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topplus Kanada & Tschechien

Warum deutsche Landwirte im Ausland wirtschaften

Was bewegt Landwirte aus Deutschland, im Ausland Landwirtschaft zu betreiben? Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Wir haben mit Betriebsleitern gesprochen, die diesen Schritt gewagt haben.

Lesezeit: 6 Minuten

Andreas Thomsen-Jung lebt seit Januar 2009 im kanadischen Ontario und bewirtschaftet südlich von Toronto einen 2.200 ha großen Ackerbaubetrieb. Der 44-Jährige stammt von einem landwirtschaftlichen Betrieb in Schleswig-Holstein mit Ackerbau und Schweinemast. Da er und sein Bruder in die Landwirtschaft einsteigen wollten, hat sich Andreas Thomsen-Jung damals entschieden, einen eigenen Betrieb an einem neuen Standort aufzubauen. Nach seinem landwirtschaftlichen Studium in Rendsburg arbeitete er zunächst drei Jahre auf dem elterlichen Betrieb, bevor seine Auswanderungspläne konkreter wurden.

Kanada: Stabile politische Situation und gleiche Wertevorstellungen

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Gemeinsam mit seinem Vater suchte Thomsen-Jung zunächst in Ostdeutschland nach einem neuen Standort. Als sie dort nicht fündig wurden, nahm er Kontakt zu interfarms auf - einem Immobilienspezialisten für landwirtschaftliche Flächen im In- und Ausland. Auf diesem Weg erhielt er verschiedene Angebote von Farmen in Kanada. Thomsen-Jung reiste mit seinem Vater dorthin und besichtigte mit dem dortigen Makler verschiedene Betriebe. Bei dem Betrieb in Ontario passten alle Rahmenbedingungen, sodass er sich relativ schnell für den Kauf entschied. „Ich habe dafür meinen Betriebsteil Zuhause und weitere Beteiligungen an meinen Bruder verkauft. Unser Vater hat uns früh in die Verantwortung genommen, sodass ich schon im Alter von 14 Anteile an unserem Betrieb hatte“, sagt Andreas Thomsen-Jung.

Ich habe dafür meinen Betriebsteil Zuhause und weitere Beteiligungen an meinen Bruder verkauft."
Andreas Thomsen-Jung

Während seines Studiums reiste er oft mit Kommilitonen nach Polen, Rumänien, Ungarn und in die Ukraine, um die dortige Landwirtschaft kennen zu lernen. „Aber in den östlichen Ländern ist es schwierig, sich ein soziales Umfeld aufzubauen. Außerdem ist die politische Situation in Kanada sehr stabil und es herrschen die gleichen Wertevorstellungen wie in Deutschland“, erzählt er über seine Beweggründe für Kanada.

Nähe zur Hafenstadt Hamilton

Neben dem Ackerbau betreibt er einen Getreidehandel, ein Lohnunternehmen und eine Spedition. Die Spedition führt er seit acht Jahren. Hauptsächlich fährt er Mais und Weizen in die USA und kommt mit Sojabohnen zurück, weil es in der nahe gelegenen Stadt Hamilton eine große Ölmühle gibt. Ein weiterer Vorteil seines Standortes ist, dass Hamilton eine Hafenstadt ist. „Dadurch haben wir enorme Vorteile bei den Frachtkosten und erwirtschaften im Durchschnitt so viel wie die Top-Regionen“, sagt der Landwirt. Seine gesamte Anbaufläche besteht aus schweren Tonböden.

Politiker stehen der Landwirtschaft nahe

Thomsen-Jung beschäftigt insgesamt 15 Mitarbeiter. Die Mitarbeiter, die damals im Betrieb waren, konnte er alle übernehmen. Die Arbeitsmarktsituation sei vergleichbar mit der in Deutschland. „Als landwirtschaftlicher Arbeitgeber konkurrieren wir mit der Industrie. Deshalb müssen wir Industrielöhne zahlen - gute Mitarbeiter sind rar und kosten Geld“, weiß er.

In der Politik gibt es Leute, die der Landwirtschaft nahestehen, und man hört viel auf die Wissenschaft."
Andreas Thomsen-Jung

Allerdings sei die politische Situation für die Landwirtschaft in Kanada besser als in Deutschland. „In der Politik gibt es Leute, die der Landwirtschaft nahestehen, und man hört viel auf die Wissenschaft. Das ist alles realistischer als in Deutschland, wo vieles emotional und ideologisch getrieben ist. Hier in Kanada wird mehr nach bestem Wissen und Gewissen entschieden“, erzählt der Wahlkanadier. Vielleicht liege das auch daran, dass Landwirte in der Gesellschaft ein hohes Ansehen genießen. Die Landwirtschaft ist ein starker Wirtschaftsfaktor in Kanada.

Vertrauen in die Landwirte

Auch die Bürokratie sei viel unkomplizierter. Es gebe zwar klare Regeln, aber man vertraue viel mehr darauf, dass diese auch eingehalten werden. „In Deutschland lautet die Denkweise eher: Wenn wir dich nicht kontrollieren, gehen wir davon aus, dass du etwas falsch machst“, sagt Thomsen-Jung. Einen weiteren Vorteil sieht er im Miteinander unter Berufskollegen. Es herrsche mehr Respekt unter den Landwirten, der Umgang sei offener und lockerer. Junglandwirte oder Neueinsteiger hätten es einfacher, sich eine Existenz aufzubauen, spricht er aus Erfahrung.

