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Säen und Hacken mit der Cameleon: Deshalb setzen Landwirte auf die Kombimaschine

Säen, Hacken, Düngen – und das mit einer Maschine. Möglich macht das das System Cameleon des schwedischen Herstellers Lyckegård. Wir haben zwei Betriebe in Nordfriesland besucht, die darauf setzen.

Lesezeit: 10 Minuten

Wer auf nordfriesischen Äckern ackern will, braucht gute ­Nerven. Wie wechselhaft das Wetter durch den starken Wind an der Küste ist, konnten wir hautnah erleben, als wir den Bioland-Betrieb Brodersen und den konventionellen Hof Karrasland in Schleswig-Holstein besuchten.

„Durch unsere starken Winde können wir in dieser Gegend eigentlich besser hacken als spritzen“, erklärt Landwirt Dag Brodersen. Auch deshalb läuft auf den beiden Betrieben die kombinierte Sä-Hackmaschine Cameleon des schwedischen Herstellers Lyckegård, die wir hier sehen wollen.

Abseits des Ackers fällt die gelbe aufgesattelte Maschine, die Säen, Hacken und Düngen in sich vereinen soll, sofort auf. Da beim System Cameleon mehrere Arbeitsgänge mit einer modular aufgebauten Maschine erledigt werden können, ist hier alles aufeinander abgestimmt. Für den Wechsel vom Sä- in den Hackmodus verschiebt man den Rahmen seitlich. Das Herzstück der Maschine ist das sogenannte Flexischar, ein Wechselschar, mit dem man gleichzeitig säen und hacken kann.

Je nach Ausstattung des Schars ist sowohl eine Reihen- als auch eine Bandsaat möglich. Das Flexischar lässt sich mit verschiedenen Arten von Flügelscharen nachrüsten oder durch ein reines Hackschar ersetzen. Im Hackbetrieb steuert eine Kamera den Verschieberahmen zwischen den Reihen, in der Reihe hacken kann die Maschine nicht.

Mit Cameleon in den Ökoanbau

Dag Brodersen aus Cecilienkoog setzt als einer von rund zwei Dutzend Landwirten in Deutschland, auf das System Cameleon. Der Biolandwirt bewirtschaftet 500 ha Ackerfläche zwischen den Deichen. Seit einigen Jahren setzt sich Brodersen bereits intensiv mit seinem Ackerbau auseinander – die bisherige Wirtschaftsweise funktionierte einfach nicht mehr.

2016 entschloss sich der Landwirt deshalb, auf Bio umzustellen. Damit gewann das Thema Hacken für ihn an Bedeutung und er begann, sich intensiv mit verschiedenen Möglichkeiten auseinander zu setzen. Auf das System Cameleon stieß er per Zufall auf YouTube. Dort überzeugte ihn die Vielseitigkeit der Kombimaschine. Heute laufen zwei Cameleon-Maschinen mit 8 m Arbeitsbreite auf seinen Flächen, die er zum Säen und Hacken mit 25 cm Reihenweite nutzt. Deshalb stehen bei ihm nun alle Kulturen inklusive Getreide in weiter Reihe.

Lange Zeit verzichtete Brodersen auf Experimente im Ackerbau: Auf den guten Marschböden konnte er im konventionellen Anbau optimale Erträge erzielen – mit engen raps- und weizenlastigen Fruchtfolgen. Doch dann geriet seine Wirtschaftsweise zunehmend unter Druck als sich der Ackerfuchsschwanz immer mehr auf den Flächen ausbreitete.

Hinzu kam, dass Brodersen auf Raps in den Fruchtfolgen verzichten musste, als ihn die Wildgänse aus den Rastgebieten an der Küste als Nahrungsquelle entdeckten. Schließlich erkannte der Landwirt, dass sich der konventionelle Betrieb trotz all der Arbeit nicht mehr rechnete, denn auch die Situation am Schweinemarkt war schlecht. 

