Auch wenn kein eigenes Kind den Hof übernimmt: Den Betrieb für die Zukunft zu erhalten – das liegt vielen Landwirten am Herzen.
Was liegt da näher als die zahlreichen Betriebsleiter ohne Hofnachfolge und die vielen gut ausgebildeten Landwirtinnen bzw. Landwirte ohne elterlichen Betrieb zusammenzubringen? In der Praxis ist es nicht ganz so leicht, wie es sich anhört. Denn die außerfamiliäre Übergabe ist zwar eine große Chance, aber zugleich eine enorme Herausforderung.
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Wer außerfamiliär übergeben bzw. übernehmen will, muss sich zunächst mit sich selbst, den eigenen Bedürfnissen und Ressourcen beschäftigen.
Hofbörsen und Seminare helfen beim Informieren und Kontakt knüpfen.
Es dauert oft viele Jahre von der ersten Überlegung bis zur Hofübergabe.
Mehrere Anläufe für eine gelingende Übergabe sind völlig normal.
Die einzelnen Übergabemodelle haben verschiedene Chancen und Risiken.
Die Frage, wer wo wohnt, ist von hoher Bedeutung für beide Parteien.
Große Herausforderung
Jeder Landwirt weiß: In der Landwirtschaft ist der Betrieb nicht nur Arbeitsplatz oder Vermögensgegenstand, sondern auch Zuhause, Familie und Heimat. „Dies in fremde Hände zu legen, ist ein enormer Schritt und immer noch Neuland. Traditionell wird ein bäuerlicher Betrieb in der Familie weitergegeben. Sind Kinder da, geht es zudem ums Erbe und um Gerechtigkeit“, so Birgit Motteler vom Beratungsdienst Familie & Betrieb im badischen St. Ulrich.
Auch den „richtigen“ Übernehmer zu finden, ist nicht leicht. „Die potenziellen Hofnachfolger sind zwar oft gut ausgebildet, haben oft aber ganz andere Vorstellungen in Sachen Betriebsführung und Zusammenleben als die abgebende Generation“, so Christian Vieth, Initiator der bundesweiten Hofbörse hofsuchtbauer.de
Was will ich, was kann ich?
Wer überlegt, seinen Betrieb außerfamiliär zu übergeben, muss sich zunächst vor allem mit den eigenen Positionen auseinandersetzen. Fragen Sie sich: Was will ich wirklich? Und kann ich das, was ich will? Es geht dabei um viele große und kleine Fragen. Die Übersicht 1 zeigt eine Auswahl.
Fragen für Betriebsleiter, die übergeben wollen
Wie ist der Betrieb aufgestellt, ist er existenzfähig?
Soll Vermögen bzw. Eigentum in der Familie bleiben?
Was möchten Ehepartner und Kinder?
Bin ich finanziell abgesichert, auch für Alter und Pflege?
Welche Übergabemodelle kann ich mir vorstellen?
Kann ich den Betrieb wirklich loslassen?
Was erwarte ich vom Übernehmer?
Kann ich mich auf junge Leute und neue Ideen einlassen?
Wollen wir auf dem Hof wohnen? Oder vielleicht im Dorf?
Bin ich kompromiss- und konfliktfähig?
Fragen für Landwirte, die einen Hof suchen
Habe ich das Know-how und Unternehmerqualitäten sowie Persönliche Ressourcen wie Resilienz & Durchhaltevermögen?
Was möchten gegebenenfalls Ehepartner und Kinder?
Wie bin ich finanziell aufgestellt? Ist Kapital da?
Bin ich mobil? Wie weit? Meine Familie auch?
Welche Gegend und Lage des Betriebes sagt mir zu?
Was erwarte ich vom Übergeber, der Familie?
Wie will ich (mit Familie) wohnen? Hof? Dorf? Altenteiler?
Kann ich mich auf Übergeber, Familie und Betrieb einlassen?
Bin ich kompromiss- und konfliktfähig?
Bis diese Fragen geklärt sind, dauert es oft Jahre. Experten raten, sich etwa ab dem 50. Lebensjahr mit dem Thema auseinanderzusetzen, Beratung in Anspruch zu nehmen und Seminare zu besuchen. Isidor Schelle, Rechtsexperte und Berater beim Bayerischen Bauernverband, empfiehlt z.B. die Seminare für ungeklärte Nachfolgesituationen von SVLFG und Verbänden, weil hier auch die persönliche Seite der Hofübergabe eine große Rolle spielt.