Thomsen-Jung ist in Kanada fest verwurzelt, seit einigen Jahren hat er die doppelte Staatsbürgerschaft. „Alle meine Freunde hier sind Kanadier und ich bin es mittlerweile auch“, sagt er.

Tschechien: Liberal und offen

Niklas Klingebiel bewirtschaftet zusammen mit seiner Familie neben dem elterlichen Hof im niedersächsischen Duderstadt im Landkreis Göttingen einen Ackerbaubetrieb in Tschechien. 2014 hat sein Vater den Betrieb in Nordböhmen – zwischen Dresden und Prag – gekauft. Da Klingebiels in Deutschland wenig Möglichkeiten sahen, sich flächenmäßig zu erweitern, haben sie sich damals mithilfe eines Maklers für den Standort in Tschechien entschieden. Ein Jahr dauerte es, bis der Kauf notariell unter Dach und Fach war.

Bei der Suche nach geeigneten Flächen waren den Landwirten vor allem gute Böden und gute klimatische Bedingungen wichtig. Beides ist an ihrem tschechischen Standort gegeben. „Außerdem ist Tschechien ein sehr liberales und offenes Land. Wir hatten damals großes Glück, denn neben den landwirtschaftlichen Vorzügen bietet Tschechien auch viele Vorteile zum Leben“, sagt Niklas Klingebiel, der seit rund zehn Jahren regelmäßig vor Ort ist. Die Region ist touristisch geprägt, er schätzt die kulinarische Vielfalt und die enge Beziehung zu den Nachbarbetrieben. Der Betrieb liegt nur einen Kilometer von der nächsten Stadt mit 30.000 Einwohnern entfernt. „Wir werden wie Einheimische behandelt, man fühlt sich als Ausländer hier sehr wohl“, sagt er.

Getreidevermarktung erfolgt in Deutschland

Der 28-Jährige verantwortet den tschechischen Ackerbaubetrieb seit der Übernahme 2014. Drei bis fünf Tage in der Woche ist er je nach Arbeitsaufkommen vor Ort in Tschechien. Den Rest der Zeit lebt er in Deutschland auf dem elterlichen Betrieb. „Dort ist und bleibt mein Lebensmittelpunkt“, sagt er. Die beiden Betriebe liegen etwa drei Autostunden voneinander entfernt.

Inzwischen bewirtschaften Klingebiels in Tschechien 2.200 ha, auf denen Zuckerrüben, Weizen, Durum, Raps, Gerste, Braugerste und Mohn wachsen. Die Böden bestehen aus Lösslehm, Schwarzerde und Kalkstein mit Bodenpunkten zwischen 50 und 80. Das Getreide vermarkten sie zu 90 Prozent in Deutschland. Für den Transport nach Deutschland haben Klingebiels drei eigene LKWs angeschafft. Der Raps hingegen verbleibt in Tschechien, da es dort einige Ölmühlen gibt.

Tschechien hat die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU, entsprechend angespannt ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt."
Niklas Klingebiel

Vorteile und Herausforderungen in Tschechien

Insgesamt sind sieben feste Mitarbeiter angestellt, darunter eine Bürokraft. In Arbeitsspitzen kommen Saisonkräfte hinzu. „Tschechien hat die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU, entsprechend angespannt ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Unser Team ist sehr jung, die meisten unserer Mitarbeiter sind unter 30“, sagt Niklas Klingebiel, der inzwischen fließend Tschechisch spricht. Die gute Mitarbeitersituation in den nächsten Jahren zu halten, sieht er als eine der großen Herausforderungen für die Zukunft.

Die größten Vorteile in Tschechien sieht der junge Landwirt vor allem im Bereich der Digitalisierung. Tschechien ist hoch digitalisiert und deutlich weiter als Deutschland. Antragsverfahren, Rechnungsversand und der allgemeine Schriftverkehr laufen komplett digital ab. Die Kontrollen sind aufgrund der EU-Vorschriften ähnlich wie in Deutschland, aber Klingebiel hat den Eindruck, dass die Kontrolleure den Landwirten mehr Vertrauen entgegenbringen als in Deutschland.

Hier fragt auch mal ein Kommunalpolitiker, wie die Ernte gelaufen ist."
Niklas Klingebiel

Außerdem seien Bevölkerung und Politik näher an der Landwirtschaft. „Die Menschen haben mehr Vertrauen in die Landwirte, es wird nicht so viel hinterfragt. Hier fragt auch mal ein Kommunalpolitiker, wie die Ernte gelaufen ist“, erzählt Niklas Klingebiel.

Gute Perspektiven

Derzeit besteht der Ackerbaubetrieb aus drei Betriebsstätten, da bei Flächenübernahmen nicht selten auch eine Betriebsstätte mit übergeben wird. Klassische Familienbetriebe mit drei Generationen gibt es in Tschechien kaum. Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe werden als GmbH oder Genossenschaft geführt. Da sich immer weniger Landwirte finden, die ein solches Unternehmen führen wollen, sieht Niklas Klingebiel gute Chancen, seinen tschechischen Standort in Zukunft weiter auszubauen.

Wenn Sie sich für das Thema Auswandern als Landwirt oder für Auslandsinvestitionen interessieren, nehmen Sie gerne an dieser Umfrage teil.

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