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Hebel Nr. 1 für mehr Nachhaltigkeit im Stall ist das Futter

Tierhalter sind künftig mehr denn je gefordert, nachhaltiger zu produzieren. Die wichtigste Stellschraube ist und bleibt das Futter.

Lesezeit: 9 Minuten

Unsere Autoren: Dr. Julia Gickel, Wissenschaft und Innovation Nachhaltige Geflügelhaltung, TiHO Hannover; Prof. Dr. Christian Visscher, TiHo Hannover

Egal ob Ackerbauer, Nutztierhalter, Energiewirt oder Obst- und Gemüseproduzent: Die gesamte Landwirtschaft ist aufgefordert, nachhaltiger zu wirtschaften. Denn der Agrarsektor ist nicht nur Verursacher von Klimaproblemen, er ist auch ein wichtiger Teil der Lösung. Nur mit den Landwirten zusammen lassen sich die globalen Klimaziele erreichen, betonen Experten.

Schnell gelesen

  • Auch die Nutztierhaltung muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

  • Das Futter ist der größte Hebel. Eine gute Futterverwertung und der Einsatz von nachhaltig angebauten Futterkomponenten stehen künftig stärker im Fokus.

  • Roggen und heimisches Eiweiß können die Klimabilanz verbessern.

  • Richtiges Heizen und Lüften sorgt für weniger Treibhausgasemissionen.

  • Eine geringere Besatzdichte ist aus Klimaschutzgründen nicht per se von ­Vorteil.

  • Impfungen halten die Tiere gesund und sorgen so für weniger CO2-Ausstoß.

Besonders stark im Fokus steht die Nutztierhaltung. Aufgrund ihres sehr großen ökologischen Fußabdrucks wird der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit in der Rinder-, Schweine- und Geflügelhaltung lauter. Die Produktion muss sich künftig stärker mehr an den so­genannten ESG-Kriterien orientieren. Dazu zählen die Bereiche:

  • Umwelt (Environment),

  • Gesellschaft (Social) und

  • Unternehmensführung (Governance).

Entscheidend für den Erfolg wird sein, dass alle drei Bereiche im Einklang miteinander stehen. Wenn z. B. die Reduzierung der CO2-Belastung zu steigenden Kosten führt und diese langfristig nicht durch höhere Erlöse gedeckt werden, geht die Rechnung für den Landwirt nicht auf. Eine nachhaltige Tierhaltung muss wirtschaftlich rentabel, technisch effizient und ökologisch tragfähig sein!

Wie der Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit aussehen kann und welche Stellschrauben den größten Erfolg versprechen, zeigt der folgende Bericht.

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Futter ist der größte Hebel

Nachhaltige Tierhaltung gelingt nur, wenn an mehreren Stellschrauben gedreht wird. Neben dem Stallmanagement, der Tiergesundheit und der Genetik bietet die Optimierung der Fütterung großes Potenzial, wie die Übersicht zeigt.

Die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von Futtermitteln bietet die Möglichkeit, bei der Produktion oder beim Einkauf des Futters neben der Preiswürdigkeit auch die ökologische Nachhaltigkeit des Futters in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen, indem aus den Werten für die einzelnen Rohkomponenten ein Fußabdruck pro Tonne Futter berechnet wird.

Zahlreiche Studien zeigen, dass ein optimaler Einsatz von Futtermitteln den größten Beitrag zur Reduzierung negativer Umweltauswirkungen leisten kann. Beim Geflügel hängen bis zu 80 % der Treibhausgasemissionen unmittelbar mit dem Futter zusammen. Insbesondere die Herkunft der Rohwaren und die Optimierung des Futteraufwands bieten Einsparpotenzial.

Wie groß der Einfluss einzelner Futtermittel bzw. deren Herkunft auf den Klimawandel gemessen in CO2-Äquivalente (CO2eq) ist, zeigt Übersicht 2.

Beispiel Sojaextraktionsschrot: Nicht entwaldungsfreies Sojaschrot aus Brasilien hat mit 4.272 kg CO2eq je t ver­­gleichbar hohe Auswirkungen (Impact). Durch den Einsatz von Ware aus nachhaltigerem Anbau sinkt die Klimabelastung. Den besten Wert hat Sojaextraktionsschrot, wenn es aus Deutschland stammt. In diesem Fall liegt die Belastung bei nur noch bei 1.747 kg CO2eq pro t.

Die alternativen heimischen Protein- und Energieträger wie Lupine, Raps­extraktionsschrot, Erbse, Ackerbohne oder Sonnenblumenextraktionsschrot schneiden sogar noch besser ab.