Seit der Umstellung setzt Brodersen im Ackerbau hauptsächlich auf Sommerungen und weite Fruchtfolgen. Auf seinen Flächen stehen nun

Neben dem Hacken helfen ihm die weiten Fruchtfolgen und Sommerungen gegen die Ungräser. „Gerade im Hinblick auf Ackerfuchsschwanz sehen die Bioflächen in der Region oft besser aus als die konventionellen“, ist der Landwirt überzeugt. Zudem werden die Sommerungen im Winter nicht von rastenden Gänsen geschädigt.

Mittlerweile beschreibt er sich als Überzeugungstäter in Sachen Bio. Die früheren 3.000 Mastplätze hat er auf 1.150 Außenklima-Plätze reduziert. Neben Brodersen selbst arbeiten noch zwei Azubis und 2,5 Arbeitskräfte auf dem Betrieb.

Eine Maschine, drei Arbeitsgänge

Am System Cameleon schätzt Brodersen besonders die hohe Auslastung, die sich mit einer Maschine erzielen lässt: „Mit einer Cameleon können wir jede Fläche einmal drillen und zweimal hacken – drei Arbeitsgänge pro Jahr.“

Wegen der schweren klutigen Böden setzt Brodersen hierbei hauptsächlich auf die Reihensaat und verzichtet auf die Bandsaat. Vor der Aussaat mit der Kombimaschine, kommt bei Brodersen die Kreiselegge zum Einsatz. Der Grund: Die Hackschare kommen nicht so gut mit dicken Strohschichten zurecht, sodass die organische Masse vorher zerkleinert werden muss.

Da sich die hohe Schlagkraft der Cameleon beim Drillen im Hackbetrieb schnell relativierte, wurden auf Brodersens Betrieb schnell zwei Maschinen notwendig: Auf den schweren Böden kann man nur mit circa 6 km/h hacken, statt wie sonst mit 8 bis 9 km/h. Durch zwei Maschinen kann Brodersen gleichzeitig auf verschiedenen Flächen säen und hacken. Dazu kommt, dass er auf den Minutenböden in der Marsch manchmal schnell reagieren muss, um den Boden im optimalen Zustand hacken zu können.

Zweimal Hacken ist für Brodersen ein Muss, um die Fläche sauber zu halten. Je nach Einstellung greift das Hackschar hierbei unterschiedlich scharf in den Boden ein – auch deshalb kommt es vor dem Hacken auf die richtige Einstellung an. „Wenn in den Reihen alles gut eingestellt ist funktioniert das Hacken sehr gut. Aber man muss sich schon dabei konzentrieren“, sagt er. Der Landwirt rechnet mit ein bis zwei Jahren, bis Mitarbeiter die mechanische Unkrautbekämpfung komplett gemeistert haben. Für die nötige Präzision auf den Flächen setzt Brodersen auf allen Schleppern auf RTK.

Einzig die Möglichkeit zu Düngen nutzt der Nordfriese nicht, da sich die  Maschine hierbei nicht für seine Wirtschaftsweise eignet: Der Tank ist auf schwedische Biolandwirte zugeschnitten, die viel auf Haarmehlpellets setzen. Brodersen düngt auf seinen Flächen hingegen Schweinemist und Schweinegülle und tauscht Flächen mit benachbarten Schafhaltern. Die große Zahl Möglichkeiten, die ihm das System bietet, findet er auch reizvoll, um neue Strategien im Ackerbau auszuprobieren.

So fallen ihm einige Möglichkeiten für die bisher ungenutzte Bandsaat ein: Er spielt etwa mit dem Gedanken, die Zwischenfrucht künftig per Bandsaat schon im Sommergetreide auszubringen, damit der Bestand mehr Zeit hat, sich zu etablieren. Denn die späten Erntetermine der Sommerungen im September erschweren oft die Aussaat der Zwischenfrüchte.