Neffen, Nichten, Mitarbeiter
Die passende Nachfolge ergibt sich bestenfalls frühzeitig z. B. dadurch, dass ein Neffe oder eine Nichte schon als Kind auf dem Hof hilft oder ein Mitarbeiter in die Rolle des Nachfolgers hin-einwächst. Vorteil: Beide Parteien sind schon lange miteinander vertraut.
Die meisten Suchenden schalten jedoch eine Anzeige, sei es in der landwirtschaftlichen Fachpresse oder bei speziellen Hofbörsen, z. B. bei hofsuchtbauer.de, hof-gesucht-gefunden.de oder bei den Börsen der Landgesellschaften.
Vertrauensstellen
In NRW und Südbaden gibt es seit einigen Jahren zudem eine sogenannte Vertrauensstelle für außerfamiliäre Hofübergaben: In NRW bei der Landwirtschaftskammer, in Südbaden beim Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband. Die Vertrauensstelle fungiert als Anlaufstelle für Nachfolge- und Hofsuchende und schlägt vor, wer mit wem in Kontakt treten kann. Beide Seiten können sich darauf verlassen, dass ihre Suche diskret behandelt wird. Die Vertrauensstellen bieten zudem Prozessbegleitung und Mediation an.
Jan Tappert, einer der Initiatoren der NRW-Initiative, berichtet von einem regen Interesse. „Allerdings zeigt sich die Vermittlung als komplexer und langwieriger Prozess“, resümiert er.
Wie Kontakte knüpfen?
Viele gute Kontakte entstehen auch auf Seminaren, wenn Hofinhaber und Hofsuchende persönlich aufeinander treffen. „Der größte Pluspunkt ist der Austausch mit Gleichgesinnten und das intensive Kennenlernen der ´anderen Seite`, so Birgit Motteler. Anbieter von Seminarreihen und Stammtischen sind z. B. die Landvolkhochschule Kloster St. Ulrich, das Evangelische Bauernwerk Hohebuch in Baden-Württemberg und das Ökojunglandwirte-Netzwerk.
Ob Seminar oder Höfbörse: Bei gegenseitigem Interessen geht es darum, sich näher kennenzulernen. Dabei findet das erste Gespräch meist direkt auf dem Hof statt. Für Isidor Schelle ist das aber nicht empfehlenswert. Denn beim ersten Kennenlernen sollten die Menschen im Vordergrund stehen.
Oft mehrere Anläufe
Im weiteren Verlauf arbeitet der potenzielle Nachfolger häufig einige Wochen oder Wochenenden im Betrieb mit. „Wichtig ist, sich ehrlich über die eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Ängste auszutauschen – und sich Zeit zu lassen,“ betont Birgit Motteler.
Wirklich sicher sind sich die Parteien in der Regel erst nach einer Übergangszeit von zum Beispiel einem Jahr. Oft stellt der Betriebsleiter den möglichen Nachfolger dafür als Mitarbeiter ein, verpachtet den Betrieb oder gründet eine GbR. Auch die Mitarbeit auf Minijobbasis ist denkbar.
„In dieser Phase ist Beratung oft sehr wichtig. Das Vorhaben kann dennoch scheitern. Letztlich müssen sich Nachfolge- und Hofsuchende auf mehrere Anläufe einstellen“, betont Vieth.
Meist „klassische“ Übergabe
Die Formen der Übergabe sind vielfältig. Viele Übergeber würden den Betrieb gerne verpachten. „Das empfehlen wir jedoch nicht. Für die Nachfolger ist das zu unsicher, die Abhängigkeit vom Pächter zu hoch“, so Jan Tappert. „ Wir hatten schon den Fall, dass die Kinder des Übergebers den Betrieb auf einmal doch übernehmen wollten. Der außerfamiliäre Hofnachfolger stand am Ende mit leeren Händen und Schulden da“.
„Am häufigsten ist die klassische Hofübergabe, also die Schenkung bzw. teilweise Schenkung gegen Altenteilsleistungen“, so Christian Vieth. „Dabei kann es sinnvoll sein“, so die Erfahrung von Isidor Schelle, „dass der Übergeber das Wohnhaus an den Übernehmer verkauft. Für den Übergeber bleibt der Erlös steuerfrei. Voraussetzung ist: Das Haus muss mehr als zehn Jahre alt sein und das Geld muss tatsächlich fließen.“
Abfindung eigener Kinder
Gilt die Höfeordnung, greifen für die leiblichen Kinder des Übergebers die entsprechenden Abfindungsregelungen. Wem jedoch der Familienfrieden wichtig ist, sollte möglichst eine Lösung im Konsens finden. Für eine Übergabe nach dem BGB-Erbrecht gilt das auch aus einem anderen Grund. „Der den Kindern im Erbfall zustehende Pflichtteil bemisst sich nach einer außerfamiliären Übergabe nicht nach dem Ertragswert, sondern nach dem meist höheren Verkehrswert. Das kann kaum ein Hofnachfolger stemmen“, so Schelle.
