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Biowasserstoff: Chance für Post-EEG-Anlagen

Lesezeit: 5 Minuten

Wasserstoff lässt sich nicht nur über die Elektrolyse von Windstrom herstellen, sondern auch dezentral durch Dampfreformierung an Biogasanlagen. Maximilian Schleupen von der RWTH Aachen erläutert, welche Vorteile das hätte.


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Grüner Wasserstoff wird heute schon per Elektrolyse aus Wind- oder Solarstrom hergestellt. Welche Vorteile hätte die Erzeugung von Wasserstoff aus Biogas?


Schleupen: Bei der Elektrolyse gibt es zwei Probleme: Die Anlage ist teuer, für eine Amortisation ist also ein kontinuierlicher Betrieb wünschenswert. Zudem benötigen potenzielle Abnehmer von Wasserstoff wie Industrieunternehmen oder Flottenbetreiber eine kontinuierliche Belieferung. Beides spricht gegen Wind- oder Solarstrom, die ja nur sehr schwankend anfallen. Biogasanlagen dagegen können auch kontinuierlich Wasserstoff erzeugen.


Welchen Weg für die Wasserstoffproduktion halten Sie für sinnvoll?


Schleupen: Hier hat sich in unseren Studien die Dampfreformierung als am weitesten ausgereift dargestellt. Das Verfahren wird heute eingesetzt, um Wasserstoff aus fossilem Erdgas herzustellen, könnte aber auch für Biogas zum Einsatz kommen.


Wie funktioniert das genau?


Schleupen: Das Rohbiogas wird zur Strom- oder Biomethanproduktion entschwefelt, entfeuchtet usw. Dann wird es in einem Reformer bei 850°C weiter behandelt. Darin reagiert das Methan im Biogas mit Wasser zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Hieran beteiligt ist ein nickelhaltiger Katalysator. In der anschließenden Wassergas-Shift-Reaktion bei rund 400°C entstehen CO2 und Wasserstoff. Im Synthesegas sind etwa 65% Wasserstoff enthalten. Zum Beispiel in einer Druckwechselabsorption (PSA) wird das CO2 abgetrennt, sodass am Ende fast reiner Wasserstoff anfällt.


Das Ganze hört sich sehr aufwendig an. Wie ist der Wirkungsgrad?


Schleupen: So aufwendig ist das gar nicht. Zum Beispiel gibt es im Vergleich zum klassischen BHKW keine schnell rotierenden Teile, wodurch der Verschleiß gering ist und die Lebensdauer deutlich erhöht wird.


Mit der Betrachtung von Wirkungsgraden ist es immer so eine Sache, dafür sollte immer auch die Anwendung berücksichtig werden. Biogas ist da ein sehr schönes Beispiel. Der elektrische Wirkungsgrad eines BHKW liegt bei rund 40%. Durch die Dampfreformierung können etwa 65% der Energie des Biogases als Wasserstoff genutzt werden, durch eine Biomethanaufbereitung hingegen nahe 100%. Die restliche Energie fällt als Wärme an und kann für den Biogasprozess oder in Nahwärmeanwendungen genutzt werden und so den Gesamtanlagenwirkungsgrad der Anlage deutlich erhöhen.


Ermittelt man allerdings den Nutzen, beispielsweise als Energieträger im Verkehr, zeigt sich ein anderes Bild. Durch Ladung, Kompression oder Verbrennung treten je nach Technologie weitere Verluste auf und es stellt sich heraus, dass auf Basis von Biogas batterieelektrische, brennstoffzellenelektrische oder CNG-Autos alle etwa gleichweit fahren würden. Es ist also aus energetischer Sicht egal, welche Technologie gewählt wird, es kommt hier stark auf die örtlichen Gegebenheiten und andere Vor- und Nachteile an. Das ist übrigens auch ein deutlicher Vorteil der Technologie gegenüber der Elektrolyse, denn ein brennstoffzellenelektrisches Auto fährt etwa dreimal so weit wie ein batterielektrisches.


Welches Potenzial hätte die Biowasserstofferzeugung?


