Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Auch, wenn es im Gegensatz zum Innenbereich möglich bleibt: Die wenigsten Kommunen haben bereits Anliegerbeiträge im Außenbereich erhoben, schätzt Cora Ehlert vom Städte- und Gemeindebund NRW. Aber in Zeiten knapper Kassen hängt eine mögliche Erhebung hoher Beiträge wie ein Damoklesschwert über den Landwirten, sobald Wirtschaftswege erneuert werden.
Auf Kosten der Landwirte?
Seit 2020 erlässt die NRW-Landesregierung den Bürgern im Innenbereich die Straßenbaubeiträge. 2024 schaffte sie die Beiträge endgültig ab: Wenn Straßen, Wege oder Plätze „dem öffentlichen Verkehr gewidmet“ sind, dürfen Kommunen von den Bürgern keine Beiträge mehr zur Erneuerung und Verbesserung fordern. Stattdessen erstattet das Land die Summen.
Ausgenommen von der Regelung sind die Wirtschaftswege. Denn diese sind in der Regel nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet, obwohl die Kommune sie bereitstellt und für die Unterhaltung zuständig ist. Da die Wege vom Erhebungsverbot ausgeschlossen sind, können die Kommunen zurzeit auch keine Erstattung der Kosten durchs Land für deren Erneuerung erwarten.
Damit haben die Kommunen ein Problem: Zu wenig Geld für zu viele zu erneuernde Wege. Die meisten der 140 000 km Wirtschaftswege NRWs entstanden in den 1950er- bis 70er-Jahren. Den heutigen Belastungen sind sie vielfach nicht gewachsen: zu schmal, zu wenig Unterbau, zu schwache Wegedecke.
Die Kommunen können den Ausbau oft nicht aus eigenen Haushaltsmitteln stemmen. Daher sind viele der Empfehlung des Städte- und Gemeindebunds gefolgt. Sie haben die Wirtschaftswege in ihre Satzungen zum Kommunalabgabengesetz (KAG) aufgenommen. Hierüber könnten sie nun Anliegerbeiträge für Herstellung, Erneuerung oder Verbesserung bestehender Wirtschaftswege erheben.
Instandhaltung, laufende Unterhaltung, aber auch Erneuerung der Straßendecke müssen die Kommunen selbst finanzieren. Dafür dürfen sie weder im Innen- noch im Außenbereich Beiträge fordern.
Was machen die Kommunen?
Wir haben mit Kommunen im Westmünsterland gesprochen, wie sie das Problem angehen.
Coesfeld: Nachdem die Stadt die Wege jahrzehntelang nur saniert und neue Decken draufgezogen hat, musste sie in den letzten Jahren gleich mehrere Wege erneuern. Zur Gegenfinanzierung legte sie 2021 separate Anliegerbeiträge für Wirtschaftswege fest. Diese waren zwar niedriger angesetzt als die offiziell für den Innenbereich geltenden Beiträge. Doch werden Letztere von der Landesförderung statt von den Anliegern übernommen.
550.000 € offen
Inzwischen sind satte 550.000 € an Beiträgen für den Ausbau aufgelaufen. „Diese werden wir frühestens 2025 von den Anliegern einfordern – wenn überhaupt“, verspricht Philipp Hänsel, erster Beigeordneter Coesfelds und unter anderem für den Fachbereich „Bauen und Umwelt“ zuständig. Zurzeit prüfe die Verwaltung Alternativen. Letztlich geht es um die Frage: Soll die Allgemeinheit zahlen, wenn die Maßnahmen über den Haushalt finanziert werden? Oder sollen die Anwohner über Beiträge bezahlen?