Sojaschrot ersetzen

In Bezug auf die Zusammenstellung eines möglichst nachhaltig produzierten Futters liegt es also nahe, Sojabohnenprodukte aus kritischer Herkunft (z. B. nicht entwaldungsfrei) so weit wie möglich durch andere Komponenten zu ersetzen.

Bei dieser Strategie müssen die guten Fütterungseigenschaften der Sojabohne in Bezug auf den Rohproteingehalt bzw. die Aminosäurenausstattung aber ausgeglichen werden. Denn von der Wertigkeit her können heimische Komponenten nur teilweise mit der Sojabohne mithalten. Die hohe Rohproteinkonzentration des Sojaextraktionsschrotes erreicht zum Beispiel keine der hiesigen Alternativen.

Auch die Zusammensetzung der essenziellen Aminosäuren ist unterschiedlich. Raps- und Sonnenblumenextraktionsschrot besitzen im Vergleich zu Soja ein günstigeres Aminosäurenverhältnis im Hinblick auf für das Geflügel sehr wichtige Aminosäuren, da sie relativ reich an Methionin und Cystein sind.

In der Regel ist es notwendig, die Rationsanteile von Erbsen, Ackerbohnen, Rapsprodukten oder Süßlupinen zu erhöhen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass bestimmte Höchstwerte nicht überschritten werden dürfen, weil sehr hohe Gehalte bestimmter Stoffe die Schmackhaftigkeit herabsetzen können.

Bei Erbsen und Ackerbohnen können die Tannine das Problem sein. Auch Glucoside wie Vicin und Convicin können beim Einsatz von Bohnen zu Minderleistungen führen. Bei Rapsprodukten bereiten die Hydrolyseprodukte der Glucosinolate Schwierigkeiten.

Auch die Getreidearten unterscheiden sich bezüglich ihrer Klimabilanz. Hybridroggen zum Beispiel benötigt wesentlich weniger Wasser als Weizen. Ebenso verhält es sich beim Düngebedarf und beim Pflanzenschutz. Studien belegen, dass Roggen bis zu 20 % weniger CO2 bzw. Treibhausgasemissionen verursacht.

Mehr Koppelprodukte füttern

Neben der Optimierung der Proteinversorgung kann eine klimafreundlichere Fütterungsstrategie durch den gezielten Einsatz von Koprodukten erreicht werden.

Besonders beim Schwein ist die Verfütterung von Koprodukten sinnvoll. Auch der Einsatz von zum Beispiel Kleien und Rübenschnitzeln bietet sich an. Der große Vorteil ist, dass dadurch Nährstoffkreisläufe ganz oder teilweise geschlossen werden können. Das wirkt sich direkt positiv auf die Nachhaltigkeit aus.

Gleichzeitig sind jedoch auch hier die Wertigkeit und die Inhaltsstoffe der verschiedenen Produkte zu prüfen. Faserreichere Koprodukte haben in der Regel eine geringere Verdaulichkeit, was es zu berücksichtigen gilt.

Wichtig ist darüber hinaus, dass alternative Komponenten oder Koprodukte dem Tier schmecken und auch in ausreichender Menge vom Rind, Schwein oder Huhn aufgenommen werden müssen. Ist das Futter beispielsweise weniger gehaltvoll, muss das Tier auch (genetisch) in der Lage sein, mehr Futter aufzunehmen, um auch weiterhin eine optimale Leistung zu erzielen. Erst wenn das sichergestellt ist, kann das Futter weniger gehaltvoll sein.

Ehrlicherweise führt diese Strategie aber oft auch zu einem steigenden Anfall an Exkrementen, die die Umweltbilanz negativ belasten. Das muss bei der Betrachtung der Nachhaltigkeit stets berücksichtigt werden. Ausgeglichen werden kann der Nachteil durch den Einsatz von Futtermittelzusatzstoffen und futtertechnologischen Ansätzen.

Stallmanagement optimieren

Neben dem Futter lohnt es sich aus Klimaschutzgründen, auch beim Stallbau und Stallmanagement genauer hinzuschauen. Eine zu hohe Stalltemperatur oder Lüftungsrate in konventionellen Stallsystemen beispielsweise führt immer zu einem unnötig hohen Energieverbrauch. Gerade bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen hohe Treibhausgasemissionen. Ein Außenklimastall mit freier Be- und Entlüftung schneidet diesbezüglich besser ab.

Allerdings entstehen bei diesem Haltungskonzept auch mehr direkte Emissionen und Einträge in die Umwelt. Gerade bei Freilandhaltung, wie sie häufig bei Legehennen praktiziert wird, zeigt sich, dass die Tiere den stallnahen Bereich deutlich stärker nutzen als entferntere Bereiche. Das führt im stallnahen Bereich zu einer Anreicherung der Nährstoffe verbunden mit erhöhten Nährstoffeinträgen in den Boden und das Grundwasser.

