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Mehr Wohnraum für Bakterien

Lesezeit: 6 Minuten

Mit Pflanzenkohle hat Johannes Dieckmann eine unerklärliche Hemmung im Fermenter beseitigt. Das Material brachte weitere unerwartete Zusatzeffekte.


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Johannes Dieckmann war ratlos. Seine Biogasanlage kam nicht mehr auf 100% Leistung. Die im Jahr 2013/14 gebaute Anlage mit zwei parallelen Hochfermentern hat eine Leistung von 1,25 Megawatt (MW). „Doch im Januar 2017 fing es an, da war auf einmal bei 1,0 MW Schluss“, erklärt der Landwirt aus Helmstedt (Niedersachsen).


Kein Spurenelementmangel


Sein prozessbiologischer Berater Sven Nefigmann von der Firma Lucrat GmbH aus Steinfurt-Hollich (Nordrhein-Westfalen) tippte zunächst auf einen Spurenelementemangel – ein typisches Phänomen, das bei neuen Anlagen ein bis zwei Jahre nach Inbetriebnahme auftreten kann. Es gab zwar gewisse Mängel, doch die Zusatzgabe hatte keinen Effekt. Dieckmann gab im Jahr 2017 rund 15000 € für Spurenelemente aus. Trotzdem stiegen die freien organischen Fettsäuren (FOS) weiter an: Während 1000 mg/l Essigsäure und unter 100 mg/l Propionsäure normal sind, stellten die Labortechniker 4600 mg/l Essigsäure und 1800 mg/l Propionsäure in Dieckmanns Fermenter fest.


Kohle als Resorptionsstoff


Dann kam Nefigmann auf die Idee, Pflanzenkohle einzusetzen. Das Material erzielt derzeit große Erfolge z.B. in der Tierernährung, als Einstreumaterial in Geflügelställen oder als Bodenverbesserer (siehe „Pflanzen- oder Biokohle“, S. 11). „Kohle hat eine sehr große innere Oberfläche. Wir wollten es als Resorptionsstoff im Fermenter einsetzen, an den sich Hemmstoffe anlagern können“, erklärt Nefigmann.


Denn Dieckmann setzt Mais- und Ganz-pflanzensilage, Mastschweinegülle und 20% Hähnchenmist ein, den er aus dem westlichen Niedersachsen zukauft. Hemmstoffe im Geflügelmist oder eine Stickstoffhemmung durch Ammoniak hätten eine Ursache für den Leistungsabfall sein können.


Für den Versuch war Dieckmanns Anlage sehr gut geeignet: Er versorgt beide Fermenter mit je 3800 m3 Volumen parallel mit Gülle aus einer Vorgrube sowie mit Feststoffen aus einem Dosierbehälter. Gleichzeitig erfasst er bei jedem Fermenter Gasertrag und -qualität getrennt. Fermenter II war eindeutig der schlechtere, die Bakterien produzierten pro Stunde rund 20 m3 weniger Bio-gas. Auf Nefigmanns Empfehlung setzte Dieckmann im Juni 2017 neun Tage lang täglich 500 kg Pflanzenkohle dem Fermenter II zu, danach 30 kg pro Tag. „Die hohe Anfangsgabe ist nötig, um eine entsprechende Oberfläche im Fermenter zu erreichen. Später reicht eine geringe Menge, um ausgetragenes Material zu ersetzen“, erklärt Nefigmann.


Leistung nahm zunächst ab


Zunächst nahm die Leistung sogar ab. „Aber das hatten wir erwartet, die Biologie muss sich ja erst umstellen“, sagt der Berater. Dann nahm der FOS-Wert allmählich ab, der Methangehalt stieg langsam, der Gasertrag sogar deutlich an. Die Leistung blieb auch nach einigen Monaten konstant, sodass es sich nicht nur um eine kurzfristige Auflösung einer Hemmung handeln konnte. Im Juni 2018 setzte er auch beim Fermenter I Kohle ein. Dieckmann stellte dabei Folgendes fest:


  • Der Gasertrag war bei beiden Fermentern nach einem Jahr konstant 20 m3 pro Stunde höher als vorher.
  • Die Pufferkapazität stieg stark an, was ein deutliches Zeichen für einen stabilen Prozess ist.
  • Die Prozessbiologie ist seitdem weniger anfällig für Substratwechsel: Eine höhere Zugabe von Getreideschrot oder Zuckerrüben führt weder zu mehr Säuren noch zur Schaumbildung.
  • Dieckmann konnte den Anteil Hähnchenmist auf 36% steigern, ohne dass es Probleme gab. Das war für ihn sehr hilfreich, da er wegen der Trockenheit im Jahr 2018 nur wenig Mais ernten konnte. Der Stickstoffgehalt im Fermenter ist sogar von 3,6 auf 7,8 kg NH4/t Gärprodukt gestiegen, ohne dass es zu einer Hemmung kam.
  • Er hat seitdem keine Spurenelemente mehr eingesetzt. Obwohl im Fermenter laut Analyse weniger Spurenelemente sind, als die Bedarfsnorm empfiehlt, läuft der Prozess stabil.
  • Die Viskosität des Fermenterinhalts ist gesunken. Im Fermenter hat er einen TS-Gehalt von 12,5%, was sehr hoch ist. Trotzdem konnte er die Betriebszeiten der Rührwerke reduzieren.