Eine weitere Möglichkeit hat Brodersen von Berufskollegen gehört, die ihr Saatgut per Bandsaat ausbringen und dann die äußeren Ränder des Saatbands weghacken, um mit der Hacke möglichst dicht an die Kultur zu kommen. Auch Direktsaat und Mulchsaat ist mit der Cameleon möglich. Brodersen hat in der Vergangenheit zum Beispiel die Direktsaat von Raps ausprobiert. Hier sieht der Landwirt aber Zielkonflikte: „Es gibt einen Widerspruch zwischen einem scharfen Hackschar und einem schonenden Eingriff in den Boden.“ 

Mittlerweile ist der Landwirt Importeur für Lyckegård und betreut 20 Kunden in Norddeutschland, die ebenfalls Cameleon fahren. Dadurch ist er im regen Austausch mit anderen Landwirten, die sich intensiv über die Möglichkeiten ihrer Maschinen in den verschiedensten Kulturen austauschen. Das bringt ihn auf neue Ideen, wie er die Maschine noch einsetzen könnte. Grabenkämpfe zwischen Bio- und konventionellen Landwirten lehnt er dabei ab.

Das oft gehörte Argument, dass seine mechanische Unkrautbekämpfung die Tierwelt schädige, lässt Brodersen zum Beispiel nicht gelten. Auf seinem Betrieb werden die Gelege von Kiebitzen und Austernfischern per GPS markiert. Anschließend heben er und seine Mitarbeiter die Hacke für die Bodenbrüter aus. „Wenn man will, kann man 90 % der Gelege retten“, ist er überzeugt.

Weite Reihe im Getreide

Im konventionellen Ackerbau sind Hacken und weite Reihen im Getreide noch selten. Deshalb war Landwirt Rainer Pritschau vom Hof Karrasland im benachbarten Sönke-Nissen-Koog nicht sofort von der Cameleon überzeugt. „Ich hatte ziemliche Vorbehalte gegenüber der weiten Reihe, vor allem im Getreide“, erinnert er sich. Er befürchtete Ertragseinbußen. Doch dann siegte die Neugier, nachdem er die Kombimaschine bei Brodersen im Einsatz gesehen hatte. Auch Pritschau suchte nach neuen Ideen, nachdem die bisherige weizen- und rapslastige Fruchtfolge durch Ackerfuchsschwanz unter Druck geriet.

Heute läuft eine Cameleon auf Pritschaus Betrieb. Neben den 200 ha Ackerbau, halten seine Frau und er 30 Herdbuch-Dexterrinder. Pritschau ist der erste reine konventionelle Landwirt, der auf die Maschine setzt. Im letzten Herbst säte er das Wintergetreide erstmals auf 25 cm Reihenweite – heute stehen alle Kulturen auf dieser Reihenweite. Trotz des schwierigen letzten Jahres ist er zufrieden mit den Beständen. Erst bei näherem Hinschauen erkennt man, dass die Weizen- und Gerstenpflanzen in weiter Reihe stehen.

An das Hacken zwischen den Reihen musste Pritschau sich auf dem konventionellen Betrieb erst herantasten. „Für uns ist das ein Lernprozess. Das ist nichts, was man mal eben nebenbei macht“, berichtet Pritschau. „Dafür muss man schon den Kopf frei haben.“ Doch auch sein Mitarbeiter setzt sich gern intensiv mit der Maschine auseinander.

Gerade auf den Flächen mit Ackerfuchsschwanzproblem, ist die Möglichkeit zu Hacken aber eine Ergänzung zu den Möglichkeiten des chemischen Pflanzenschutzes. Im Herbst setzt er deshalb zunächst ein Bodenherbizid ein. Im Frühjahr machte der Landwirt dann mit einem Hackdurchgang und einer Herbizidgabe mit Atlantis weiter, um die Ungräser in Schach zu halten. „Für uns ist die Hacke ein weiteres Werkzeug“, erklärt Pritschau. „Aber alles bekommen wir nicht damit weg.“

Vor der Aussaat mit der Cameleon im Herbst pflügt er die Flächen, anschließend folgt die Kreiselegge. Vor den Sommerungen spritzt er zunächst die Zwischenfrucht mit Glyphosat ab und setzt dann einen Flachgrubber ein. Durch die zusätzliche mecha­nische Unkrautbekämpfung ist der Ackerfuchsschwanz nur noch spärlich im geschlossenen Gerstenbestand zu sehen – besonders im Vergleich zu anderen Flächen in der Region.

