Glyphosat-Rückstände in der Umwelt haben möglicherweise noch eine ganz andere Ursache als die Landwirtschaft. Könnten stattdessen Bestandteile von Waschmitteln in Europa eine der Hauptquellen der Umweltbelastung sein?
Diese These stellt zumindest eine neue Untersuchung der Universität Tübingen auf.
Welche Datenbasis gibt es?
In einer Meta-Analyse verglich das Forscherteam um die Umweltanalytikerin Prof. Dr. Carolin Huhn mehrjährige Daten aus 73 europäischen und 18 US-Gewässer-Messstellen, die Messwerte von Glyphosat und dem Abbauprodukt AMPA (Aminomethylphosphonsäure) umfassten.
Die europäischen Messwerte stammten aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg, Italien, Schweden und Großbritannien. Die Untersuchungen wurden nun auf dem Wissenschaftsportal Research Square veröffentlicht, eine unabhängige Begutachtung über Peer-Review steht aber noch aus.
Landwirtschaft als Hauptverursacher in den USA
In den Untersuchungen zeigte, dass die Glyphosat- und AMPA-Konzentrationen im Jahresablauf in beiden Untersuchungsregionen unterschiedlichen Mustern folgen: In den USA ließen sich die variierenden Wirkstoffkonzentrationen gut mit den örtlichen Anbaupraktiken erklären.
Die Konzentrationen stiegen oft parallel mit denen anderer Herbizide an. AMPA ließ sich in den Staaten zudem häufiger messen als in Europa – aber in niedrigeren Konzentrationen.
EU-Messwerte passen nicht zu Spritzzeitpunkten
In Europa zeigten die Mehrzahl der Messwerte hingegen eine andere Verteilung: Hier waren die Konzentrationen im Winterhalbjahr niedrig und stiegen ab März stetig an. Ihr Maximum erreichten sie im September und Oktober, wenn die Flüsse besonders wenig Wasser führen.
Dieses Muster passte nicht zum Glyphosateinsatz in der EU, der sich auf Stoppelbehandlung und Vorauflaufbehandlungen beschränkt. Zudem änderten auch Reduktionsstrategien wie das Glyphosat-Totalverbot von 2021-2023 in Luxemburg nichts an den dortigen Glyphosatkonzentrationen.
Hohe Glyphosatrückstände durch Abwasser?
Daraufhin fassten die Forscher Abwässer als potenzielle Ursache ins Auge. Ihre Gründe für diese Annahme:
Der konstant hohe Eintrag mit höheren Konzentrationen in der trockenen Jahreszeit sowie
Korrelationen bei den Messwerten zu anderen Abwasserrückständen (z. B. Schmerzmittel, Haushaltchemikalien).
Beobachtungen von Berliner Messstellen schienen die These zu stützen: Hier enthielten 8 % der abwasserfreien Oberflächengewässer Glyphosatrückstände (AMPA: 22 %), während 56 % der Gewässer mit Abwassereinleitung Glyphosatrückstände aufwiesen (AMPA: 95 % der Gewässer).
In Frankreich gab es weitere Anhaltspunkte für diese Vermutung: Hier liefen Kläranlagen infolge von Starkregenereignissen über. In den Messwerten zeigte sich: Die Glyphosatkonzentrationen stiegen kurz danach parallel mit den Fäkaliengehalten an. Die Pflanzenschutzmittelrückstände von den Feldern gelangten hingegen erst etwas später in die Gewässer.
Welche Waschmittel könnten die Messwerte verursachen?
Die Forscher vermuten nun, dass ein Teil der europäischen Glyphosatkonzentration in Gewässern auf Abbauprodukte von Aminopolyphosphonate zurückgehen könnten, die Glyphosat chemisch ähneln. Diese Stoffe sind in Europa Bestandteil vieler Waschmittel.