Wie die Kohle wirkt


„Die Wirkungsweise der Kohle im Fermenter wird in mehreren Instituten erforscht, es gibt erst wenig Literatur dazu“, erklärt Nefigmann. Aber er hat die Kohle untersuchen lassen. Außerdem gibt es Erfahrungen aus der Industrie. Daraus zieht er Rückschlüsse:


  • Die Kohle sorgt im Fermenter von Dieckmann für eine innere Oberfläche von etwa 1,2 Mio. m2. Wie Aufnahmen mit einem Elektronenmikroskop zeigen, gibt es innerhalb der Kohlepartikel feine Kapillar-Röhrchen. Diese sorgen für einen erhöhten Kapillardruck, der – vereinfacht gesagt – für einen höheren pH-Wert innerhalb der Kapillarkohle sorgt.
  • Der höhere pH-Wert sorgt für eine Verschiebung des Verhältnisses von Ammoniak (NH3) zu Ammonium (NH4), d.h., es wird mehr NH4 gebildet. NH3 wirkt hemmend auf die Methanproduktion, weshalb z.B. der Einsatz von stickstoffreichem Material wie Geflügelmist begrenzt ist. Mit dem Zusatz von Kapillarkohle könnte sich das ändern.
  • Die Kohle sorgt für eine große Besiedlungsfläche im Fermenter, an der sich die verschiedenen Bakterienstämme zur Biogasbildung anheften können. Da die Kohle – anders als z.B. Biomassepartikel, die normalerweise als Besiedlungsfläche dienen – nicht abgebaut wird, blieben die Bakterien länger haften, was die Biogasausbeute erhöht.
  • Die Kohle hat auch in mit Flüssigkeit gefülltem Zustand eine so geringe Dichte, dass sie im Fermenter in der Schwebe bleibt und nicht wie bei anderen Substanzen wie Kalk (mit dem sich der pH-Wert auch erhöhen lässt) absinkt und sedimentiert.


Auf Basis von Hartholz


Die Firma Lucrat bietet das Kohleprodukt inzwischen unter dem Namen „CarboFerm“ als Produkt an. Als Ausgangsmaterial verwendet der Hersteller, über den Lucrat aktuell noch nichts sagen möchte, Harthölzer, die über ein spezialisiertes Pyrolyseverfahren zu Kohle umgewandelt werden. Neben dem Rohstoff würden u.a. auch die Stückigkeit und die Pyrolysetemperatur die Produkteigenschaften bestimmen. Das ist aus Nefigmanns Sicht aus zwei Gründen wichtig:


  • Nur Hartholzkohle in entsprechend großen Stücken sorgt für die entsprechende Kapillarstruktur. Das sei bei der Verwendung in Biogasanlagen eine wichtige Eigenschaft – anders, als z.B. bei Futterkohle oder bei der Bodenverbesserung.
  • Die so produzierte Holzkohle ist nach den europäischen Pflanzenkohle-Richtlinien zertifiziert (EBC). Damit hat der Betreiber einen Nachweis, welche Stoffe enthalten sind. Da Waldholz ein nach EEG zugelassener nachwachsender Roh-stoff ist, ist der Betreiber rechtlich auf der sicheren Seite – auch wenn die Kohle selbst kein Gas produziert und daher nicht als Einsatzstoff gilt.
  • Holzkohle ist nach der Düngemittelverordnung ein zugelassener Ausgangsstoff, der mit dem Gärrest ausgebracht werden darf.


Aus seiner Sicht sei es auch wichtig, die Betreiber beim Einsatz prozessbiologisch zu begleiten. „Es ist nicht damit getan, nur ein paar Kilogramm Kohle in den Fermenter zu werfen, die Auswirkungen müssen auch regelmäßig untersucht werden“, rät er.


CarboFerm als Premiumkohle mit einem Kohlenstoffgehalt von 90% und einer Restfeuchte von 9% kostet derzeit 1,70 €/kg einschließlich der Beratungsleistung. Eine 500 kW benötigt im Dauerbetrieb nach jetzigem Wissensstand 20 bis 22 kg, sodass sich Tageskosten von 33 bis 35 € ergeben. Teuer ist dagegen das „Animpfen“: Neun Tage lang sollte etwa das Zehnfache der Tagesdosis eingefüllt werden. In der Zeit machen sich die ersten Prozessveränderungen für Betreiber bemerkbar.


hinrich.neumann@topagrar.com

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