ist bislang, ob die Unterschiede in der Morphologie oder den Inhaltsstoffen der Pflanzen begründet sind. Auch ist unklar, ob die Sorte weniger stark befallen wird, wenn keine anderen Sorten nebenan stehen.
Hinweise zum Ertragsaufbau
Die robusten Haupttrieb-Typen (Wuchsform: Weihnachtsbaum) konnten sich wegen ungleichmäßiger Abreife nicht durchsetzen. Der dominante Haupttrieb trug mit den oberen beiden Seitentrieben 70 % der Schoten. Die Verzweigungen setzten 30 bis 40 cm über der Erde an.
Trotz des geringeren Kompensationsvermögens sieht man heute überwiegend hochansetzende Verzweigungstypen (Wuchsform: siebenarmiger Kerzenleuchter). Die Seitentriebe setzen 50 bis 60 cm über der Erde an. Der Ertragsanteil der unteren Seitentriebe ist hier mit 40 bis 50 % höher.
Bei den kürzeren Halbzwergtypen (Wuchsform: besenartig) setzen die Seitentriebe tiefer an. Von Vorteil sind die vergleichsweise vielen potenziellen Kornanlagen. Aktuelle Hybridsorten sind mittlerweile kaum lageranfälliger als die Halbzwerghybriden.