Mineralisierung durch ­Hacken

Auf den schweren, kalten Böden hilft das Hacken außerdem, Luft an die Wurzeln zu bringen und so die Mineralisierung des Stickstoffs in Gang zu bringen. „Das Hacken im Frühjahr hilft so, den vorhanden Stickstoff besser pflanzenverfügbar zu machen“, schätzt der Landwirt. Abgesehen vom Mist seiner Rinder, düngt er komplett mineralisch. Er sieht darin auf den schweren Standorten mehr Vorteile. In diesem Frühjahr hat er den Dünger mit dem Zweischeibenstreuer ausgebracht und dann mit der Cameleon mit schmalen Hackscharen eingehackt.

Zum Düngen hat er die Maschine bislang noch nicht genutzt. Im nächsten Frühjahr soll sich das ändern: Dann will er KAS oder anderen Mineraldünger im Getreide direkt beim Hacken ausbringen. Dadurch soll der Dünger direkt an die Wurzeln der Pflanzen in der Reihe gelangen. Auch Untersaaten kann er sich für die Zukunft vorstellen.

Die Kosten von rund 150.000 € für eine Cameleon mit 8 m Arbeitsbreite haben Pritschau nicht abgeschreckt. Auch ihn überzeugte, dass er die gleiche Maschine durch die verschiedenen Möglichkeiten auf einer Fläche gleich mehrmals pro Jahr einsetzen kann. Das ermöglicht ihm eine hohe Auslastung. „Zwei einzelne Maschinen wären im Kauf teurer“, sagt er. „Und außerdem erziele ich mit der 8 m Drille einfach eine hohe Flächenleistung“, sagt er.

Gleichzeitig ist der Zugkraftbedarf niedrig. Pritschau reicht dafür ein 150 PS-Schlepper aus. Ein Nachteil fällt allerdings auf den schmalen Straßen des Koogs ins Gewicht: Die Transportbreite von Pritschaus Modell liegt noch bei 3,18 m.

Neben dem Einstieg in die mechanische Unkrautbekämpfung mit der Cameleon, hat Pritschau in den letzten Jahren auch die Fruchtfolge angepasst. Er verzichtete auf den Raps und ergänzte die Kulturen um eine Sommerung. Heute setzt er auf eine Fruchtfolge mit Winterweizen – Sommerung (Hafer oder Ackerbohne) – Wintergerste. „Die Gerste profitiert sehr vom zusätzlichen Stickstoff der Ackerbohne“, erklärt er. Auf einigen Flächen stehen in diesem noch Jahr Sommerweizen und Sommergerste. Die letzten Sommerungen konnte er erst Mitte Mai drillen. Dazu kommen noch 2 ha mit Mais und Ackergras auf der Geest, die Pritschau verfüttert oder an eine Biogasanlage liefert.

Für Rainer Pritschau ist insgesamt klar: „Weitermachen wie bisher, das geht nicht mehr. Hybridlandwirtschaft ist das, wo wir hinwollen.“ Auch, weil die Palette im chemischen Pflanzenschutz immer enger wird.

Sowohl Rainer Pritschau als auch Dag Brodersen sind überzeugt: Das Hacken ist nicht die Patentlösung für alle ackerbaulichen Herausforderungen – aber ein wichtiger Baustein, bei dem ihnen die Cameleon hilft.

M A S C H I N E N T E S T

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