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„Das Potenzial für Biogasanlagen ist riesig“

Lesezeit: 5 Minuten

Detlef Siebert, Geschäftsführer des Direktvermarkters Natgas, erklärt, warum Regelenergie für Biogasanlagen uninteressant ist und welche neuen Märkte stattdessen spannend sind.


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Wie entwickelt sich der Strompreis?


Siebert: Die Preise hängen immer vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ab. Wenn am Vormittag werktags die Industriebetriebe ihre Produktion hochfahren, steigt der Strompreis an. Mittags produzieren Solaranlagen bei Sonne viel Strom, sodass es eine Preisdelle gibt. Heute ist der Preis noch stark beeinflusst von den Grundlastkraftwerken. Wenn aber immer mehr Kohle- und Atomkraftwerke aussteigen und dafür mehr unregelmäßig erzeugter Wind- und Solarstrom anfällt, erwarten wir weiter steigende Schwankungen der Preise an den Spotmärkten. Außerdem wird es immer mehr Tage geben, an denen eine vollständige Versorgung von erneuerbaren Energien vorliegt, wie am Neujahrestag oder Pfingsten 2018. Da konventionelle Kraftwerke ihre Leistung nicht so schnell reduzieren können, zahlen sie mit negativen Preisen sogar dafür, dass wir den Strom ins Ausland exportieren müssen.


Wie können Biogasanlagen davon profitieren?


Siebert: Strom wird innerhalb eines Tages am sogenannten Intraday-Markt an der Börse viertelstündlich gehandelt. Biogasanlagen reagieren viel schneller auf Strompreisschwankungen als die großen Grundlastkraftwerke. Sie können dazu beitragen, kurzfristigen Strombedarf in Zeiten zu decken, an denen der Preis hoch ist. Es wird für Anlagenbetreiber immer lukrativer, die Anlage zu flexibilisieren und die Preisdifferenz auszunutzen.


Das müsste doch eigentlich die Regel-energie wieder interessant machen.


Siebert: Das könnte man meinen, aber das Gegenteil ist der Fall. Im Jahr 2009 hat beispielsweise die negative Sekundärregelleistung im Monatsmittel noch 6140 €/MW an Erlös gebracht. Im März 2018 lag der Erlös noch bei 4,66 €/MW. Auch die Primärregelleistung, die bislang als interessant galt, ist von 16887 €/MW pro Monat im Jahr 2009 auf 7376 €/MW im März 2018 regelrecht abgestürzt. Da die Bundesnetzagentur jetzt zudem den Auktionsmechanismus anpassen will, werden auch die Arbeitspreise vermutlich weiter zurückgehen.


Wird die Regelenergie bedeutungslos?


Siebert: Nein, aber die Nachfrage danach wird sinken. Denn die Regelenergie wird ja nur zum Aufrechterhalten der Netzfrequenz benötigt. Heute können Netzbetreiber Schwankungen im Stromnetz aber auch im Intraday-Handel ausgleichen, weil sie viertelstündlich Strom handeln können. Außerdem wird die wachsende Anzahl an Großbatterien viel Regelleistung übernehmen.


Was heißt das für Biogasanlagen?


Seibert: Sie sollten stark flexibilisiert sein, um ganz gezielt der Stromproduktion von Wind- und Solaranlagen aus dem Weg gehen zu können.


Was heißt für Sie „stark flexibilisiert“?


Seibert: Hierzu muss man jede Anlage natürlich individuell betrachten, pauschale Empfehlungen gibt es nicht. Aber man kann Trends ablesen: Wenn ein Anlagenbetreiber im Jahresdurchschnitt im Jahr 2017 an 8000 Stunden Strom produziert hat, war der Strom 3,24 ct/kWh wert. Hätte sich der Direktvermarkter die 4000 lukrativsten Stunden im Jahr 2017 herausgesucht, wäre der Strom schon 4,63 ct/kWh Wert gewesen. Hierfür müsste die Anlagenleistung verdoppelt werden. Bei einer Vervierfachung der Leistung und lediglich 2000 Betriebsstunden im Jahr hätte der Landwirt im Schnitt 5,46 ct/kWh erlöst. Diese Mehrerlöse könnten in Zukunft steigen. Es wird dazu kommen, dass Biogasanlagen mehrfach am Tag angesteuert werden. Die Bedeutung von automatischen Fahrplänen, die bestimmten Algorithmen folgen, wird steigen. Das ist das Know-how jedes Direktvermarkters.


Wird aber nicht der Preis verfallen, wenn immer mehr Biogasanlagen flexibilisieren?


Siebert: Nein, denn selbst wenn alle der heute existierenden 9000 Biogasanlagen flexibel gefahren werden würden, läge die Leistung bei rund 6 GW. Studien zeigen, dass künftig 200 GW an flexibler Leistung benötigt werden. Dazu ein Beispiel: Ein Kernkraftwerk kommt im Jahr auf 8000 Vollbenutzungsstunden, ein Windrad dagegen auf 2000. Um das AKW auszugleichen, müsste also die vierfache Menge an Windenergie installiert werden. Entsprechend schwankt das Stromangebot. Es werden also weitere Optionen wie Power-to-Gas, Speicher, usw. benötigt. Kurzum: Der Markt ist riesig, Biogasanlagen bietet sich also genug Potenzial.


Wird das die Politik erkennen und den Flexdeckel von derzeit 1350 MW erhöhen? Denn auch wenn heute erst die Hälfte davon ausgeschöpft ist, machen sich viele Anlagenbetreiber Sorgen, dass sie nicht mehr davon profitieren könnten. Und ohne Flexprämie ist eine Flexibilisierung der Anlage unwirtschaftlich.


Siebert: Die Regierung sollte nicht nur den Flexdeckel abschaffen, sondern auch denjenigen Anlagenbetreibern eine zweite Chance geben, die zwar schon flexibilisiert haben, jedoch mit zu geringer Leistung. Soll heißen, dass diese Betreiber ein zweites Mal in ihre Anlage investieren könnten und die bereits ausbezahlten Flexibilitätsprämien angerechnet werden müssten. Zusätzlich sollten aber auch schnellstmöglich die Ausschreibungsvolumina für die 2. Förderdauer gemäß EEG 2017 über das Jahr 2022 hinaus veröffentlicht werden.


Eine weitere Option für Anlagen, die aus der EEG-Förderung fallen, könnte der Gasmarkt sein. Ihr Unternehmen ist ja auch im Gashandel tätig. Sehen Sie im Biomethanverkauf eine Alternative zur Stromvermarktung?


Siebert: Ja, auch darin sehen wir eine Chance. Biomethan kann einen wichtigen Beitrag in der sektorenübergreifenden Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien leisten. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrs-Sektor z. B. liegt unter 10%. Bis 2050 müsste dieser auf 80% erhöht werden. Hierfür werden wir alle Optionen benötigen. Wir sehen jedoch auch für gut flexibilisierte Biogasanlagen einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb. Ein wichtiger Faktor hierbei wird jedoch auch die Entwicklung des CO2-Preises sein. Kontakt:


hinrich.neumann@topagrar.com

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