Letzteres lehnen viele örtliche Landwirte ab. So fordern Stefan Hüwe-Thesker und Johannes Peter in zwei Anträgen von der Stadt, gar keine Beiträge von den Anliegern der Wirtschaftswege zu erheben. „Wenn die Bürger im Innenbereich nicht zahlen müssen, im Außenbereich aber schon, dann ist das nicht gerecht“, empört sich Hüwe-Thesker. Der Ortsverbandsvorsitzende des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV) in Coesfeld ist gesprächsbereit: „Wie genau eine Lösung aussehen kann, da warten wir auf konstruktive Vorschläge der Verwaltung.“ Mitte November sind die Landwirte zur gemeinsamen Beratung eingeladen. „Der einzig gerechte Weg ist, es wie in Rosendahl zu machen und künftig keine Beiträge für Wirtschaftswege einzufordern“, ergänzt Johannes Peter. Der Ortslandwirt von Lette findet: „Alles andere ist eine eklatante Ungleichbehandlung zwischen Innen- und Außenbereich.“ Peter ist selbst Anlieger eines gerade erneuerten Weges. Er argumentiert, dass die Stadt schließlich vom Außenbereich profitiere, beispielsweise über hohe Gewerbesteuereinnahmen aus Windkraftanlagen und demnächst auch aus PV-Freiflächenanlagen. Da könne sie sich nicht vor den Kosten „drücken“.
Billerbeck: Auch in der Domstadt sucht man nach einer gerechten Finanzierung des Ausbaus. In der Vergangenheit setzte die Stadt dabei auf Freiwilligkeit: Die Verwaltung erstellte eine Liste der Wirtschaftswege, die am dringendsten ausgebaut werden müssen. Mit der Kostenkalkulation trat sie an die Anlieger heran. Waren sie bereit, zusammen 10 % der Kosten zu übernehmen, wurde ausgebaut. Die Anlieger konnten die Kosten entsprechend des Verteilungsschlüssels der Verwaltung oder auch anders aufteilen. Seit 2016 wurden so neun Wege ausgebaut und vier weitere über ein Flurbereinigungsverfahren. Bei fünf Wegen kam der Eigenanteil nicht zusammen. „Seit diesem Jahr haben wir das sehr arbeitsintensive Modell ausgesetzt“, so Michaela Besecke. Die Leiterin des Fachbereichs „Planen und Bauen“ ergänzt: „Wie es weitergehen soll, wird noch beraten.“
Verband als Lösung?
In Metelen und Gescher war man lange der Ansicht, ein Wirtschaftswegeverband sei die beste Lösung. Dabei beteiligen sich alle Anlieger von Wirtschaftswegen über Mitgliedsbeiträge am Ausbau. Doch beide Kommunen begruben diese Idee spätestens, als das Land die Anliegerbeiträge für öffentliche Straßen abschaffte.
Gescher: „Der Verband wird nicht mehr kommen“, bestätigt Andrea Venhues, Leiterin der Fachabteilung „Allgemeine Bauverwaltung und Umwelt“. Da Anliegerbeiträge im Innenbereich keine Rolle mehr spielen, sollen auch die Anlieger im Außenbereich nicht zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Die Verwaltung sehe im Sinne der Gleichbehandlung keine andere Lösung als die Finanzierung über den Gesamthaushalt. Die endgültige Entscheidung hierüber soll aber erst im Zuge der Haushaltsberatungen 2025 fallen. Zudem würden jährlich Förderanträge gestellt. 2023 warb die Stadt bereits Fördermittel für den Ausbau zweier Wege ein. „Insgesamt brauchen wir aber eine Dauerlösung aus Düsseldorf, die länger als eine Förderperiode hält, sodass Kommunen verlässlich planen können“, appelliert Venhues.
Metelen: Auch Gregor Krabbe, Bürgermeister von Metelen, wünscht sich Klarheit. Er wartet seit Mai auf Antwort vom Ministerium, auf die Frage, ob das Verbot, Straßenausbaubeiträge zu erheben sowie die Erstattung der Kosten durch das Land zumindest für Hauptwirtschaftswege gelten, die durch die Kommune dem öffentlichen Verkehr gewidmet werden. KAG-Beiträge für Wirtschaftswege soll es in Metelen nicht geben. Wie Sanierung und Ausbau stattdessen verträglich zu finanzieren sind, darüber brütet seit Jahren eine Arbeitsgruppe. „Mit 130 000 € allgemeiner Pauschale aus dem jährlichen Finanzausgleich für alle Unterhaltungsmaßnahmen der Gemeinde lässt sich jedenfalls nicht viel erreichen“, bedauert Krabbe die unzureichende Finanzierung des ländlichen Wegenetzes.