Schleupen: Alle 9500 Biogasanlagen in Deutschland zusammen könnten rund 58 TWh oder 1,75 Mrd. kg Wasserstoff erzeugen. Im Vergleich dazu kämen alle Photovoltaikanlagen zusammen nur auf 33,3 TWh. Daher halte ich es für sinnvoller, erst einmal den Anteil der erneuerbaren Energien im Strombereich zu erhöhen. Wir sind ja erst bei knapp 50% und haben dabei noch viel Potenzial. Biowasserstoff bringt uns volkswirtschaftlich mehr, als wenn wir nur auf die Elektrolyse setzen. Die aus Biogas erzeugte Menge könnte ausreichen, um einen Großteil des Schwerlastverkehrs mit Wasserstoff zu versorgen. Ein Zehntel der Menge wäre nötig, um alle Busse zu betanken.


Wie schätzen Sie die Wirtschaftlichkeit ein?


Schleupen: Das ist im Moment schwer abzuschätzen, da es ja noch keinen richtigen Markt gibt. Heute kann man zwar an der Tankstelle Wasserstoff brutto für 9,50 €/kg kaufen, aber das ist kein Marktpreis, sondern von der Gasbranche für die ersten Projekte festgelegt. Eine durchschnittliche Biogasanlage erhält heute etwa 20 ct/kWh als Stromeinspeisevergütung. Umgerechnet wäre das ein Wasserstoffpreis von 4,40 €/kg. Allerdings muss man bedenken, dass eine Dampfreformierung etwa 1,3 Mio. € kostet. Diese hätte eine Kapazität von 18 kg /Stunde oder 150 t/Jahr. Damit ließe sich z.B. eine Flotte von 18 Bussen kontinuierlich versorgen. Die Rechnung geht aber nur auf, wenn der gesamte Wasserstoff abgenommen wird.


Aber von den Erlösen muss der Betreiber ja auch den Kapitaldienst für die Reformierung stemmen.


Schleupen: Richtig. Darum ist der Wasserstofferlös entscheidend und der Betreiber benötigt auch kein BHWK mehr. Theoretisch könnte er ihn mit dem Quotenerlös erhöhen. Eine Treibhausminderungsquote kann der Tankstellenbetreiber – vereinfacht gesagt – mit dem Verkauf von Wasserstoff erhalten und an Mineralölkonzerne verkaufen, die eine bestimmte Quote erfüllen müssen. Der Quotenpreis ist sehr stark schwankend und hängt von vielen Faktoren ab. Er kann den Wasserstoffpreis zwischen 25 ct/kg und mehreren Euro erhöhen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.


Wovon hängt das ab?


Schleupen: In erster Linie von dem Gesetz zur Treibhausgasminderung, das derzeit verhandelt wird. Nach den ersten Entwürfen (Stand Ende April 2021) soll biogener Wasserstoff nicht anrechenbar auf die THG-Quote sein – völlig unverständlich. Sollte es dabei bleiben, würde diese zusätzliche Erlösquelle nicht möglich sein. Dies hat allerdings auch der Bundesrat erkannt und in seiner Stellungnahme vom 26.3.21 eine Änderung gefordert. Darum hoffen wir, dass an dieser Stelle nachgebessert wird.


Wird dann doch Elektrolysewasserstoff das Rennen machen?


Schleupen: Das bezweifle ich. Es gibt zwar immer wieder Studien, die einen Preis von 3 €/kg Wasserstoff bei der Elektrolyse vorhersagen. Aber das ist im Grunde nur ein Grenzpreis. Man benötigt für 1 kg Wasserstoff 50 kWh Strom. Umgerechnet bedeutet das, dass der Strom ganzjährig weniger als 5 ct/kWh kosten muss und die Elektrolyse auch kontinuierlich produziert. Das ist bei Wind- und Solarstromanlagen kaum zu schaffen. Darum halte ich die Biowasserstoffproduktion für sehr konkurrenzfähig. Das wäre aus meiner Sicht eine gute Lösung für Anlagen, die keine EEG-Vergütung mehr erhalten.


hinrich.neumann@topagrar.com

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