Abhilfe kann hier eine gute Strukturierung des Auslaufes schaffen. Gut geeignet sind schützende Unterstände für mehrere Tiere oder auch natürliche Elemente wie Baumreihen oder Reihen aus Sonnenblumenpflanzen. Die Hennen werden dadurch auch in die weiter vom Stall liegenden Bereiche gelockt, sodass sich die Umweltauswirkungen der Haltung besser über die Fläche verteilen. Bei Mobilställen empfiehlt es sich, diese regelmäßig zu versetzen, um punktuelle Nährstoffeinträge möglichst gering zu halten.

Im Stall entscheiden die Wahl des Einstreuverfahrens und die Materialauswahl darüber, wie nachhaltig die Tierhaltung ist. Für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks wird dabei zum einen das Material an sich bewertet. Stroh z. B. hat einen schlechteren CO2-Fußabdruck als Hobelspäne.

Zum anderen können Einstreumaterialien (z. B. durch Einflussnahme auf den pH-Wert) auch zu einer Reduktion der Ammoniakemissionen führen, was sich in einer Verbesserung des CO2-Fußabdruckes auswirkt. Pauschal gilt, dass feuchte Stellen in der Einstreu, auch im Hinblick auf Tiergesundheit und Tierwohl, auf jeden Fall vermieden werden sollten. Ein allzu hoher Materialverbrauch ist dabei allerdings kontraproduktiv. Es sollte also bei jedem Einstreuvorgang geprüft werden, wie stark nachgestreut werden muss.

Jeder Tierhalter sollte sich schließlich hinterfragen, wie viel Technik im Stall nötig ist. Denn der Einsatz von Technik führt in der Regel immer dazu, dass Energie verbraucht wird. Auch die Art der Technik spielt eine Rolle. In der Regel ist das Blasen von Futter weniger nachhaltig als der Futtertransport per Rohrkette.

Hohe Besatzdichte besser?

Weniger Tiere pro Quadratmeter – das fordern Politiker und Tierschützer schon länger. Doch eine optimale Besatzdichte im Hinblick auf das Tierwohl muss nicht gleichbedeutend sein mit einem Optimum an Nachhaltigkeit.

Wird, wie häufig üblich, die Nachhaltigkeit in Relation zur erzeugten Fleischmenge gesehen, z. B. kg CO2eq pro kg Schlachtgewicht, passiert folgendes: Die Emissionen, die zum Beispiel durch den Strom- oder Heizenergieverbrauch entstehen, müssen bei einer kleinen Tieranzahl auf ein geringeres Gesamtgewicht umgelegt werden.

Auf der anderen Seite kann eine höhere Besatzdichte die Tiergesundheit und Leistung schwächen, was sich ebenfalls negativ auf die Nachhaltigkeit der Tierhaltung auswirken würde.

Impfen ist nachhaltig

Jede Krankheit im Bestand wirkt sich direkt auf die Nachhaltigkeit der Produktion aus. Das belegen Ergebnisse der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo). Je mehr Tiere von einer Infektion betroffen sind und je länger und schwerwiegender die Erkrankung ist, desto größer ist der Schaden auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Doch es gibt Mittel und Wege, um gegenzusteuern. Impfungen, z. B. gegen Circoviren und Lawsonien (PIA) beim Schwein oder Kokzidien-Infektionen beim Geflügel, führen zu einer deutlichen Reduktion des CO2-Fußabdrucks. Wie in Übersicht 3 dargestellt, war der CO2-Fußabdruck bei einem gegen PCV 2-geimpften Schwein um fast 12 % geringer als bei ungeimpften Tieren. Die Ursache liegt in der besseren Allgemeinverfassung des Tieres. Es verwertet das Futter besser als infizierte und ungeschützte Tiere.

Auch die Mortalitätsrate spielt eine große Rolle in Bezug auf die Nach­haltigkeit in der Nutztierhaltung. Beispielberechnungen mit Leistungszielen von Masthähnchen der Zuchtlinie „Ross 308“ aus dem Jahr 2022 und einem Standardfutter zeigen zum Beispiel einen linearen Anstieg von etwa 37 kg CO2eq, wenn die Mortalität um 1 % steigt.

Moderne Genetik nutzen

Welchen Einfluss die Genetik auf die Nachhaltigkeit hat, zeigen Berechnungen der TiHo Hannover am Beispiel des Masthähnchens „Ross 308“. Durch züchterischen Fortschritt verwerten die Hähnchen das Futter immer besser. Dadurch verringerte sich der CO2-Fußabdruck zwischen 2007 und 2022 um 19 %.

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