Hamminkeln: Hier setzt man weiter auf einen Verband. „Sanierung und Ausbau unserer 400 km Wirtschaftswege können wir unmöglich komplett aus Eigenmitteln finanzieren“, so Robert Graaf. Der Kämmerer macht sich keine Illusionen: „Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass sich das Land am Ausbau beteiligt – außer über eine Förderung hier und da.“ So auch der Eindruck des Wochenblatts. Unsere Anfrage ergab: Die zuständigen Ministerien wissen nichts von Plänen, das Erhebungsverbot auf Wirtschaftswege auszuweiten und Beiträge zu erstatten.
„Wir Kommunen müssen eigene Lösungen finden. Einen Verband halte ich für die Beste“, ist Kämmerer Graaf überzeugt. Dass es bisher nicht klappte, liege an Fehlern bei der Gründung. Zurzeit lässt die Stadt klären, wie man rechtssicher regelt, dass alle Anlieger von Wirtschaftswegen Verbandsmitglieder werden müssen. Denn nur so verteilen sich die Beiträge auf alle. Ist das geklärt, will die Stadt einen neuen Antrag auf Verbandsgründung beim Kreis Wesel stellen, sofern der Stadtrat weiter mitgeht.
Die Ursprungsidee hinter dem Verband: Die Stadt vergibt einen Großauftrag für den Ausbau aller maroden Wirtschaftswege. Die Abzahlung der erforderlichen Kredite erfolgt zur Hälfte aus Mitgliedsbeiträgen, zur Hälfte aus städtischen Mitteln. Der entscheidende Unterschied zur Herangehensweise in Metelen oder Gescher: Die Stadt übernimmt die komplette Administration des Verbands – von Verwaltung über Beitragserhebung bis hin zur Baubegleitung. Vorteil des Verbands: Die Kosten verteilen sich auf alle im Außenbereich statt nur auf die Landwirte an einer maroden Straße. Für Kämmerer Graaf ist auch entscheidend, dass im Verband alle Betroffenen gemeinsam diskutieren, wie der Ausbau möglichst kostengünstig zu realisieren ist. Werden Anliegerbeiträge erhoben, gebe es genaue Vorgaben, die den Ausbau extrem verteuern.
Selbst wenn es mit der Verbandsgründung nicht klappt: Anliegerbeiträge erheben will die Stadt ausdrücklich nicht. Zurzeit stellt sie Förderanträge und realisiert nur Ausbauvorhaben, für die sie einen Zuschlag bekommt. In den letzten fünf Jahren hat sie 1,5 Mio. € Förderung bekommen und insgesamt 3,5 Mio. € in die Wirtschaftswege gesteckt. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Graaf.
In Zukunft: Schotterwege?
Hamminkeln bessert zurzeit in erster Linie Schlaglöcher aus. Für mehr fehlt das Geld. Die Stadt prüft derzeit, wie sinnvoll es ist, künftig verstärkt asphaltierte Wege zu fräsen und sie so zu wassergebundenen Wegen umzubauen. Das testet sie bereits auf zwei Probeabschnitten. Zur Reparatur wird einfach Schotter aufgeschüttet.
Ist das die Zukunft der Wirtschaftswege? Vom Land ist jedenfalls nicht viel zu erwarten. Das Landwirtschaftsministerium förderte im letzten Jahr den Ausbau von rund 40 km Wirtschaftswegen. 2024 waren es bisher rund 56 km. Bei 140.000 km Wirtschaftswegen in NRW ist das in der Tat ein Tropfen auf den heißen Stein.