Steuerfallen
In steuerlicher Hinsicht gelten für die außerfamiliäre Übergabe teilweise andere Regeln als bei der innerfamiliären Übergabe. So kann zwar auch ein außerfamiliärer Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes z. B. von der Verschonungsregel bei der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer profitieren. Voraussetzung ist, dass er das Vermögen mindestens sieben Jahre in seinem Besitz hält und landwirtschaftlich nutzt.
Bei der Grunderwerbssteuer, die sich z. B. an den monatlichen Altenteilsleistungen wie Wohnrecht und Barrente bemisst, gilt die Befreiung allerdings ausschließlich für Kinder und Enkelkinder, nicht für den außerfamiliären Nachfolger. Nur bei einer komplett unentgeltlichen Übertragung greift die Grunderwerbssteuer nicht. Ob das machbar ist und welche alternativen Gegenleistungen dann möglich sind, ist eine Frage des Einzelfalls.
Adoption, Verkauf, Stiftung
Adoptiert der Hofübergeber den außerfamiliären Hofnachfolger im Rahmen einer Erwachsenenadoption und überträgt den Betrieb dann „innerfamiliär“, hat das steuerliche Vorteile für den Übernehmer.
Bedenken sollten Sie dabei aber: Eine Erwachsenenadoption hat immer auch emotionale Wirkungen – auf beide Familien. Ein weiterer Haken: Scheitert die Übergabe, bleibt die erbrechtliche Position des Adoptierten mit z. B. seinen Pflichtteilsansprüchen bestehen.
Eine weitere Möglichkeit, den Hof zu übergeben bzw. zu übernehmen, ist der (Ver-)Kauf gegen Ratenzahlung oder Barrente. Das können sich allerdings die wenigsten Nachfolger leisten. Hinzu kommt die hohe Einkommensteuerlast für den Verkäufer.
Erfolgsfaktoren gelingender Übergaben
Früh genug anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen
Achtsamkeit sich selbst und den anderen gegenüber
Toleranz gegenüber anderen Werten, Denk- und Lebensweisen
Respekt und Wertschätzung im Umgang miteinander
Offenheit für Veränderungen und für neue Betriebs- und Familienmodelle
Die Haltung, dass jeder seine eigenen Erfahrungen machen muss
Gesprächsbereitschaft und der guter Willen, den anderen verstehen zu wollen
Lobkultur, denn „nichts gesagt“ ist eben noch nicht genug gelobt.
Durchhaltevermögen, Gelassenheit und Selbstvertrauen
Quelle: In Anlehnung an Birgit Motteler
Denkbar ist auch, den Betrieb an einen gemeinnützigen Träger zu übertragen oder in eine Stiftung einzubringen. Anschließend pachtet der Übernehmer den Betrieb. Vorteil sind die klaren, in den Statuten festgelegte Regeln.
Eine weitere Alternative ist die Einbringung des Betriebes in eine Gesellschaft mit Übergeber und außerlandwirtschaftlichem Übernehmer, z. B. in einer GbR, KG oder GmbH & Co. KG. Auch dies kann funktionieren. Entscheidend ist, dass Übergeber und Übernehmer ein Modell finden, das für die beteiligten Menschen und den Betrieb passt.
Die Wohnfrage
Beim Wohnen gehts darum, dass beide Parteien/Familien genügend Privatsphäre haben und sich auch räumlich gut abgrenzen können. „Wenn beide Parteien auf dem Betrieb wohnen, empfehle ich immer ein Wohnen unter „zwei Dächern“ so Isidor Schelle. „Außerdem sollte im Hofübergabevertrag vereinbart sein, dass die Altenteiler bei einem möglichen Wegzug vom Hof einen Geldersatz für Mietwert und Nebenkostenpauschale bekommen“, so Schelle.
Denn kurz- oder auch langfristig setze oft eine gewisse Entfremdung zwischen Übergebern und Übernehmern ein. „Denkbar ist auch, dass die Altenteiler von vorneherein ins Dorf ziehen“, ergänzt Jan Tappert.